Erdrutsche und andere Unbeqemlichkeiten

Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Angelika Leist aus Luzon

Die Anreise ist ein Abenteuer

Am 17.11.2019 begann mein 10. Einsatz mit den German Doctors. Wie im Jahr zuvor war mein Einsatzgebiet Luzon auf den Philippinen, ein Projekt, das erst seit 2017 existiert. Mein erster Einsatz im September/ Oktober 2018 war geprägt vom Taifun Oppong, der mich bei der Anreise zunächst in Manila stranden liess, weil alle Inlandflüge ausfielen. Ich konnte dann erst 2 Tage später mit dem Bus anreisen, und meine Kollegin Sabine hatte viel zu berichten, weil sie den Taifun direkt miterlebt hatte.

Dieses Mal dachte ich, wenn ich etwas später anreiste, sei die Taifunsaison beendet. Meine Anreise funktionierte dieses Mal auch unkompliziert. Nach einer Übernachtung im sonnigen Manila war mein Weiterflug nach Tuguigarao ebenfalls pünktlich und unkompliziert. In Tuguigarao angekommen, war aber das Team nicht da, um mich abzuholen, da inzwischen eine Sturmwarnung erfolgt war und sie davon ausgegangen waren, mein Flug sei abgesagt. Als sie mich dann in Empfang nahmen, wurde ich gleich mal von meiner Kollegin aufgeklärt, dass dieses Mal die Regenzeit besonders heftig sei. Sie hatte die letzten 3 Wochen nur strömenden Regen ! Und auf dem Weg nach Conner fing es dann auch an zu schütten und hörte gefühlt 5 Wochen lang nicht mehr auf. Und ein Taifun war auch schon im Anmarsch. In Conner wurde ich begeistert vom Team empfangen, wir hatten das Jahr zuvor viel Spass miteinander.

Nach einer wegen Jetlag fast schlaflosen Nacht ging es dann am nächsten Morgen gleich los mit der Rolling Clinic. Im strömenden Regen fuhren wir zunächst nach Tabuk, um Lebensmittelvorräte einzukaufen- schliesslich sollten wir 5 Tage unterwegs sein- dann ging ins erste Dorf. Dort wurden wir jedoch nicht erwartet, da man dachte, wir kämen nicht wegen des Taifuns. Entsprechend trudelten die Helfer und Patienten erst so langsam ein. Aber die improvisierte Sprechstunde wurde dann doch noch abgehalten und ich konnte schon mal die erworbenen Fähigkeiten der BHWs ( barangay healthworkers) überprüfen. Im letzten Jahr waren sie ganz neu,  jetzt waren sie teilweise schon graduiert und ganz fit! Am Abend fuhren wir über eine ganz schlechte, verschlammte Strasse in ein anderes Dorf, wo wir im healthcenter übernachten durften.

Die Fortbildung der health worker

Unser Team ist sehr erfindungsreich im Aufbauen der Schlafstätten und im Aufhängen der Moskitonetze, sodass auch in der primitivsten Hütte so etwas wie Gemütlichkeit aufkommt. Und natürlich wird gekocht und gemeinsam gegessen und geredet. Am nächsten Morgen im nächsten Dorf war wieder niemand auf unser Kommen vorbereitet, also machten wir erst mal einen Spaziergang durchs Dorf und besuchten die Schule. Die Schulen in den Philippinen sind immer nette Oasen mit sauberen Räumlichkeiten und gepflegten Gärten und die Lehrer sind in der Regel sehr nett und gebildet. Mit den Kindern gehen sie ausgesprochen lieb um, das macht richtig Spass! Auch wenn man nicht mit uns gerechnet hatte, wurde doch wieder improvisiert und es waren auf einmal Helfer und Patienten da und natürlich bekamen wir auch ein richtig tolles Mittagessen.

Auf dem Heimweg im strömenden Regen erfuhren wir dann, dass die Strasse von unserem Dorf zurück  durch einen Erdrutsch verschüttet war, so dass nicht klar war , ob und wann wir wieder wegkämen. Aber es war eh noch eine Nacht im healthcenter geplant mit der Rolling Clinic am nächsten Tag ebenda. Und es regnete und regnete. Am nächsten Tag kamen nicht viele Patienten , da sie natürlich auch von dem Erdrutsch betroffen waren, Gelegenheit , die Kenntnisse der anwesenden health worker zu überprüfen und zu vertiefen.

Auch auf den Philippinen wird gerne dekoriert

Allerdings erfuhren wir , dass der Erdrutsch wohl nicht allzu schnell beseitigt werden könne, da die benötigten schweren Räumfahrzeuge auf der anderen Seite waren und sich erst mal den Weg freibaggern mussten. Also übernachteten wir wieder im healthcenter, Vorräte hatten wir noch. Zwischendurch fiel mal der Strom aus, da wurde es gemütlich mit Kerzenlicht! Am Nachmittag machten wir noch einen Hausbesuch zu Fuß über Treppen ins nächste Dorf, das war eine ziemliche Schlammpartie im strömenden Regen, aber die Patientin war wirklich nicht in der Lage, ins healthcenter zu kommen und war sehr dankbar, dass wir sie zu Hause mit ihren Asthmamedikamenten versorgen konnten.

Abends kam eine Dorfbewohnerin und brachte uns ein lebendes Huhn, damit wir nicht verhungern, die Suppe hat sehr gut geschmeckt. Aber die Tatsache , dass wir nicht wussten , wann wir wieder weg konnten, zerrte schon ein bisschen an den Nerven! Am nächsten Tag war noch kein Bagger da, also konnte die Strasse  weiterhin nicht passiert werden. Wir fuhren dann ein Stück in die andere Richtung, wo es einen Alternativweg gibt, wenn der Fluss überquerbar ist über eine Furt. Aber natürlich war er bei den Regenmassen nicht passierbar, also saßen wir weiter fest. In einer Regenpause liefen wir dann mal zu Fuß zu der verlegten Strasse und beschlossen dann, am nächsten Tag zu Fuß unser Gefängnis zu verlassen,  zumindest meine Kollegin, unsere Apothekerin und ich. Die Männer sollten warten, bis die Strasse wieder frei war.

Das war eine ganz schön happige Angelegenheit. Im Matsch blieb man immer wieder stecken und man musste höllisch aufpassen, dass man da lief, wo es nicht zu tief war, sonst wäre man versunken. Na ja, irgendwann am Nachmittag hatten wir es geschafft und wurden von unserem zweiten Fahrer in Empfang genommen und nach Conner zurückgebracht. Dort hatte inzwischen ein Taifun gewütet, was auch nicht besser gewesen wäre! Ja, und so ging es eigentlich fast 5 Wochen weiter!

Frisch, bio und unheimlich lecker

Viele Dörfer waren wegen des Regens nicht erreichbar, viele Patienten konnten wegen des Wetters nicht kommen, aber das Improvisationstalent und die Flexibilität der Philippinos sind unerreicht! Es wurde immer ein Raum gefunden, es kamen immer Helfer, und es gab immer ein improvisiertes Mittagessen. Und ein paar Mal waren wir auch in neuen Dörfern, wo dann der Andrang doch größer war und man sich sehr freute, wenn wir kamen. Richtig kranke Patienten gab es glücklicherweise kaum, aber wir sind ja auch hauptsächlich da, um die health worker auszubilden, und das geht schön voran.

Da Vorweihnachtszeit war  (die fängt dort schon im September an), gab es viel weihnachtliche Dekoration. In manchen Dörfern wurden richtige Wettbewerbe abgehalten, wer den schönsten Weihnachtsbaum und die prächtigste Krippe hat. Aber auch deswegen hatten die Patienten nicht so viel Zeit, den Arzt aufzusuchen. Es gab natürlich auch Feste, der Abschied meiner Kollegin , der mit Pizza und Karaoke gefeiert wurde. Ein Betriebsausflug zum teambuilding mit vielen Rollenspielen, Kritiksitzungen und auch abendlicher Poolparty. Da habe ich auch für meinen Alltag hier in der Praxis was gelernt.

Ein Weihnachtsbaum der etwas anderen Art

Und dann gab es noch die Weihnachtsfeier, ein großes Fest , zu dem alle nurses und midwifes und die Mitarbeiter des nebenan gelegenen rural health centers eingeladen waren, und an dem auch einige nicht geladene Gäste aus der Nachbarschaft teilnahmen. Der Tisch bog sich vor Köstlichkeiten, die alle mitgebracht hatten, ich habe versucht, Weihnachtsplätzchen zu backen mit den dortigen Zutaten und Möglichkeiten, und es wurde natürlich Karaoke gesungen, Spiele veranstaltet und getanzt. Insgesamt war der Aufenthalt für mich wieder sehr erfreulich , angenehm und bereichernd, auch wenn die Witterungsbedingungen dieses Mal etwas ungünstig waren. Schon um die weitere Ausbildung der health worker zu beobachten und das Team wieder zu sehen, war das bestimmt nicht mein letzter Einsatz.