Hahnenkampf am Mittag
Teil 3 des Berichts von Einsatzärztin Dr. Barbara Müllerleile aus Mindoro
Heute war es hart. Meine erste Patientin hat ein Hodgkin Lymphom. Chemo gibt es nicht, Bestrahlung auch nicht. Sie ist in einem fortgeschrittenen Stadium und sieht richtig krank aus. Sie hat eine kleine Tochter und ist 24 Jahre alt. Sie kommt mit ihrer Mutter und dem Befund, weil sie wissen möchte was sie hat. Ich bespreche es ganz offen mit ihnen, weil sie ihr Leben organisieren müssen. Sie gucken mich sehr traurig an und bedanken sich. Heute habe ich 76 Patienten gesehen, meist Kinder. So richtig krank war keines. Es ist absolut zeitaufwendig mit den Müttern über Kontrazeption zu sprechen, aber ich mache es. Bei Familien mit 6 Kindern, die nicht in die Schule gehen, weil sie total isoliert im hintersten Winkel wohnen und wenig Zukunft haben, ist dies unerlässlich. Das Essen reicht gerade so, Kleidung gibt es für die Kinder fast keine. Die Mutter abgezehrt, alle haben schwarze Stummel im Mund, rote Haare durch Vitaminmangel und sie sind sehr schmutzig, mittags gehen wir an einen nahegelegenen Fluss zum Essen. Kinder spielen im flachen Wasser, es ist idyllisch. Wenn ich gewusst hätte, wie nah der Fluss ist hätte ich wirklich einige hierhergebracht und sie zum Baden geschickt. Nachmittags kommen wieder unterernährte Babies. 2 Jahre 5 kg. usw. die Mütter 30kg. Ich gehöre hier fast zu den großen Menschen mit 158 cm.
Hahnenkampf ist Männersache
Um 16.00 Uhr sind wir fertig ich laufe schon mal die Straße entlang, weil ich Bewegung brauche. Da sehe ich eine große Ansammlung Menschen. Neugierig gehe auch ich hin. Lauter Männer, jetzt wird es interessant. Als ich näher komme wird es ganz still. Ich habe meine Kamera schon scharf gestellt und sehe einen Hahnenkampf. Die Männer wollen nicht, dass ich fotografiere. Nur einen Hahn darf ich knipsen. Da kommen auch die Anderen. Ich verabschiede mich sehr höflich und habe den Eindruck, dass sie froh sind, dass ich weg bin. Jetzt nix wie weg und duschen.
Heute früh war ich echt geschockt, als ich ins Zimmer der Mangyan-Frauen kam. Sie haben keine Matratze und keine Kissen, überhaupt keine Bettwäsche, keine Handtücher. Eine Patientin hockte teilnahmslos im Bett mit ihrem an Tuberkulose erkrankten, teilnahmslos guckenden Kind. Diagnose Lungentuberkulose. Den anderen Patienten geht es nicht besser. Sie legen zum Schlafen Pappe von großen Kartons unter sich. Es stinkt im Zimmer und ist echt dreckig. Wenn ich in 10 Tagen zurück komme möchte ich vorher für sie und ihr Kind ein paar T-Shirts, eine Decke und Kissen kaufen. Unterhosen sind vielleicht auch gut.
Auspacken und ran an die Arbeit
Meine Übersetzerin Jaqueline meint, dass ich mir das sparen kann, sie wird uns verlassen, sobald sie noch mehr Heimweh kriegt. Ob das Kind dann weiter therapiert wird? Oft ist dies nicht der Fall, wir werden sehen. Sie wohnt in meinem Distrikt und ich werde sie besuchen, wenn sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Wir fahren 2 Stunden. Dann sind wir in der Unterkunft wo wir 9 Tage bleiben. Schnell packen wir unsere persönlichen Sachen aus, damit wir zügig in das Dorf kommen, wo wir heute Sprechstunde haben. Das dauert gut eine Stunde. Wir überqueren sieben Mal den gleichen Fluss. Dann sind wir da. Mein Behandlungszimmer ist von allen Seiten durch ein lockeres Geflecht gut einsehbar, aber luftig. Die Apotheke ist in einer brütend heißen Betonhalle und die Administration ist draußen. So braucht keiner im Dorf ein Geheimnis hüten, alle wissen hören und sehen alles.
Gestern früh um 4.00 Uhr ist Rolando aufgestanden um für mich Bananenblüten in Kokosmilch zu kochen. Ich esse das sehr, sehr gerne. Ich bin gerührt. Seine Frau schneidert mir 2 Arbeitsanzüge, das freut mich sehr. Um 7.00 Uhr sind wir dann wieder arbeiten gefahren. Lauter Kinder mit Hauterkrankungen, blutigem Durchfall (Amöbiasis), Husten und Schnupfen und Bronchitis. Heute war alles relativ sauber. Dieses Dorf ist nicht sehr weit in den Bergen, deshalb vielleicht etwas zivilisierter. 57 Patienten, sogar einige die Contrazeptiva wollten, einige Schwangere, die Erwachsenen haben hohen Blutdruck, seltener Diabetes aber auch viele Hauterkrankungen und nicht erst seit gestern. Nach der Sprechstunde sind wir in die Unterkunft nach Socorro gefahren, haben klar Schiff gemacht, das gute Essen verschlungen und gepackt, weil bis Montag frei ist und wir zurück nach Calapan fahren ins Staffhouse. Zuerst muss ich aber ins Krankenhaus in Calapan Visite machen. Ich bin gespannt was mit der Patientin ist, der der Tumor aus der Fußsohle wächst und mit dem Tumor im Bauch.
Luftballons für alle
Als ich nach den Mangyans frage sagt die Schwester mir, dass das 3-jährige Kind mit der Lungentuberkulose vor 2 Tagen gestorben ist. Die Patientin mit dem Tumor sollte eine Biopsie kriegen, hatte aber Angst und ging nach Hause. Inzwischen liegen hier alle Mangyans in einem Zimmer: Kinder, Frauen, Männer zu zweit zu dritt, in einem Bett ohne Matratze, ohne Kissen. Sie gucken alle in ein schwarzes Loch. Mir schnürt es die Brust zusammen. Ich kann nix für sie tun. Die Kinder weinen zum Teil. Da hole ich aus meinem Rucksack eine Hand voll Luftballons und fange an sie aufzublasen. Sofort sind alle Augen auf mich gerichtet. Ich gehe zu jedem, egal ob Kind oder Erwachsener und gebe ihm einen aufgeblasenen Ballon. Da lächeln die Meisten. Ich stelle mich noch vor und sage, dass ich von den German Doctors komme und in ihre Dörfer fahre um sie weiter zu behandeln, wenn sie entlassen sind. Da klatschen sie in die Hände. Ich verabschiede mich und es geht zügig ins Staffhouse duschen.
So gestern sind Norbert und ich hier im Bamboo Resort angekommen. Norbert kam von der Nordtour ziemlich erschöpft nach Calapan. Wir sind dann mit dem Van nach Porto Galera gefahren. Total eingezwängt in brütender Hitze. Von dort wieder mit dem Motorrad über abenteuerliche Straßen und den Rest zu Fuß bis wir hier im Hotel waren. Das Meer ist wunderschön und angenehm warm. Ich will lesen, schlafen, tauchen, damit ich am Montag wieder richtig fit bin, zur nächsten Rolling Clinic.
Schreiben Sie einen Kommentar