Hilfspakete für die Mangyans

Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Gabriele Knecht aus Mindoro

Im Gegensatz zu manch anderen Kolleg*innen waren die vergangenen Wochen mein erster Einsatz für die German Doctors. Das verpflichtende Seminar im Vorfeld des Einsatzes in Bonn hatte viel Spass gemacht und ein wenig auf die bevorstehende Zeit vorbereitet. In Manila habe ich meinen Kollegen getroffen, der für die Südtour eingeteilt war. Dieser hatte schon den dritten Einsatz auf Mindoro, sodass ich mich für die weitere Anreise mit Bus und Fähre in guten Händen wusste.

Nach dem Taifun gibt es noch viel zu tun

Auf Mindoro wurden wir von dem Nordtour-Fahrer Rolando erwartet und zur Klinik in Calapan gebracht, wo uns die Medizinische Direktorin der German Doctors vor Ort, Dr. Elsa Castillo begrüßte und uns u.a. auch die Station der Mangyans zeigte. Auch hier im Krankenhaus herrscht ein eklatanter Pflegenotstand, welcher sich leider auch in der Patientenversorgung deutlich macht. Im Anschluss fuhren wir weiter nach Viktoria, wo sich seit Mitte 2019 das Staff-House der Nordtour befindet. Die Begrüßung war sehr herzlich und wir wurden darauf vorbereitet, dass wir auf unseren täglichen Touren die Verwüstungen durch Taifun Ursula (Weihnachten 2019) und ebenfalls  durch Taifun Tisoy (November 2019) sehen würden. Außer der medizinischen Hilfe sollte jede Familie in den Mangyan-Dörfern der Nordtour auch mit Hilfsgütern versorgt werden. Diese  Tüten beinhalteten zum einen Reis, Zucker, Salz, Nudelsuppen, Fischkonserven und löslichen Kaffee und die zweiten kleinerem Tüten zum anderen Seife, Zahnpasta, Waschmittel und Shampoo. Das Packen dieser insgesamt sowohl 1900 kleinen und grossen Tüten beschäftige uns als Nordteam fünf Wochen lang jeden Abend. Zusätzlich mussten diese Hilfsgüter natürlich vorab eingekauft werden, was uns auch ein paarmal Abends in die eine Stunde entfernte Grossstadt Calapan brachte. Das Team funktionierte bei den “Pack-Abenden” sensationell gut zusammen und es wurde dabei gesungen, gelacht und wir hatten alle unseren Spass.

Dankbarkeit und strahlende Gesichter

Die gewaltige Aschewolke des Vulkans Taal

Während der Nordtour sahen wir immer wieder, wie nötig die Verteilung dieser Hilfsgüter bei der Bevölkerung ist und wieviele Häuser und auch die Ernten durch die beiden Taifune zerstört wurden. Die Dankbarkeit der Menschen für diese Hilfe durch German Doctors war jedem einzelnen der 1900 Empfänger der “grünen Tüten” in seinem strahlenden Gesicht anzusehen. Die Zerstörung betraf leider auch den ein und anderen German Doctors Unterstand, wo wir normalerweise die Sprechstunde abhielten, sodass wir in Kirchen- oder Gemeindezentren ausweichen mussten. Hier hoffen alle auf baldigen Wiederaufbau der German Doctor eigenen Unterstände. Als Ende Januar der Vulkan Taal auf der Nachbarinsel ausbrach, sahen wir in der Ferne die Eruptionswolke, als dann auch ein wenig Asche zu uns wehte, liefen im Staffhouse die ganze Zeit die Nachrichten, denn jeder hatte Angst vor einer weiteren Naturkatastrophe.

Wer nicht mehr alleine laufen kann, wird von den Angehörigen getragen

Bei der Sprechstunde funktioniert alles sehr routiniert, man sieht dass das Team hier schon seit Jahren arbeitet und auch vor Ort gibt es manchmal qualifizierte Hilfe, die beim Wiegen oder Blutdruckmessen hilft. Hier glaube ich, könnte man noch mehr Ausbildung machen, um die Menschen vor Ort zu qualifizieren. Vor jeder Sprechstunde gibt es für die wartenden Patienten einen kleinen Vortrag zu verschiedenen Themen der Gesundheitserziehung, welchem alle immer sehr interessiert lauschten. In der Sprechstunde selbst gibt es zum Einen die chronisch erkrankten Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen, hohem Blutdruck, Diabetes, Asthma, COPD und Epilepsie, zum anderen die akuten Erkrankungen wie Fieber, Bronchitis, Gastritis, Hauterkrankungen, Rückenbeschwerden, Ohren- und Augenentzündungen und natürlich die Check ups der Schwangeren.

Zwillinge in der Sprechstunde

Als grosse Gruppe gibt es aber auch noch die Tuberkulose-Patienten. Da ich in Deutschland als Infektiologin tätig bin, betreue ich auch zuhause viele Tbc Patienten, das Tragische auf Mindoro ist jedoch der späte Zeitpunkt, an dem es hier zu einer Erstvorstellung kommt. Viele der Erwachsenen und Kinder mit einer Tuberkulose der Wirbelsäule kommen etliche Monate später zur Rolling Clinic, meistens erst, nachdem sie nicht mehr laufen können. Ein junges Mangyan-Ehepaar brachte ihre 2 1/2 jährige Tochter erst, nachdem diese schon zwei Monate lang nicht mehr laufen konnte. Sie kamen über zwei Stunden aus den Bergen zur Sprechstunde gewandert und hatten zu dem Zeitpunkt das erste Mal überhaupt von den German Doctors gehört. Ein anderer kleiner Junge hatte schon viele fistelnde Lymphknoten bei einer Lymphknoten Tbc, bis es zur ersten Vorstellung bei uns kam.

Es muss nicht immer teures Spielzeug sein

Hier frustriert mich sehr, dass die Diagnostik auch bei solch dringenden Fällen viel zulange dauert und damit die Therapie so verzögert startet. Auch wurde immer wieder in vielen Gesprächen klar, dass die ortsansässigen Healthcenter die Versorgung der Mangyans nicht stemmen können, aber grundsätzlich oft auch für viele Patienten zu weit von ihrem Zuhause entfernt sind. Die Entfernung zu den diagnostischen Massnahmen wie Röntgen oder Resistenzuntersuchung der Tuberkulose sind ebenfalls meist zu weit und damit von den Familien finanziell nicht zu stemmen.

Die grosse Armut der meisten Mangyans ist an der Unterernährung und an den zerschlissenen Kleidungsstücken zu sehen und für uns kaum vorstellbar. Die Dankbarkeit und die glücklichen Gesichter der Kinder, wenn wir jeden Mittag die Reste unseres Mittagessens verteilten, kann man kaum in Worten ausdrücken. Mich hat dieser Einsatz um so vieles bereichert. Ich hatte viel Spass in meinem Nordteam, habe mein medizinisches Wissen ohne jede Labor- und Apparatediagnostik wieder gespürt, habe dankbare Patienten behandelt und ein unheimlich grünes Land kennengelernt. Ich werde ganz sicher wiederkommen, am liebsten erneut als German Doctor!