Bei den Mangyans auf Mindoro

Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Maier-Hein 

Drei Tage habe ich in Manila bei den German Doctors in der Ambulanz gearbeitet, bevor es dann schon für vier Wochen auf die Insel Mindoro ging. Auf Mindoro werden hauptsächlich Mangyans und ihre unterernährten Kinder behandelt, eine Minderheit, welche im Laufe der Zeit immer weiter in die Berge zurückgedrängt worden ist und kaum Anschluss an medizinischer Versorgung, Elektrizität oder fließend Wasser hat.

 

Ein Mangyans auf Mindoro

Die Mangyans leben in einfachen Behausungen.

Nach 10 Stunden Fahrt bin ich im Süden der Insel angekommen und wurde von dem Team herzlichst begrüßt. Jeden morgen sind wir ca. ein bis eineinhalb Stunden zu verschiedenen Dörfern in die Berge gefahren, wo meistens schon freiwillige Health Workers und von weit her angereiste Patienten auf uns warteten. Im Durchschnitt wurden 80 Patienten am Tag behandelt, 50% davon Kinder. In einem Land wie den Philippinen, welches so reich an Früchten, Reis, Fisch etc. ist, war ich doch schockiert, wie viele mangel- und unterernährten Kindern und Erwachsenen man helfen kann. Die Vielfältigkeit an Obst und Gemüse, Fleisch und Meeresfrüchten auf den Märkten in den Städten kommt in den Bergen einfach nicht an.

Wartende Patienten

Der Andrang ist groß.

Täglich kamen Mütter mit unterernährten Kindern in die Sprechstunde. Fast alle sind immungeschwächt, nicht geimpft und haben zusätzlich Durchfall- oder Atemwegserkrankungen, die bei einem unterernährten Kind nicht selten tödlich verlaufen. Die Eltern zu überzeugen, mit ihrem Kind ins Krankenhaus zu gehen, gestaltet sich meistens schwierig, da sie in den Krankenhäusern manchmal diskriminiert werden und die Betreuung gelegentlich sehr fragwürdig erscheint. Dennoch ist die Einweisung manchmal notwendig! So auch an meinem letzten Tag im Süden, als ein 2-jähriges Mädchen, extrem unterernährt, mit Durchfällen und als Konsequenz ziemlich dehydriert mit ihrer Mutter in die Ambulanz kam. Nachdem wir ihr gesagt haben, sie müsse mit ihrer Tochter sofort ins Krankenhaus (German Doctors übernimmt dabei alle Kosten), brach sie in Tränen aus, da gerade erst vor drei Wochen eines ihrer Kinder mit den gleichen Symptomen gestorben ist…

Ein „normal unterernährtes Kind“ wird hier im Krankenhaus nicht behandelt. Dies musste ich erst schmerzlich lernen als ich ein sechsjähriges Mädchen von gerade mal 10 kg mit hochgradigem Tuberkuloseverdacht ins Krankenhaus einweisen wollte. Meine Übersetzerin hat mir dann erklärt, dass man ein „nur unterernährtes Kind“ dort nicht behandeln würde und zur Abklärung der Tuberkulose höchstens ein Röntgenbild machen und das Kind im Anschluss wieder nach Hause schicken würde. Wir als German Doctors geben in diesen Fällen den unterernährten Kindern bis zum nächsten Termin eine gewisse Menge an Kalorien (in Form von Pulver) mit, um die Ernährungszustände der Kinder zu verbessern. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass dieses Kind meistens noch 7 ältere Geschwister zu Hause hat, die alle von der Ernährungsergänzung mitessen und somit die Gewichtszunahme nur langsam erfolgt. Das kann manchmal dann schon frustrierend sein. Dennoch werden auch häufig Erfolge verzeichnet, die auf einer Gewichtskurve gut sichtbar sind und zum Glück wieder quietschfidele Kinder in die Ambulanz stolzieren.

Familie mit unterernährten Kindern

Die Kinder werden bei jeder Untersuchung gewogen.

Ein Krankheitsbild, welches in Deutschland quasi nicht mehr existiert ist der Jodmangel oder Jodmangelstruma (umgangssprachlich als „Kropf“ bezeichnet). Menschen mit extrem vergrößerten Schilddrüse kamen in die Ambulanz, mit so dicken Hälsen, bei denen ich manchmal dachte: „DAS kann doch kein Struma sein“, da ich solche Ausmaße vorher noch nie gesehen habe. Es ist grotesk zu wissen, dass 10 km weiter Unmengen an Meeresfrüchten angeboten werden, mit denen dieses Krankheitsbild ohne Weiteres verhindert werden könnte.

Neben der Mangelernährung kommen viele Patienten mit Hauterkrankungen, wie Pilzinfektionen oder Skapies zur Untersuchung. Auf Grund der schlechten hygienischen Verhältnisse bildet sich häufig eine bakterielle Superinfektion der Haut. Neben der medikamentösen Behandlung, die schwierig genug ist, da sie langwierige konsequente Mitarbeit des Patienten fordert, ist Aufklärung über Hygienemaßnahmen dabei unerlässlich. Das gleiche gilt für die zahlreichen Wurm-, Durchfall- und Atemwegserkrankungen. Die meisten Patienten haben leider überhaupt keine Ahnung wie viel regelmäßiges Händewaschen oder Waschen der Kleidung (häufig nur aus Fetzen bestehend) bewirken kann. Ich musste allerdings wieder erst lernen, dass viele der Mangyans einfach zu arm sind, um sich ein Stück Seife zu leisten…

Dr. Maier-Hein im Hilfseinsatz

Die Dankbarkeit der Patienten ist groß.

Viele Schicksale nehmen mich hier ohne Zweifel sehr mit. Es bringt mir dennoch sehr viel Spaß hier zu arbeiten, da manchmal durch Kleinigkeiten den Patienten wirklich geholfen werden kann. Auch die Dankbarkeit der Mangyans lässt hoffen, dass dieses Projekt noch möglichst lange bestehen bleibt. Nach 4 freien Tagen gehe ich morgen für 10 weitere Tage in den Norden von Mindoro. Ich freu mich schon!

Ihre Frau Dr. Jana Maier-Hein