Trotz Corona alle Hände voll zu tun

Ein Bericht von Langzeitarzt Gerhard Steinmaier aus Luzon

Wir sind seit 4. Mai wieder mit der Rolling Clinic auf der philippinischen Insel Luzon unterwegs. Im Mai konnten wir alle geplanten Orte anfahren und die Sprechstunden durchführen. Insgesamt haben wir im Mai 595 Patienten gesehen, das entspricht im Durchschnitt 35 Patienten pro Arbeitstag.

Kein Zutritt aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen

Der Juni begann mit 30 Patienten in Daga und der Botschaft, dass in Conner der erste Covid-19-Patient festgestellt wurde. Die Konsequenz war eine totale Ausgangssperre für Conner bis einschließlich 15. Juni. Ab dem 16. Juni konnten wir die Arbeit wiederaufnehmen und haben bis zum Ende des Monats insgesamt 386 Patienten (32/Tag) behandelt. Im Juli gab es keine weiteren Ausgangssperren, so dass wir pro Tag wieder 35 Patienten, insgesamt 654 Patienten behandelt haben.

Der August begann wieder hoffnungsvoll für uns und die Menschen der Bergregionen, wir mussten aber  Guinamgamman streichen, weil dort ein lokaler Lockdown verfügt wurde. Dann kam es ganz dick: Am 21. August haben wir erfahren, dass Teile von Tanudan unter Lockdown sind, weil die Covid-19-Fälle zugenommen hatten. Betroffen waren auch die Medical Health Officer (MHO)  von Tanudan und drei Mitarbeiter der dortigen Rural Health Unit (RHU). Also waren wir erst mal wieder zum Warten verurteilt. Eine Nachfrage beim MHO von Pasil ergab eine positive Antwort, soll heißen, wir wären eigentlich in der Woche vom 1. September dort willkommen gewesen, wenn nicht am Wochenende zuvor Tabuk und Tanudan gesperrt worden wären. Diese Gemeinden müssen wir passieren, wenn wir nach Pasil wollen.

Ankunft in Pasil

Inzwischen hat sich das geklärt und wir sind seit gestern in Pasil, können aber die vorausgeplanten Orte nicht alle besuchen, weil zwei Teilgemeinden uns aus Angst vor möglicher Einschleppung von Coronaviren ausgeladen haben. Also ändern wir unsere Pläne und besuchen andere Gemeinden.

Auch der Weg nach Tanudan ist leider gesperrt

Die Rural Health Units (RHU) in unseren Partner-Gemeinden sind alle nicht mehr für Patienten zugänglich, die einzige medizinische Versorgung in den Gemeinden ist derzeit die Rolling Clinic der German Doctors. Zwei Medical Health Officer (MHO) sind in Quarantäne, die RHU in Pasil ist im Umbau. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass wir hier nicht auf Rosen gebettet sind, sondern mit Isomatte auf dem Fußboden schlafen und unser Frühstück und Abendbrot auf unserem mitgebrachten Gaskocher selbst zubereiten. Fließendes Wasser haben wir nur gelegentlich, wir müssen morgens unsere zwei Eimer gut einteilen, damit sich jeder im Team zumindest ein bisschen waschen kann.

Cataract-Projekt

Wegen der Coronakrise war es über viele Monate nicht möglich, das Operationsprogramm für unsere Cataractpatienten fortzuführen. Jetzt haben wir erneut eine erste Gruppe von 10 Patienten organisiert, die am 8. September auf den Weg zur Augenklinik gebracht werden sollen. Wir sind natürlich darauf angewiesen, dass uns Corona nicht – wie schon in dieser Woche – einen Strich durch die Rechnung macht.

Primary Health Care

Unsere Primary Health Care-Mitarbeitenden (PHC), die eine Gesundheitsschulung absolviert haben und erste Ansprechpartner in den Gemeinden bei kleineren Gesundheitsproblemen sind,  waren in den ersten Wochen zusammen mit dem Rolling Clinic-Team unterwegs, um auch mit Unterstützung der Polizei die Einhaltung der Hygieneregeln zu gewährleisten.  Im Juni haben wir Poster zu verschiedenen Themen (Hygiene, Hauterkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck, Rückenschmerzen, Durchfall, Tuberkulose, Epilepsie und mentale Gesundheit, Unterernährung, Herbal medicines und Mundhygiene, Familienplanung)  für die family classes entwickelt, die wir seither zu Beginn der Rolling Clinic für eine kurze Schulung benutzen. Die graduierten Barangay Health Worker (BHW, Gesundheitsarbeiter in den Gemeinden) werden mit diesen Schulungen vertraut gemacht und sollen diese zukünftig sowohl in der Rolling Clinic, als auch in ihren family classesanwenden. Diese Aktivität wird durch unsere Health Services Koordinatorin begleitet.

Seit der letzten Juniwoche wurde die Ausbildung der BHW wieder aufgenommen. Unsere Trainer waren unter Supervision von Jocelyn in Bawak, Nabuangan und Lattut aktiv. Zwischenzeitlich konnte das Training in Bawak mit dem Schlussexamen abgeschlossen werden und wir warten nun auf eine Möglichkeit, die Graduationsfeier durchführen zu können. In Lattut werden wir demnächst das Training abgeschlossen haben, Nabuangan braucht noch etwas länger.
Die Community Development Mitarbeiterin ist in den Dörfern unterwegs um aktuell die sanitären Bedingungen zu erfassen. Sie geht in den Dörfern von Haus zu Haus und erfasst, wie viele Toiletten in welchem Zustand vorhanden sind.

Wasserprojekt Bawak

Wasserstelle in Bawak

Seit April 2020 arbeiten wir an der Planung eines Wasserprojekts in der Teilgemeinde Bawak, wo 224 Familien ohne sauberes Wasser leben. Im Jahr 1996 wurde dort eine Wasserleitung aus den Bergen ins Dorf gelegt, finanziert von CECAP, einer europäischen Hilfsorganisation. Diese Leitung wurde in den Folgejahren durch mehrere Taifune beschädigt und zuletzt durch den Taifun Ompong im September 2018 vollständig zerstört. Die Menschen in Bawak versorgen sich seitdem mit Wasser aus einem Loch, das sie am Flussufer gegraben haben. Es handelt sich um Oberflächenwasser, das nach jedem Regenfall vom Schlamm braungefärbt ist und über dessen hygienische Qualität man nicht nachdenken möchte.

Wir haben gemeinsam mit dem Gemeindevorstand und der LGU Tanudan (Mayor, Engineer) die vorgeschlagene Quelle in den Bergen aufgesucht um uns von der Wasserqualität und -quantität zu überzeugen. Die Gemeinde hat 100.000 Pesos (ca. 1730 €) beigetragen, um an der Quelle einen Damm und eine intakte Box zu bauen, sowie die ersten knapp 400 m Leitung (Durchmesser 2 Zoll) zu verlegen. In zahlreichen Besuchen der Gemeinde und einigen Meetings mit allen Haushaltsvorständen haben wir die Organisation der Bauleistungen und der künftigen Maintenance vorbereitet. Schließlich haben wir eine Barangay Water Association gegründet, deren Mitglieder die künftigen Nutznießer des Wassers sind.

 

Ich fasse zusammen:

Die Barangay Water Association – Nun sind die Zuständigkeiten geklärt

Wir sind mit der Rolling Clinic unterwegs, wenn immer und wo immer möglich. Wir sind aktuell die einzige medizinisch aktive Einrichtung (selbstverständlich gibt es die Krankenhäuser in Conner, Tabuk und Tuguegarao, die allerdings von Patienten oft nicht erreicht werden können.) Das Cataractprogramm steht vor seinem Neustart.

Wir haben das Training der BHW wiederaufgenommen und sehen mit Freude deren aktive Beteiligung an der Rolling Clinic und ihre Arbeit in den Clusterfamilien. Wir schulen und begleiten die BHW über das Basistraining hinaus regelmäßig weiter. Wir betreiben „nebenbei“ ein Wasserprojekt, das am Ende mehr als tausend Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgen wird.

Zur Erinnerung: unser Team besteht aus zwei Fahrern, zwei PHC Trainern, einer Health Services Koordinatorin, einem Community Development Worker, einer PHC Koordinatorin, einer Teilzeitsekretärin, einer Apothekenhelferin und mir selbst. Wir alle arbeiten zusammen, helfen gegenseitig aus, die PHC Mitarbeiter begleiten wenn nötig die Rolling Clinic, umgekehrt sind die Mitarbeiter immer bereit, auch für die anderen Teilprojekte (Wasser, Cataract) zur Verfügung zu stehen.
Für mich und Jocelyn stehen häufige Wochenendtermine an, ich kann nicht überall zugleich sein und gebe derzeit dem Fortgang der Rolling Clinic Aktivität den Vorrang. Die anderen Projekte verlagere ich auf freie Tage für Meetings, Einholen von Kostenvoranschlägen und der Koordination mit der Augenärztin.