Einsatzarzt auf Mindoro, Philippinen

Ein Bericht von German Doctor Dr. Alexander Schwenke

Um sieben Uhr am Morgen ist Abfahrt. Da herrscht schon reger Verkehr auf der Hauptstraße vordem Staffhaus in Mansalay. Ruell, der Hausmeister, hilft uns, gut in den fließenden Verkehr zu kommen und schließt hinter uns wieder das Tor.

Wenn wir kurze Zeit später die große Straße verlassen, sind wir meist das einzige Auto auf den schmalen, holprigen Straßen in die Dörfer, wo wir unsere Rolling Clinic einrichten. Am Health Center, am Dorfplatz oder in der Kirche warten schon die ersten PatientInnen mit Angehörigen, sowie die örtlichen Public Health Worker (PHW) auf uns, helfen beim Abladen und suchen ihre Karteikarten aus dem großen Stapel heraus. Die PHW sind Frauen aus den Dörfern, die bei German Doctors eine medizinische Grundausbildung erhalten. Sie sind im und für das Dorf sehr wichtig, halten Kontakt zu unseren Teams und versorgen die Einwohner weiter, wenn wir wieder fort sind.

Sind Sprechstunde, Apotheke und Patientenaufnahme eingerichtet, fängt Callen, die für die Patientenaufnahme verantwortlich und zudem ausgebildete Hebamme ist, an, die Kranken der Reihe nach aufzurufen. Gewicht und Blutdruck sind da oft schon von den PHW gemessen und provisorisch auf dem Unterarm aufgeschrieben. Zusammen mit den Beschwerden, Temperatur und Puls wird alles auf die Karteikarte eingetragen.

© Alexander Schwenke

Währenddessen beginnt Mom Jessica, die bereits seit 18 Jahren in der Rolling Clinic arbeitet, sehr viele PatientInnen sowie die Dorfältesten kennt und ein großes Organistationstalent ist, mit den heutigen Gesundheitsschulungen, erzählt Neuerungen und stellt das Team vor. Wobei: nach wenigen Tagen hat sie beschlossen, dass ich das auch selbst machen könnte und hat mir die entsprechenden Worte auf Tagalog aufgeschrieben. Das sorgt nicht nur für allgemeines Erstaunen, sondern auch für den einen oder anderen Lacher, wenn es mit der Aussprache nicht ganz so klappt.

 

© Alexander Schwenke

Anschließend stehen alle auf für die täglichen Gymnastikübungen! Wenn wir Musik dabeihaben, geht es gleich noch besser. Zum Schluss durfte auch ich „Vorturnen“; pabalik heißt zurück oder anders herum, der Rest geht auch auf Englisch…

Direkt im Anschluss beginnt die eigentliche Sprechstunde. Viele kommen schon seit Jahren zur Rolling   Clinic.   Aufgrund   von   Bluthochdruck, Diabetes   mellitus   oder   anderen   chronischen Krankheiten werden sie bei uns behandelt und bekommen die Medikamente für die kommenden vier   Wochen.   Gibt   es   keine   weiteren   Beschwerden   oder   Hinweise   auf   Langzeitschäden   der Krankheit, ist die Behandlung nach einem netten Gespräch unter Bekannten schnell erledigt. Von Mom Aisa, die nicht nur die Apotheke unter sich hat, sondern auch die Teamleaderin ist, erhalten sie die Medikamente für die nächsten 4 Wochen, bis die Rolling Clinic wiederkommt. Und verschreiben wir für eine chronische Lungenerkrankung neu ein Dosierspray, so weiß sie genau, wie man die Anwendung den Menschen erklärt, oder mit einer leeren Plastikflasche das Inhalieren einfacher macht.

Als nächstes kommt eine typische „Kombination“: 1-3 Kinder zwischen wenigen Wochen und 15 Jahren   kommen   wegen   Husten   und   Fieber.   Die   Mutter   beklagt   das   gleiche   oder   Kopf-   und Rückenschmerzen, vielleicht auch Symptome einer Blasenentzündung. Dabei ist es wichtig, die Kranken herauszufinden, die eine schwere Infektion haben und Antibiotika brauchen. Oder ob es gar Anhaltspunkte für eine Tuberkulose gibt. Diese Anhaltspunkte, wie Gewichtsverlust, blutiger Auswurf und einige mehr, werden schon von Callen und Garry im Vorgespräch abgefragt. Dann wird den PatientInnen sofort ein Mundschutz angelegt.

Sie erkennen auch sicher Notfälle oder schieben PatientInnen vor, die auf dem Nachhauseweg noch den Fluss durchqueren und wegen des Regens früher losgehen müssen. Wir fahren ein bis zwei Stunden dorthin. Sie gehen zu Fuß drei Stunden oder mehr, um zu uns zu kommen. Und das mit einem kranken Kind auf dem Arm oder mit Gehbehinderung nach Schlaganfall! Das beeindruckt mich immer wieder sehr! Die Distanzen, die die PatientInnen zurücklegen müssten, wären allerdings noch länger, wenn die German Doctors ihre mobilen Ambulanzen nicht in den jeweiligen Regionen an zentral gelegenen Orten aufbauen würden.

© Alexander Schwenke

Trotz vieler Wartender, an manchen Tagen bis zu 70, bleibt um 10 Uhr immer Zeit für einen Kaffee oder „Diesel“, wie Garry, unser Fahrer sagt.

Für unsere PatientInnen ist es selbstverständlich, dass wir nun Pause machen. Genauso am Mittag, wobei es schon gewöhnungsbedürftig ist, vor den Hunden und Katzen aus dem Dorf, und oft auch den Wartenden seinen Reis mit Fisch, Gemüse oder Huhn zu essen. Aber das ist eben so, und am Ende ist es auch für mich ganz normal.

Bleibt etwas übrig, und das ist fast immer der Fall, findet sich schnell jemand, der sich darüber freut. Und den Nachtisch bekommen wir oft von den PatientInnen, die uns mitbringen, was sie haben: Bananen und andere Früchte, die eben gerade geerntet werden konnten. Gibt es an den Gebäuden, die zum Teil von German Doctors gebaut wurden, etwas zu reparieren, bespricht Jessica das mit dem Dorfchef, und wer etwas zur Erhaltung der Gebäude beibringen kann, sei es etwas Holz, ein paar Nägel, ein paar Pesos oder seine Arbeitskraft, der soll dies auch gerne tun! Hilfe, die bleibt, heißt auch immer Hilfe zur Selbsthilfe.

Es gibt vieles, was man mit den heimischen Pflanzen kostenlos selbst herstellen kann. Dafür reist unser Public-Health-Team in die Dörfer und zeigt die Pflanzen und Rezepte. Sie erklären ebenfalls, was wichtig ist für Hygiene, Gesundheit und Ernährung.

© Alexander Schwenke

Am Nachmittag dann die letzten PatientInnen. Ein Abszess am Fuß, der noch eröffnet werden muss. Und, wie leider viel zu oft, ein Kind mit Unterernährung, das schon wieder stark erkältet ist. Diese Kinder und ihre Familien brauchen besondere Unterstützung, und es ist schön zu sehen, wenn die Kleinen beim nächsten Besuch einen Monat später an Gewicht zugelegt haben!

© Alexander Schwenke

Sechs Wochen ist viel zu kurz, um Tiefgreifendes zu bewirken. Aber das ist auch nicht die Aufgabe von uns ÄrztInnen aus Europa. Wir sind dazu da, die lokalen Teams zu unterstützen und Fachwissen bei den einzelnen Behandlungen und für das Team mit kleinen Fortbildungen und Erklärungen beizusteuern. Aber vor allem bedeutet es für die Menschen aus zum Teil ärmlichsten Verhältnissen sehr viel, dass sie nicht vergessen sind, sondern dass Menschen einen weiten Weg auf sich nehmen, um sich um sie zu kümmern.

Und so will ich so bald wie möglich wieder dorthin reisen, denn ich habe mindestens so viel Gutes erfahren und erhalten, wie ich versucht habe, den Menschen dort zu helfen.