Warum ausgerechnet auf die Philippinen?

Erster Teil des Berichts von Einsatzärztin Dr. Christine Beis aus Mindoro

Wieder ein furchtbar langweiliger Dienst in der Klinik, also Zeit, sich Gedanken zu machen über die nächsten 2 Monate. Denn in 2 Wochen werde ich aufbrechen: als Einsatzärztin für German Doctors auf eine Insel auf den Philippinen, etwa so groß wie Niederbayern – Mindoro. Ich bin Allgemeinärztin, Mitte 50, familiär und kollegial in der Praxis zuhause in Abensberg abgesichert – so nutze ich die Gelegenheit und will meinen mindestens 40-jährigen Traum umsetzen: arbeiten im Entwicklungsdienst. „Warum ausgerechnet auf die Philippinen?“ hat mich die Redakteurin vom Donaukurier beim Interview heute gefragt. „Weil ich während meiner Studienzeit dort schon Pläne hatte.“ Über eine Freundin meiner Großmutter, die dort an einem Krankenhaus als Krankenschwester arbeitete, hatte ich Kontakt zu den Philippinen aufgenommen. Leider verlief damals alles im Sande, als mein Bruder schwer krank wurde und später dann beruflich und familiär sich nie Zeit dafür fand.

Aber jetzt! Wobei ja sogar die Vorbereitung für den Einsatz schon mehr Zeit gefordert hat, als ich mir je gedacht hätte. Die Vorbereitungskurse an zwei herbstlichen Wochenenden in Würzburg und Bonn waren dabei wirklich bereichernd. Ich habe dort sehr nette, interessante, gleichgesinnte Kollegen kennengelernt, viel neues erfahren und Tipps bekommen. Zeitaufwendig war die Organisation der erforderlichen Papiere vom Visum bis zur „Certification of good standing mit Apostille“, die wohl ganz was neues, in jedem Bundesland anders und teuer ist. Aber: hat man sie nicht, darf man auf den Philippinen nicht arbeiten.

Ankunft am Flughafen

Der Kontakt zu schon dagewesenen oder bald hinkommenden Kollegen aus der German Doctors Familie ist sehr rege. Es vergeht kein Tag ohne E-Mail Anfragen, Anrufen oder anderen Nachrichten untereinander. Auch meine Umgebung zuhause wird täglich interessierter, Einladungen und Tipps einer philippinischen Patientin oder ernsthafte Nachfragen nach meinem Einsatz werden häufiger – dabei weiß ich selber erst mehr, wenn ich wieder zurück bin.

Nervös bin ich schon sehr – alleine in der Abflughalle Terminal 2 H18. Ich warte auf den Aufruf des Fluges nach Abu Dhabi, meinem Zwischenstopp.
Aufregend waren die letzten Tage, viele Anrufe, Besuche, Worte der Anerkennung und des Abschieds, durchwegs positiv. Geschenke, wie z.B. ein sehr schönes und nützliches Halstuch einer lieben Patientin, Spenden für die German Doctors und ein überraschend gut gelungener Artikel im Donaukurier.
Heimat ist schon etwas sehr schönes, kompromissbereite Kollegen sind sehr wichtig, gute Freunde unbezahlbar und eine beste Familie, nämlich meine, unersetzlich – Ich freue mich aufs Zurückkommen. Im vollbesetzten Flughafenbus in Abu Dhabi war ich gerade nach einer Europäerin die zweitgrößte! Ob es hier beim Menschenfotografieren auch Datenschutz gibt wie daheim? Nur noch 9 Stunden…

Diese Fähre war leider die falsche Wahl

Anstrengend ist das schon, von Manila bis nach Calapan zu kommen – zumindest für uns, d.h. meine Kollegin Ursel, die die Mindoro Süd-Tour verarztet und mich: erst für das Taxi zum Busbahnhof, für das  völlig überteuerte Taxi 350 Pesos bezahlt, dann am Fährterminal Batangas die falsche Fähre genommen nach Puerta Galera statt nach Calapan. Aber: nicht verzagen, Rolando fragen! Er, also unser Fahrer, hat uns am eineinhalb Stunden entfernten Falschhafen abgeholt und uns einfach bei allem geholfen.
Ursel, ist heute Abend mit Joelin, unserer Managerin in den Süden aufgebrochen, da dort morgen Vormittag Staffmeeting ist. Deshalb bin ich morgen ganz alleine hier im Doctor House. Und überhaupt bin ich die letzte „Doc“, wie sie mich nennen, die hier schläft, weil das neue Doctor House Mindoro Nord in Victoria ab Mitte April bezogen wird. Hier ist zwar alles alt und in schlechtem Zustand, umgeben vom Urgestrüpp, aber neue Sauberkeit habe ich ja daheim.

Zusammen mit dem Team erholt man sich von der langen Anreise

Neben Joelyn und Rolando haben wir heute Nachmittag noch Dr.Elsa, unsere Tuberkuloseärztin kennengelernt, die uns natürlich ihren Arbeitsreich, das Provinzhospital hier gezeigt hat. Eine andere Welt! Das Gebäude von außen top und innen philippinisch: vollkommen von Besuchern und Watchern überfüllte Zimmer, abblätternde Wände… Dabei ist das Gebäude erst 5 Jahre alt. Goldig ist Annemarie, unsere 24-jährige Haushälterin. Sie spricht super Englisch, weil sie Hotelfach studiert hat, hat sieben Schwestern und heute wirklich super gekocht! Masarap! Lecker!

MEIN ERSTER ARBEITSAG
Mein erster Patient – kein Mangyan!

Heute früh sind wir also gestartet in ein Mangyandorf namens Pamuesan, in dem fast nur Eingeborene (Mangyans, im Gegensatz zu den Lowlander-Filipinos) leben, teils mit Lendenschurz und ziemlich viele verwahrlost, Erwachsene wie Kinder. 48 Patienten – eine kleine Tour, wie mir Jacky, meine Arzthelferin und Übersetzerin, erklärt. Viele Kinder mit Rotznase oder Lungenentzündung, teilweise untergewichtig, schwangere Frauen mit Harnwegsinfekten, Diabetiker, Hypertoniker, Tubekulose-Kranke, Würmer, Krätze und andere Hautausschläge. Alle Patienten werden von der Arzthelferin Cecile gut vorbereitet, Kinder gewogen, Diabetikern Blutzucker gemessen, die Anamnese erhoben. Mit ihrem Krankenblatt kommen dann die Patienten in unser Doctorszelt und ich betreibe Diagnostik, oft Lunge abhören, auch Schwangerenbäuche untersuchen, Ausschläge begutachten….Ich verordne dann Medikamente, halte alles in der Patientenakte fest und die Kranken holen sich dann die Medikamente bei der pharmacist Rachel ab. Alles innerhalb weniger Minuten, weil es wohl Tage geben soll, an denen 200 Patienten kommen. Da kommt ja noch was auf mich zu!

Mein erster Patient war erstaunlicherweise kein Mangyan

Heute waren wir mittags fertig mit der Praxis, haben nach dem Tischgebet gemeinsam vor Ort gegessen und die Reste, teilweise in Palmblätter gewickelt, haben sich dann Patienten mitgenommen – sehr nachhaltig, wobei die Filippinos ihre Abfälle oft nur aus dem Fenster werfen– irgendein Vieh wird es schon fressen!
Überhaupt habe ich noch nie so viele Hühner in allen Formen gesehen – sie laufen in jedem Hof, jeder Straße, jedem Garten uneingeschränkt herum. Das müssen glückliche Hühner sein – wenn sie soweit kommen. Es ist nämlich eine Delikatesse hier, gekochte Eier kurz vor dem Schlüpfen dessen Inhalts zu essen – meist aber Enteneier. Ich habe das auch schon gesehen im Straßenverkauf. Andere Länder, andere Essgewohnheiten!

SOCORRO
SO SCHÖN IST DIE HÖLLE SICHER NICHT- YUGO (BANSUD)

Alles ist steigerungsfähig! Wir sind gestern Nachmittag hier in Socorro angekommen, unserer Unterkunft, die mein Vorgänger-Doktor als „Geliebte Hölle“ bezeichnet, was sicher sehr übertrieben ist. Der ganze German Doctors-Staff, also Rolando, Anna-Maria, Jacky, Rachel, Cecile und ich ‚hausen‘ in einem Zimmer mit etwa 30 Quadratmeter, inklusive Küche und Essplatz, zusammen mit Eidechsen und sonstigen Käfern. Die vielen Mücken sind weitgehend auf der Toilette (ohne Spülung), in die eine Art Duschschlauch integriert ist. Aber es ist lustig, die Mädels und Rolando sind wirklich sehr nett und hilfsbereit, lachen und singen oft, sind aber kompetent im Umgang mit den Patienten und mir eine große Hilfe.

Heute hatten wir auch schon 80 Patienten zu versorgen in Yugo, einem Eingeborenendorf ohne Strom oder Telefonanschluss. Die sehr kinderreichen Mangyan-Familien wohnen mit Hunden, Hühnern oder Schweinen in Bambushütten, fast alle Analphabeten, viele barfuß, die Kinder schmutzig. Einige tragen von den T-Shirts das innere außen – sei es aus Unwissenheit oder um noch schlimmeren Schmutz zu verstecken… Bei der Rückkehr nach Socorro haben wir noch einen Zwischenstopp eingelegt in Pinamayalan, ich hab einen Strandspaziergang dort gemacht und bin dann zu den GD-Mädels gestoßen, um mir für ca. 2 Euro ein buntes Sommerkleid zu kaufen und dann bin ich zur Küchenhilfe aufgestiegen, habe Gemüse geschnitten und Fisch filetiert – das Dinner war trotzdem sehr gut. Und jetzt gackern meine Mitbewohner wieder rum und warten, bis in 2 Stunden, also um 22 Uhr das Licht ausgeschaltet wird, da ja morgen früh um 4.30 Uhr die erste aufstehen muss, damit sie alle im Bad fertig sind, bevor wir um 7 Uhr  zu unserem nächstes Dorf starten.

HALO HALO IN PINAMAYLAN
ES KOMMT OFT ANDERS, ALS MAN DENKT IN BUANG LUPA (GLORIA)

Die Mangyan leben noch sehr ursprünglich

Eigentlich war mir für heute ein ruhiger Arbeitstag in Buang Lupe vorhergesagt worden, dann kamen aber 102 Patienten. Diesmal weitgehend mangyanische Nomaden, die über ein eingetrocknetes Flussbett gezogen kamen. Wasser, etwa abensbreit und 50cm tief war noch im Zentrum von der etwa 100 Meter breiten Steinwüste. Und da man vor einem Arztbesuch sich waschen soll, haben einige Kinder und auch Erwachsene darin ein Bad genommen auch mit den Seifen, die sie von German Doctors geschenkt bekommen hatten.

Jedes Kind hatte bisher einen Luftballon geschenkt bekommen. Leider war mein Vorrat heute Nachmittag zu Ende (ich dachte, er würde reichen bis zum Schluß). Mein Mann Simon und meine Tochter Lilli wollen mich ja an meinen Off-days im April besuchen und könnten was mitbringen – WhatsApp-Gruppen haben auch was Gutes! Ja, und dann hab ich mein German Doctors-Team nach getaner Arbeit eingeladen zum Halo Halo Essen, eine sehr farbige kalte Süßpeise, die hier nachmittags gegessen wird. Und die hat sehr sehr viel besser geschmeckt als erwartet, fast wie deutscher Bananensplit!

Eine gute Stimmung innerhalb des Teams

Hab den Tag dann wieder am Strand von Pola beendet – ich liebe Tricyclefahren, auch wenn ich meinen Tricyclefahrer heute enttäuscht hab, weil er dachte, er könnte mich übers Ohr hauen und er statt der erhofften 400 Pesos nur die Hälfte bekommen hat (das ist der übliche Preis laut Rolando, außerdem war des Fahrers Frau, seine Schwester und eine Fremdfrau mitgefahren und: das Englisch des Fahrers war so schlecht, dass er oneway verstanden hatte statt return) – aber es kommt oft anders….

EINE WOCHE SCHON AUF REISEN
IN VILLA CERVEZA (VIVCTORIA) GIBT’S NUR WASSER

Die Zeit vergeht wie im Flug! Habe mich jetzt richtig eingelebt, weiß, wie’s läuft und hab richtig viel zu tun, medizinisch und überhaupt. Kann ja auch schon Haushalt und Autoeinräumen helfen, Tricycle-fahren, Einkaufen etc… Heute waren wir wieder an einem trockenen Flussbett, unsere Sprechstunde diesmal in einem richtigen Steinhaus, das von Koreanern gestiftet wurde und haben 125 Patienten versorgt.

Der Name „Villa Cerveza“ ist irreführend – Bier gibt es keines, aber einen Brunnen, an dem die Kinder auch gewaschen wurden; und eine richtige Toilette!
Wir haben immer gebrauchte Brillen dabei, einer der Mangyans hat sogar eine für ihn richtig schicke gefunden in unserer Plastiktüte. Als ich später dann meine eigene Brille gesucht hab, war sie dann auch in dieser Brillentüte, in die Jacky sie versehentlich geworfen hatte. Es gab viele Kinder mit Mittelohr- oder Bindehautentzündungen, Erwachsene mit Schilddrüsenstörungen, wieder massig Pneumonien, Eiterflechten und andere Hauterkrankungen, natürlich auch einige Tuberkulosekranke, die aber oft nur zur Kontrolle von Dr. Elsa vom Hospital zu uns geschickt werden. Und meist kommen die Patienten familienweise, d.h. mit 5 Kindern und dem Großvater, das jüngste der Kinder hängt oft noch an der Brust der Mutter und zwar ständig, es gibt ja keine Schnuller. Da hat man als Mama in Deutschland schon mehr Freiheiten!

REGEN IM Oriental
PAITAN (NAUJAN) DER ALTEN LEUTE

Die älteren Patienten sind bei den vielen jungen Menschen schon eine Seltenheit

Heute hat es tatsächlich bis Mittag immer wieder mal geregnet – wir waren aber heute auf unserer GD-Tour in einem befestigten Dorf, so dass es nicht gar so matschig war. Es gab dort sogar Geschäfte, war also schon etwas besser gestellt. Auch unsere Patientenstruktur war heute anders, viele ältere Leute, der älteste davon unglaubliche 96 Jahre und das in einem Land, in dem die mittlere Lebenserwartung bei 60 Jahren liegt! Natürlich gab es deshalb auch vermehrt Alterserkrankungen wie Bluthochdruck oder Schlaganfallpatienten, die grad mal 2 Wochen unbehandelt wegen der Halbseitenlähmung rumgetragen wurden, Schilddrüsenstörungen neben den üblichen Lungenerkrankungen COPD und Asthma, und Harnwegsinfekte…..Kinder mit Pneumonie und Krätze gab’s aber auch hier genügend.

Achja, heute war unser Zahntag. Natürlich haben wir jeden Tag einige Patienten mit Zahnschmerzen, und die muss ich mangels eines mitfahrenden Dentisten selber behandeln, was ich natürlich nur sehr eingeschränkt kann! Aber fast alle, ob Kind oder Erwachsener haben so unvorstellbar schlechte Zähne, dass ich das mal bildlich festhalten wollte. Leider haben meine Models immer die Lippen zusammengepresst sobald sie fotografiert wurden. Nicht mal Jacky konnte viele dazu bringen, den Mund zu öffnen. Dabei haben die Mangyans sonst ständig ein sehr gewinnendes Lachen an sich.

Eine originelle Art zu dekorieren

Und auf der einstündigen Rückfahrt nach Calapan hatten wir dann noch Zeit, den Geburtstag von Rolados Frau in einem Openair-Restaurant nachzufeiern. Die Deko dort war schon originell, lauter aufgespannte Schirme! Die sollen wahrscheinlich auch vor eindringendem Regenwasser schützen. Und in einem philippinischen OBI waren wir dann auch noch und dort habe ich dann den ersten Europäer diese Woche gesehen.

KARAOKELAND
102 JAHRE IN INABASAN (SAN TEODORO)

Unglaubliche 102 Jahre alt zu sein, behauptete einer unserer Patienten heute in Inabasan – da hätte er den 1.Weltkrieg noch erlebt…und meine Crew meint, ganz sicher wäre sein Geburtsjahr nicht, da ja kein Zeitzeuge mehr aufzutreiben sei…aber Micky-Maus ist zeitlos!
Unsere Rolling Clinic war heute im Schulhof von einem von der Caritas gestiftetem Dorf in den Bergen – allein der Weg dorthin abenteuerlich! Unbefestigte schmale Straßen, teilweise extrem steil. Aber Rolando ist mein bester Chauffeur! Unglaublich, wie er die Wege in diese abgelegenen Dörfer immer findet, auch ohne Navi!

Bei einer kleinen verdreckten, sehr schüchternen Patientin ist mir heute nebenbei ein harmloser Hauttumor an nur einem Ohr aufgefallen und Stunden später bei einem der Abbau-Helfer ebenso. Ich hab ihn gefragt und er war tatsächlich der Vater dieses Mädchens! So treten in den verschiedenen Mangyandörfern verschiedene Krankheiten gehäuft auf – man bleibt halt gern unter sich… Ganz Mindoro ist heute – Sonntag – entweder im Karaoke- oder im Basketballfieber. An jeder Ecke werden bekannte Schlager, teilweise schamlos falsch, lauthals ins Mikrophon gesungen. Obwohl die Filipinos sehr klein sind, ist Basketball der Nationalsport und auch im kleinsten und ärmsten Dorf: einen Outdoor-Basketbalĺplatz gibt es fast immer und am Sonntag ist Hauptspieltag – das ist eben hier wie Fußball in Deutschland.

WAS MAN ALLES KÖNNEN MÜSSTE
DAS TEAM, HEUTE IN BALETE (NAUJAN)

Karaoke genießt auf den Philippinen einen hohen Stellenwert

Obwohl Mindoro vom Meer umgeben ist, einige, teils große Seen, sowie viele Flüsse hat und in Regenzeiten auch mal Sintfluten kennt, kann kaum ein Filipino schwimmen. In unserem 5-köpfigen German Doctors-Team würde nur Cecile nicht ertrinken. Es gibt zwar sehr viele Schulen hier, Kinder sind ja den Filipinos sehr wichtig, aber dort lernt keiner Schwimmen – und Schwimmschulen gibt’s hier sicher auch nicht. Wichtiger ist es den Filipinos, Singen zu können, um bei einem der Karaokewettbewerbe zu gewinnen. Ständig und überall, ob bei meiner Truppe im Haus oder sonstwo, wird lauthals gesungen. Unser Nachbar hat gestern fast bis Mitternacht stimmlich durchgehalten, so laut, dass sich sogar Cecil beschwert hat. Ich hab’s dann nicht mehr gehört – dem Erfinder von Oropax müsste ein Orden verliehen werden…Die Aufgaben für mein Team sind gut verteilt.

Anna–Maria macht die Wäsche, geht auf den Markt und kann sehr gut kochen, obwohl sie erst 25 Jahre alt und seit wenigen Wochen bei German Doctors angestellt ist. Jacky ist 30 Jahre alt, Arzthelferin, Übersetzerin und die Chefin der Nordtourtruppe. Sie heiratet Ende April und hat Riesenstress deshalb momentan, auch wegen der Umzugsplanung unseres Doktorhauses Anfang April. Und dazu ist auch noch ihr Laptop kaputt und sie muss die Diagnosen und Therapien unserer Patienten jeden Abend in den PC übertragen.

Rachel ist die ‚pharmacist‘ (ordnet und verteilt Medikamente, spritzt Hormone wegen „family planing“ und brodelt in unserer Küche ‚Nutrimix‘, ein Pulver aus Mungobohnen, Getreidemehl…das die mangelernährten Kinder mit Öl angerührt bekommen) und die einzige Mangyan des Teams. Sie ist 27, hat eine 7-jährige Tochter und wünscht sich sehr einen Sohn – aber wie, wenn Sie ihren Mann nur ein bis zwei Mal im Monat sieht, weil ihre Familie im Süden von Mindoro lebt?

Da hat es Cecile besser. Sie wohnt gleich mit Mann und Tochter neben dem GD-Doctorshouse in Calapan. Sie ist zuständig für Patientenaufnahme, Messungen von Vitalwerten vor jedem Arztbesuch, Labor- und Röntgenorganisation. Mit ihr war ich heute in der Radiologie im Hospital Calapan. Außerdem stellt sie das Team und mich jeden Tag um 9 Uhr den schon wartenden Patienten vor und erzählt ihnen anhand von Bildern, dass man Family-planing machen kann und vor allem die Kinder hören da ganz interessiert zu.

Und unser Fahrer Rolando, dessen 3 Kinder schon erwachsen sind und der zumindest von Calapan aus täglich zu seiner Frau heimfährt: er kann alles, vom Rolling Klinik-aufbauen bis zum Wasserorganisieren. Und wenn mal ein Zahnarzt die Tour begleitet, ist Rolando der Zahnarzthelfer. Auf der Rückfahrt nach der Sprechstunde können dann alle schlafen im Auto, weil wir wissen: auf Rolando kann man sich verlassen.

EIN INTERESSANTER ARBEITSALLTAG
SAN JOSEF – KIRCHWEIH IM SCHILDDRÜSENDORF BAYANAN (BACO)

Ein Blick aus dem Fenster der Rolling Clinic

Jetzt bin ich schon richtig drin in der Arbeitsroutine hier in Calapan – jeden Tag derselbe Ablauf: Jacky und Rachel stehen schon um 4.30Uhr auf, jede verbringt Stunden im Bad, Anna-Maria kocht schon für das take-away-Mittagessen und bereitet das Frühstück. Ich werde dann um 6 Uhr aufgeweckt (wenn ich nicht schon wach bin) gehe kurz ins Bad, frühstücke, lese mein E-Paper der Mittelbayerischen Zeitung, E-Mails und WhatsApp-Nachrichten. So bin ich immer gut informiert aus der Heimat. Um 7 Uhr, Cecile und Rolando sind inzwischen gekommen, die Medikamente und Instrumente im German Doctors-Ranger verstaut, starten wir vom Doctorshouse mit einem „Good morning everybody“ jeden Tag in ein anderes Mangyandorf, erst etwa eine halbe Stunde auf dem Highway (vergleichbar mit einer bayerischen Landstraße), dann irgendwann in die Pampa auf einem Feldweg, den ich nie wieder finden würde. Dann mit etwa 20 Stundenkilometern nochmal eine halbe bis ganze Stunde zum Ziel. Dort warten meist schon einige Patienten in den meist extra für die German Doctors errichteten Praxisräumen, die Ähnlichkeit mit einem baufälligen deutschem Carport haben. Es wird, auch mit Hilfe von Dorfhelfern, das Auto ausgeräumt, die „Sprechzimmer“ eingeräumt, mit Tüchern Wände improvisiert und die Patienten der Reihe nach vorbereitet.

Alle helfen mit, die teils unkonvtionell verpackten Hilfsgüter abzuladen

Um 9 Uhr dann stelle erst ich mich vor, Cecil dann den Rest des Teams und sie hält einen kurzen Vortrag zum Thema „Hygiene“ oder „family-planing“, Tuberkulose….Ja, und dann geht’s im 3 Minuten Takt: Alte, Junge, Babys, mehr oder weniger Kranke… Zwischen 12 und 1 Uhr gibt’s das mitgebrachte Mittagessen: immer Reis und sehr schmackhafte Fleisch- oder Fischgerichte mit Gemüse, natürlich kalt, alles mundgerecht von Anna-Maria selbmorgig zubereitet. Die Reste bekommen dann die Dorfhelfer, deren ganze Familie sich oft darauf stürzt, einiges wird in Plastiktütchen oder Kokosblättern von Mangyans mitgenommen. Wenn alle Patienten versorgt sind und das GD-Equipment im Auto verstaut ist, geht’s wieder zurück zum German Doctors-Haus in Calapan, oft mit einem Zwischenstopp, Shopping, Reiseinkauf, Halo Halo-Essen….Und nach dem Duschen habe ich oft noch Zeit, mit dem Tricyle 1-2 Stunden zum Strand zu fahren. Um 19 Uhr gibt’s Dinner mit mehr oder weniger Gegacker, dann werden Berichte geschrieben, Medikamente geordnet, gesungen, ferngesehen….bis es meist um 22 Uhr ruhig wird im Doctors-Haus. Ich lese dann meist noch im Bett, lausche den Hunden, Eidechsen, Karaokesängern…bis mich meine Oropax davon befreien…wenn ich sie morgen aus den Ohren nehme werde ich von ununterbrochenem Kikeriki der tausend freilaufenden Hähne begrüßt.

Wir waren heute in einem „steinreichen“ Dorf (die Palmen wachsen dort auf Steinen) – Bayanan, hatten „ nur“ 75 Patienten, weil dort St.Josefs-Kirchweih und die Schulen geschlossen waren. Auffällig waren hier die vielen Schilddrüsenkranken, die es in anderen Dörfern überhaupt nicht gibt – obwohl nur 20 Kilometer entfernt, was ja für die Mangyans oft eine Halbtagesreise bedeutet.

KEIN PARADIES, ABER EIN REGENBOGEN
PARAISO (BACO)

Die Mangyandame trägt einen Rock aus holzartigen Ringen

Auf meine Frage im Auto heute morgen, ob unser Ziel, das Dorf Paraiso wirklich ein Paradies sei, kam es von meinen Helferinnen gleichzeitig ganz hart wie aus einem Mund: No! Paraiso ist eher ein im Schlamm vergessenes Paradies mit bellavista über den Dschungel und einer Andeutung von einem Regenbogen kurz vor dem Dorf. Die Sprechstunde fand in der Dorfkirche statt, in der jeden Sonntag um 9 Uhr Gottesdienst gehalten wird. Die bunten hölzernen kleinen Sitzgelegenheiten dafür waren gestapelt und wären eine gute Idee für Kindergarteneinrichtungen. Eine alte Mangyandame war heute ganz stolz eine meiner Patientinnen. Ihr Rock bestand aus holzartigen Ringen und das Oberteil war eher das eines Bikinivorgängers.

Endlich mein erster richtiger chirurgischer Einsatz, ein Abszess am Po eines 3-monatigem Kindes, das von seiner Großmutter mit Flaschenmilch aufgezogen wird, weil es die Mutter nicht haben wollte. Die Arzthelferin war ganz überrascht, dass ich einen Abszess eröffnen kann, wovor andere Kollegen wohl zurückschrecken. Aber in diesem Fall war es unumgänglich und hat sich rentiert. Am Nachmittag bin ich dann mit einem Van von der Größe eines 9-Sitzers mit noch 18 Mitfahrern von Calapan nach Puerto Galera gefahren. Und hier sitze ich nun nach dem Abendessen in meinem Resort Bamboo-beach-house. Dieser Ort hier kommt dem Paradies schon bedeuten näher…

PUERTO GALERA

Auch ein bischen Entspannung an den freien Tagen muss sein

Nicht viel heute – wir haben bis Montag frei! Hier ist es wunderschön! Heute war: Roller mieten, white beach, auf Ursel warten, Tank leerfahren undnatürlich der Strand. Nett waren zwei etwa 4- 6-jährige Mädchen, die mir am Bamboo-Strand geschnitzelte Mango mit Soße für etwa 50 Cent verkauft haben. Sie waren sehr geschäftstüchtig und haben dann die Hälfte meiner Mangos selber gegessen und mein Wasser getrunken und ständig gekichert und good mornig, thank you gelacht, bis die ältere mich bat, ihr den schweren Topf mit den restlichen Mangos auf den Kopf zu setzen. Und so sind sie dann zum nächsten Strand weitergezogen Außerdem gibt es hier in Puerto Galera eine Schweizer Bäckerei. Der Schweizer Bäcker ist seit langem mit einer Filipina verheiratet und hat die Bäckerei schon seit 10 Jahren. So kamen wir heute zu lecker Schokocroissant und Krapfen zum Nachmittagskaffee.

TALIPANAN FALL
EINFACH „NICHTS“ TUN

Nach am Frühstück sind Ursel und ich aufgebrochen zum Wandern – oder besser fast klettern zu einem Wasserfall, Talipanan fall. Doch der fast einstündige Aufstieg hat sich rentiert. Es war wunderschön dort, unser Führer Arial hatte alle Schlangen vertrieben und wir konnten in der Gumpe unterm Fall baden im herrlich klaren Wasser. Beim Abstieg haben wir die ersten Deutschen seit zwei Wochen gesehen – ja, ich bin wirklich schon so lange hier! Und heute Nachmittag mach ich einfach mal „nix“. Darüber hatte ich gestern beim Abendessen mit Ursel philosophiert. Ich werd’s schon schaffen, oder vielleicht lesen, schwimmen, malen…ist ja zumindest fast „nix“.