Herzlicher Empfang

Ein Bericht von German Doctors-Einsatzärztin Dr. Dana Seifert aus Kilifi

Dr. Dana Seifert mit einem lokalen Mitarbeiter in Kilifi

Bei meiner Ankunft am Flughafen von Mombasa schlägt mir als erstes die schwüle Wärme eines tropischen Landes entgegen. Auch empfängt mich ein ungewohnt holzig-würziger Geruch in der Luft, der mich die nächsten Wochen ständig begleiten wird – der Geruch von Holzkohle an einer Feuerstelle. Wie ich später lernen werde, kochen die meisten ländlichen Haushalte Kenias auf diese Weise – so auch in der ca. 40 km nordöstlich Mombasa gelegenen Region Kilifi, in der ich zukünftig arbeiten werde.

Der Empfang aller Menschen fällt ausgesprochen herzlich aus, fast als wäre ich Familie, die nach längerer Abwesenheit zu Besuch kommt – was mir ein gutes und vertrautes Gefühl für die kommende Zeit gibt, denn durch einen unerwarteten Zufall werde ich für die ersten zwei Wochen meines Einsatzes die einzige Ärztin im Projekt sein.

Füße waschen gegen gefährliche Sandfliegen

Mein erster Arbeitstag beginnt mit einer großen Vorstellungsrunde sämtlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Nord Coast Medical Training Colleges, auf dessen Campus die German Doctors untergebracht sind und auch in die Lehrtätigkeit involviert werden sollen. Tatsächlich gelingt es mir, mir die meisten Namen und Gesichter zu merken und die paar mitgebrachten Brocken Kisuaheli zaubern allen ein schüchternes Lächeln aufs Gesicht, was vielleicht aber auch an meiner sicher nicht einwandfreien Aussprache liegen mag.

Dr. Dana Seifert im Sprechzimmer

Auch in der Bomani Malde Dispensary, meiner Hauptarbeitsstätte für die nächsten Wochen, werde ich von den lokalen Kollegen und Kolleginnen freundlich empfangen und auch sogleich in die routinierten Abläufe in der kleinen Ambulanz eingearbeitet. Sofort geht es an Tag 1 auch an die selbstständige Versorgung von Patienten und Patientinnen, darunter zum größten Teil Kinder. Für mich als Radiologin und Mitarbeiterin des öffentlichen Gesundheitsdienstes doch eine zunächst ungewohnte Aufgabe, denn das anamnestizieren und untersuchen von Patienten und Patientinnen liegt schon länger zurück. Meine erfahrenen Übersetzerinnen Betty und Patricia sind mir dabei eine große Hilfe.

Bereits nach der ersten Woche stellt so etwas wie Routine ein, bei Fragen sind die sehr gut ausgebildeten lokalen Clinical Officers stets zur Stelle. Viele Menschen kommen mit mehr oder weniger starken Erkältungssymptomen, denn in Kenia ist aktuell Winter, hinzu kommt, dass die Regenzeit noch nicht ganz vorbei ist und das Klima und das enge Zusammenleben in den schlichten Lehmhütten, in denen die meisten Patienten und Patientinnen leben, leicht übertragbare Infektionskrankheiten begünstigen. Manche Beschwerden wirken zunächst lapidar, dennoch muss ich mir klarmachen, dass anders als in Deutschland die Menschen hier in Kilifi nicht die Möglichkeit haben, einfach in eine Apotheke zu gehen und sich Mittel gegen ihren Husten oder Fieber selbst zu kaufen. Die nächste Apotheke oder gar das nächste Krankenhaus sind zu weit weg, schon der Transport dorthin wäre für viele Menschen nicht bezahlbar. Die kostenlose medizinische Grundversorgung und Medikamentenausgabe in der Dispensary stellt für die meisten die einzige Möglichkeit dar, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Warten auf die Behandlung

Leider ist bis auf einige Basisuntersuchungen eine weiterführende Diagnostik oder tiefere Ursachenforschung der Beschwerden oft kaum möglich, was  neben den begrenzten Ressourcen auch an der nur indirekten Kommunikation über die Übersetzerinnen durch die Sprachbarriere liegt. Man muss schon stark nachbohren, um zu erfahren, dass sich die Kopf- und Nackenschmerzen eines 12-jährigen Mädchens wohl eher durch ein Zuviel an Tragen von Feuerholz und Maismehl auf dem Kopf erklären lassen als durch eine Hirnhautentzündung oder die Mutter des vierjährigen kleinen Jungen, dessen Kopf übersäht ist mit infizierten Hautpilzläsionen, kürzlich an AIDS gestorben ist– auch sein HIV-Test fällt positiv aus. Lebensrettend, dass er seine Medikamente und weitere Betreuung in der Dispensary umsonst erhalten kann.

In den meisten Fällen kann lediglich rein symptomatisch therapiert werden – manchmal bleibt nur die Empfehlung, sich im nächsten Krankenhaus oder beim Zahnarzt vorzustellen, was wohl den wenigsten Patienten und Patientinnen möglich ist.

Neben der alltäglich sichtbaren Armut gibt es durchaus auch Erfolgserlebnisse und schöne Momente, die mich menschlich wie medizinisch wachsen lassen: die hochschwangere Frau oder das lethargische, fiebernde Kind mit Malaria, denen wir die passenden Medikamente verschreiben können, die mikroskopisch bestätigte Schistosomiasis, nachdem der Anfangsverdacht bei untypischen Symptomen ein anderer war, die perforierte Mittelohrentzündung, die ich als Radiologin, die seit dem Studium nie ein Otoskop benutzt hat, zweifelsfrei diagnostizieren kann. Zudem viele kleine Patienten, die nach großer Ehrfurcht und Krokodilstränen im Untersuchungszimmer dieses mit einem Strahlen und frechem Winken auf dem Arm der Mutter wieder verlassen.

German Doctors-Informationszelt für Schulungen und kleine Behandlungen

Ein besonderes persönliches Highlight ist der Wissensaustausch mit den örtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Colleges sowie die Unterrichtseinheiten mit den Studierenden. Aufgrund meiner Weiterbildung liegt mein Fokus hier vor allem auf der Ultraschalldiagnostik, welche auch in der Dispensary möglich ist und unter anderem routinemäßig zum pränatalen Check-Up für Schwangere genutzt wird. Das Anleiten einer Studentin, die einer werdenden Mutter das erste Mal selbstständig und sicher das Ungeborene mitsamt kräftigem Herzschlag im Ultraschall zeigen kann, ist an Freude durch das Erfolgserlebnis der Studentin und Strahlen der Mama über den Anblick ihres Babys kaum zu überbieten.