Hilfe aus der Ferne – Telemedizin auf Mindoro
Ein Bericht von Einsatzarzt Dr. Rudolf Völkle
Wegen der aufkommenden Corona-Pandemie und der damit verbundenen Reiseeinschränkungen mit Sperrung von Flughäfen und Fährverbindungen auf den Philippinen musste der letzte German Doctors-Einsatzarzt auf der Nordtour die Insel Mitte März überstürzt und vorzeitig verlassen, der Kollege für die Südtour musste seine Anreise kurzfristig annullieren.
In dieser Situation gelangte die Teamkoordinatorin Joelyn Ende März mit der Frage an die Geschäftsleitung in Bonn, ob einige der zuletzt auf der Insel tätigen Ärzte die Funktion eines „Backups“ für medizinische Fragen übernehmen könnten. Sofort und sehr gerne sagten die 5 angefragten Ärzte/Innen zu, zwei für das Nordteam, drei für das Südteam. Wir alle fanden die Idee sehr gut und waren froh, mit dem Projekt auf Mindoro in Kontakt bleiben zu können und diese Hilfe leisten zu dürfen. Im April wurden für die Gesundheitsverantwortlichen in den Dörfern Smartphones beschafft und ein Messenger Account eingerichtet, sodass Anfang Mai das Projekt „Telemedizin“ seinen Anfang nehmen konnte.
Täglich schicken nun die Dorfverantwortlichen ihre medizinischen Fragen, hinterlegt mit Fotos, per Messenger an die Teamleiterinnen des Nord- und Südteams, und diese leiten sie an uns Ärzte weiter. Wir sprechen uns ungefähr im Wochenrhythmus ab, wer die Anfragen federführend und zeitnah beantworten soll. Dies richtet sich auch nach der aktuellen beruflichen Auslastung hier vor Ort, welche sehr unterschiedlich ist von aktiver Praxistätigkeit bis Pensionierung. Alle Kollegen können den Chat jeweils mitverfolgen und Ergänzungen oder Vorschläge einbringen.
Pro Tag werden in den beiden Chats von Nord und Süd je 8 bis 12 Patienten vorgestellt. Bei den meisten Fällen stehen fast naturgemäss dermatologische Fragestellungen wie Ekzeme, Hautinfekte, Pilzerkrankungen im Vordergrund, wahrscheinlich weil man diese am besten photographisch dokumentieren kann und auch für die Patienten akute sichtbare und störende Beeinträchtigungen darstellen. Daneben finden sich Fälle aus dem medizinischen Alltag wie Blasenentzündung, Mittelohrentzündung, Magenübersäuerung, Rücken- und Gelenkschmerzen, kleine Unfälle. Im Gegensatz zum Praxisalltag auf Mindoro sind dort häufige chronische Probleme wie Bluthochdruck, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Epilepsie selten ein Thema, da die chronischen Patienten ihre Dauermedikation unverändert weiter erhalten und es wegen der ausbleibenden Arztvisiten kaum neu diagnostizierte Patienten gibt. Da der German Doctor auch in „normalen“ Zeiten nur einmal monatlich in ein Dorf kommt und somit keine Notfallmedizin garantiert, werden sich dringende Fälle im Notfall auch jetzt direkt in den Health-Centern und in den Spitälern melden.
In den meisten Fällen ist das Krankheitsgeschehen anhand der Fotodokumentation klar, auch wenn die Anamnese kurz gehalten ist. Aus der beschränkten Anamnese und dem nicht immer eindeutigen Bildmaterial ergibt sich manchmal eine gewisse Einschränkung der Telemedizin, denn es ist für die Teamleiterinnen vor Ort nicht immer einfach, die Anamnese auf unsere Rückfragen hin auszudehnen und weitere Erkundigungen in den Dörfern einzuholen. Auf eine meiner Rückfragen hin, wie denn Puls und Blutdruck der Patientin seien, um die Dosierung von Herzmedikamenten vorzunehmen, wurde ich auf eine Antwort am Folgetag vertröstet. Die Gesundheitsverantwortliche im Dorf müsse jeweils zuerst einen Berg besteigen, um überhaupt ein Internet-Signal zu bekommen. In unseren Antworten bitten wir natürlich auch immer wieder um einen Verlaufsbericht bei Nichtansprechen der Therapie.
Nach Erhalt unserer Antwort bereiten die Teamleiterinnen in Victoria und Mansalay die Medikamente vor und geben den Dorfverantwortlichen unsere Anweisungen bekannt. Leute aus den Dörfern, die von der Regierung der Philippinen eine Reiseerlaubnis haben, holen dann die Medikamente ab.
Ich denke, diese Form der Telemedizin ist nur möglich dank der grossen und langjährigen Erfahrung unserer Mitarbeiterinnen in den beiden Teams auf Mindoro, auf die wir uns absolut verlassen können. Wie schon vor Ort erleben wir auch jetzt auf Distanz erneut deren grosses Engagement für die Patienten und deren Fähigkeit, Hilfe auch unter widrigen Umständen zu organisieren. Ich denke, dass die Anbindung der Dorf-GesundheitsarbeiterInnen über Internet unabhängig von der aktuellen Telemedizin über die Coronazeit hinaus Bestand haben wird und eine deutliche Verbesserung einer zeitnahen Kommunikation mit den Teams bedeutet.
das finde ich eine tolle Sache. So bleiben die Kontakte zu den Einwohnern erhalten und sie wissen, daß Jemand da ist der helfende Antworten geben kann. Bei den Einsätzen, so diese wieder möglich sind, sollte die Healthworkerausbildung auch einen größeren Teil der Arbeit einnehmen, wie ich es selbst in MIndanao miterlebt häbe. Viel Erfolg und danke an die Ärzte und Organisatoren!