Kindern helfen in Afrika
Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Hyun-Ji Antonia Kim aus Nairobi
Nach einem Langstreckenflug von 8,5 Stunden stehe ich am Flughafen von Nairobi – genau wie vor vier Jahren. Damals als PJ-lerin, die sich für Kontinent begeisterte und bald darauf einen Traum hatte: Später als Ärztin medizinisch zu helfen in Afrika. Nun bin ich also tatsächlich hier, um für sechs Wochen in Kenia pädiatrisch tätig zu sein! Von dem 5-köpfigen Team der German Doctors werde ich herzlich aufgenommen und am nächsten Tag startet auch gleich meine erste Arbeitswoche im Baraka Health Centre.
Am Morgen werden wir von unserem Fahrer abgeholt. Der Weg bis in unsere Ambulanz ist staubig, holperig und voller „Matatus“ (kleine Busse), die eng aneinander vorbeifuhren. An der Straße sind überall Stände mit Kleidung oder Lebensmittel, Käfige mit Hühner, mehrere Friseurläden und vieles mehr. Wenn wir um 8 Uhr in der Ambulanz ankommen, ist diese bereits voll – an den langen Bänken sitzen überall Patienten und warten zum Teil seit Stunden auf uns. In meinem Sprechzimmer „Room 8“ beginnt dann die Arbeit. Meine Übersetzerin ist immer an meiner Seite und hilft mir bei der Anamnese. Sie ist jedoch auch eine Hilfe bei diversen Hauterkrankungen, die ich hier zum ersten Mal in ausgeprägter Form sehe: superinfizierte Scabies, Rosenflechte oder Strophulus infantum. Neben Hauterkrankungen sehe ich viele Infektionskrankheiten wie Gastroenteritis mit Exsikkose, Mittelohrentzündungen, Infekt der oberen Luftwege, Lungenentzündungen, Bronchitiden. Daneben findet man viele Knochenbrüche, was einen nicht wundert, wenn man die Hausbesuche in Mathare Valley Slum unternimmt. Die kleinen engen „Gassen“ zwischen den Wellblechhäusern – die gar keine Wege sind, sondern Zwischenräume zwischen von Hütten – sind aus ungeformten Steinen und es gibt keine Stufen. Fällt man hier beim Spielen hin, holt man sich schnell eine Fraktur am Arm oder eine Impressionsfraktur am Kopf.
Daneben sieht man Erkrankungen, die man aud Deutschland nicht kennt. Darunter: Malaria, Typhus, starke Unterernährung, HIV im Kindesalter. Im Nutrition Centre innerhalb unseres Projektes in Nairobi werden Kinder mit starker Unterernährung aufgenommen und je nach Bedarf täglich oder wöchentlich kontrolliert. Es war ein schönes Erlebnis, diese Kinder unter der Therapie zu sehen. Innerhalb von wenigen Wochen besserte sich der Ernährungszustand der Kinder – so macht helfen in Afrika große Freude. Aber es gab auch eine Mutter, die keinen Gebrauch davon machte und nicht zu den Kontrollterminen kam. Letztendlich kam sie viel zu spät mit ihrem 22 Monate altem Kind, das nur noch 3,9 kg wog. Es blieb uns daher nichts Anderes übrig, als das Kind in eine Klinik einzuweisen.
Die Medizin hier war eine ganz andere als zuhause: Blickdiagnosen zu stellen war das Wichtigste. Viel Diagnostik konnte man nicht betreiben, aber es gab ein Labor und ein Ultraschallgerät, die unsere Arbeit erleichterten. Das Problem beginnt meistens nach der Diagnose – die Therapie. Zum Beispiel konnte man nicht sagen: „Wenn Ihr Kind bellend hustet, gehen Sie an die frische Luft oder lassen kaltes Wasser im Bad laufen.“ Denn wo ist hier „frische Luft“? Und wo ist das Bad? Wo ist das kalte Wasser, das man einfach mal so laufen lassen kann? Oder bei einem Kind mit Krampfanfall zu sagen: „Alle gefährlichen Aktivitäten vermeiden.“ Ein einfacher Sturz beim Nachhauselaufen könnte schlimmste Verletzungen nach sich ziehen, da die Straßen wie bereits erwähnt nicht ungefährlich sind. Man kann leicht reden; die Umsetzung für die Slum-Bewohner ist und bleibt jedoch eine Herausforderung.
Und doch konnte man Einiges bewirken: Mit dem Feeding-Programm, mit Rehydrationsmaßnahmen bei schweren Austrocknungen, mit Antibiotika bei bakteriellen Infekten, mit lokaler Hauttherapie bei Neurodermitis, Versorgung von Knochenbrüchen, Diagnose von Osteomyelitiden und daran anschließender Therapie in einer Klinik oder mit dem Beginn einer HIV-Therapie bei Erstdiagnose. Das Mathare Valley in Nairobi in Stichworten? Staub; Kinder, die im Müll spielen; Wellblechhütten; Elend. Und doch habe ich so viele lachende Gesichter gesehen. Leben, das versucht zu überleben; Dankbarkeit und Warmherzigkeit uns gegenüber; zu geben, was man teilen kann. Das Team von Baraka hat nie genörgelt oder war schlecht gelaunt; die meisten waren sehr motiviert. Ich habe gerne gearbeitet und wir haben viel gelacht.
Ich habe von dieser Welt – die ein eigener Kosmos ist – mehr bekommen, als ich geben konnte und bin dankbar für die Freundschaften, die in den sechs Wochen entstanden sind und für alle Momente, die nicht nur „schön“ waren, aber doch meinen Horizont erweitert haben. Das Helfen in Afrika hat mir viel bedeutet.
Schreiben Sie einen Kommentar