Es hat sich einiges verbessert

Ein Bericht von Einsatzarzt Dr. Rudolf Völkle aus Mindoro

Vom Vulkanausbruch wurden wir im Süden Mindoros verschont. Einzige traurige Konsequenz war die Annullation des Besuches der Geschäftsführung aus Bonn, welcher u.a. zur Projektevaluation, Gesprächen mit lokalen Behörden, Besuch der Rolling Clinics und Teilnahme an der Diplomfeier der neu ausgebildeten Village Health Worker geplant war. Damit wurden auch die logistischen Vorbereitungsarbeiten des Teams für Transporte, Unterkünfte, Behördentreffen etc. hinfällig.

Die Schäden des Taifun sind deutlich sichtbar

Hauptthema seit meiner Ankunft am 3. Januar sind aber die Verwüstungen durch Taifun Ursula, welcher an Weihnachten den Süden Mindoros heimsuchte und besonders die Mangyandörfer um Bulalacayo betraf. Viele Häuser abgedeckt, Kokosnusspalmen und Mangobäume geknickt, Ernten vernichtet. Der Taifun wurde zum neuen Zeitmarker, vieles ist so, wie es ist, seit Ursula. Auch der Zeitplan der Rolling Clinic kam durcheinander, da das Team genau zum Zeitpunkt des Taifuns für ein teambuilding Event auf dem Festland weilte, für 3 Tage in einem Evakuationszentrum einquartiert wurde und nicht mehr nach Mindoro übersetzen konnte, die Rolling Clinic somit für einige Tage ausfiel.

Eine abenteuerliche Anreise

Nun beginnt Hilfe anzulaufen mit Abgabe von Nahrungspaketen und Baumaterial. Eine große Spende aus Bonn für die akuten Taifunschäden fand ein sehr dankbares Echo. Am 18.1.20 wurde von unserem Team mit Hilfe von Militär und privaten Helfern in großem Stil Baumaterial an die Bewohner verteilt, Holz, Nägel, Blechdächer. Dabei wurde von den Leuten explizit große Anerkennung für die guten Leistungen der German Doctors in der Region ausgedrückt und für das qualitativ gute Material, das ihnen zur Verfügung gestellt werde. Zum Teil wurden unsere Behandlungsgebäude ebenfalls beschädigt, sodass wir bei Ankunft vor Ort häufig improvisieren müssen und auch etwas Geld für die Reparatur der Dächer aufbringen. An einigen Orten starteten die Patienten während der Konsultation selbst eine Geldsammlung für ein neues Dach, so knapp ihre Mittel auch sind.

Vor der Sprechstunde muss das Material ausgeladen werden

Vor einigen Tagen auf Rolling Clinic im Mangyandorf Tagascan, wozu wir 14 Mal den Fluss durchqueren mussten, eine für mich interessante und landschaftlich schöne Fahrt, aber die Teammitglieder wurden arg durchgeschüttelt. Zur Begrüßung kam die Teamleiterin und Übersetzerin Jessica auf die Idee, bei den wartenden Patienten eine Art Evaluation durchzuführen und sie Revue über die letzten 17 Jahre Präsenz der German Doctors passieren zu lassen, alles sehr spontan. Die Leute empfinden die Entwicklung ihres Dorfes und der Lebenssituation im Allgemeinen als positiv, sie sind optimistisch und erleben Fortschritte. Ihr Dorf sei viel sauberer geworden, neben der öffentlichen Dorftoilette gäbe es schon einige Privattoiletten. Die Kindersterblichkeit habe deutlich abgenommen, ebenso die durchschnittliche Kinderzahl, auch wenn viele Mütter in der Sprechstunde noch von 5 bis 7 Kindern berichten. Eine große Arbeitslast und finanzielle Bürde. Fälle schwerer Unterernährung sind seltener geworden. Ein alter Mann sagt, dass er ohne German Doctors nicht mehr leben würde, andere pflichten bei. Was den Leuten das Wichtigste sei? Dass die German Doctors weiterhin in ihr Dorf kämen. Ich denke, ebenso wichtig wie die Funktion des German Doctors ist die stete und sich wiederholende Gesundheitserziehung durch die Teammitglieder. Zu Beginn der Sprechstunde informiert die Übersetzerin immer wieder über gesundheitliche Aspekte wie gesunde Ernährung, Hygiene, Zahnpflege, Medikamenteneinnahme, Geburtskontrolle und vieles mehr, manchmal wird auch eine kurze Turnstunde eingebaut.

Die Krankenkarten sind noch nicht digitalisiert und werden im Dorf aufbewahrt.

Auch ich habe jetzt anlässlich des 3. Einsatzes seit 2016 in Mindoro den Eindruck, dass sich einiges verbessert hat. So finden sich momentan deutlich weniger Hautkrankheiten wie Krätzmilben und Pilzinfektionen, was zum Teil jahreszeitlich, aber auch regional bedingt sein mag (ich war die ersten zweimal im Nordteam im Einsatz). Während wir früher viele Abszessincisionen durchführten, sind solche zurzeit nicht nötig. Krasser Unterernährung begegnet man ebenfalls selten. Die Tuberkulose ist weiterhin eine Geißel und schwer in den Griff zu kriegen, vor allem finden sich inzwischen auch multiresistente Fälle. Immer noch gibt es das akute rheumatische Fieber mit den daraus resultierenden Herzklappenschäden. An gewissen Orten finden sich auffällig viele Patienten mit Kröpfen und massiver Schilddrüsenüberfunktion. Alltag sind Diabetes und Hoher Blutdruck, häufig mit der Folge eines Hirnschlages, dann auch Epilepsie als Folge von Geburtsschädigungen. Diese Krankheit wird über die Jahre ebenfalls abnehmen, da sich die Schwangerschaftsbetreuung stark verbessert hat und die Frauen angehalten sind, im Gesundheitscenter mit Hilfe einer Hebamme oder im Spital zu gebären. Um die Wege im Notfall zu verkürzen, stehen den Schwangeren im Doctors house in Mansalay Warteräume zur Verfügung, wo sie die letzten Tage vor erwarteter Geburt verbringen können.

Auch die kleinsten beteiligen sich, wie z.B beim Wasserholen

Während sich die gesundheitliche Situation im allgemeinen eher bessert, ist die große Armut der Bevölkerung unverändert mit Händen zu greifen. Die Behausungen sind weiterhin sehr dürftig und nach unseren Begriffen kaum menschenwürdig, die Kleider zerrissen und abgetragen, viele klagen in der Sprechstunde über Oberbauchschmerzen und auf Nachfrage dann über Hunger, denn es fehlt das Geld für eine genügende Ernährung der in der Regel kinderreichen Familie. Sowie auch das Geld für die nötigsten Transporte zu Weiterabklärungen oder Spitälern fehlt, und das Geld für die Ausbildung der Kinder. Dieser Mangel an allem reduziert den Alltag auf einen Kampf um das Allernotwendigste, von Tag zu Tag, von der Hand in den Mund, für uns kaum nachvollziehbar und durchschaubar. In der Sprechstunde werden wir Ärzte insofern damit konfrontiert, weil wir nach gestellter Verdachtsdiagnose oft untätig bleiben müssen, da weitere Untersuchungen und Behandlungen, insbesondere Operationen, nicht finanzierbar sind.

Mangyanfrauen bei der Besenproduktion

Es bleibt den Leuten die Hoffnung auf Unterstützung durch die Regierung, die es auch wirklich und immer mehr gibt, durch Verwandtschaft, durch erfolgreiche Kinder, durch NGOs. Deshalb ist es für die Leute so wichtig, dass es weiterhin eine Organisation wie German Doctors gibt, welche sie im Hinterland und in den Bergen aufsucht und ihnen somit eine Gesundheitsversorgung vor Ort garantiert.

Die Diplomfeier der Dorfgesundheitsverantwortlichen (VHW) musste nun wegen der Vulkaneruption verschoben werden, schade, ich hätte dieses Fest gerne miterlebt. German Doctors hat im letzten Jahr viel in PHC investiert, sowohl finanziell als auch personell. Zwei fest angestellte PHC-Verantwortliche und ihr Fahrer arbeiten im Feld, machen Ausbildungen und knüpfen Kontakte zu Politikern, Dorfältesten und Bewohnern. Ich denke, auch diese Arbeit trägt Früchte und verbessert das Gesundheitsbewusstsein und die Gesundheitsversorgung auf Mindoro wesentlich.