Trinken oder nicht trinken?
Teil 3 des Einsatzberichts von Dr. Barbara Müllerleile aus Kalkutta
Diese Nacht habe ich schlecht geschlafen, 7 Uhr aufstehen, schnell frühstücken, 8:10 Uhr schon Aufbruch. Heute findet alles im überdachten Freien statt. Wir haben 114 Patienten gestempelt. Kinder, Männer und Frauen und in dieser Reihenfolge. Außerdem haben wir 12 rote Mützen verteilt. Die Empfänger sind richtig krank. Dann fingen wir zu dritt an zu arbeiten. Die Notfälle waren gut zu behandeln. Dann kamen die Kinder ab zwei Wochen. Hat auch gut geklappt. Nach der Mittagspause noch 2 Std. Da ging es um diverse Hauterkrankungen die ich noch nie gesehen habe. Um 15 Uhr waren wir fertig. Also zügig in den Zug gehockt und zurück nach Howrah. Gegen 17 Uhr ist Visite bei den Tuberkulose-Kindern im Pushpa Home. Ich schwanke zwischen Spaziergang und duschen. Spaziergang hat gewonnen. Leider habe ich mich heftig verlaufen. Um pünktlich zu sein nehme ich mir ein TukTuk. Gegen 16:45 Uhr bin ich zurück und spring unter die Dusche. Also zügig auf die Kinderstation. Eine Kollegin kommt und stellt diverse Kinder vor, sehr interessant. Die Kinder freuen sich, dass wir kommen und wollen viel fotografiert werden. Danach Abendessen. Mangochutney, Fleischbällchen scharf, gebratener Kürbis und Gemüse. Jetzt bin ich vollgefressen und im Bett. Übrigens, das verbrannte Kind von gestern ist hier gut gelandet mit der Mutter. Bin froh dass es versorgt ist.
Ein neuer Tag beginnt
Heute früh gab es kein Wasser also ungewaschen zur Arbeit. Heute wieder Forshore Road. Da war ich am Dienstag bereits. Es warten wieder viel mehr als drankommen können. Die Dolmetscherinnen haben teilweise einen langen Heimweg , deshalb müssen wir um 15:30 Uhr aufhören, damit um 16 Uhr abgebaut ist. Die Logistik ist nicht ohne. Ich kriege gleich einen richtigen Schrecken, denn in der Schlange steht eine total abgemagerte Frau mit einem Baby, das so krank aussieht, dass ich ihm sofort eine rote Mütze aufsetze und die Mutter direkt vor die Tür der Ambulanz stelle. Ich mag hier weder diagnostizieren und schon gar nicht behandeln, deshalb setzte ich beide sofort dem Leiter der German Doctors an den Tisch. Dieser arbeitet seit 15 Jahren hier. Im Großen und Ganzen muss ich ihn nicht oft belästigen, wenn ich aber nicht weiter weiß, mache ich es.Man muss hier gut hingucken, dass man die Tuberkulose nicht übersieht. Diabetes, COPD, Pain in the Lower back, Hypertension. Wirbelsäulenschmerzen sind hier auch tückisch. Von den Kindern, die ich gestern mit visitiert habe, hatten viele eine Knochentuberkulose. Ein Junge hatte eine Querschnittslähmung, weil die Wirbel auf Grund der Tuberkulose zusammengebrochen sind. Er wurde operiert und kann jetzt wieder laufen. Ich bin froh als es Mittag ist. Aber es gibt noch viele Patienten für heute Nachmittag…
Die Arbeit ist kräftezehrend
Heute hatte ich meinen letzten Arbeitstag für diese Woche. Wir hatten heute knapp 100 Patienten zu dritt. Ich bin wieder an meine Grenzen gestoßen. Schilddrüse ist nicht mein Thema und schon hatte ich wieder zwei Patienten mit Unterfunktion. Es ist noch nicht Monsun, aber es tut so, als wäre es schon Juni. Alle sind etwas erstaunt. Die Leute hier haben eigentlich alles an Krankheiten, was es bei uns auch gibt. Aber die Behandlung ist schwierig, weil die Medikamente Geld kosten und das ist hier rar. Die Kinder und auch die Erwachsenen haben oft Würmer. Die Frauen sind oft anämisch und abgekämpft. Meine Übersetzerin muss viel über Verhütung reden. Außerdem über Ernährung und Stillen. Die Frauen gehen in den Slums nicht raus, das ist nicht üblich. Daher leiden sie unter Vitamin D-Mangel und brauchen Calcium. Viele haben Asthma, weil in den Wohnungen auf offenem Feuer gekocht wird. Man verbrennt Kuhfladen von den heiligen Kühen. Diese Kuhfladen werden an Mauern geklebt, wenn sie trocken sind fallen sie runter und werden verbrannt. Sie erzeugen eine Menge Qualm in den Wohnungen. Ein 17- jähriger war heute hier, er müsste dringend an die Dialyse Das wird grundsätzlich vom Staat bezahlt, aber man muss wissen, wie es funktioniert. Die bürokratischen Wege sind hier noch verschlungener als bei uns. Gegen 15 Uhr waren wir wieder in Pushpa Home. Ich bin ein Stück am Fluss entlanggegangen und bin in ein etwas besseres Wohngebiet gelangt. Auch hier schmeißen die Leute ihren ganzen Dreck einfach in ihren Vorgarten. Es stinkt fürchterlich. Überall Hunde, Kühe und Dohlen. Sie fressen zum Glück viel weg, aber es ist wirklich unglaublich, wie es hier aussieht.
Ein Ausflug zum Ganges
Nach dem Nachtessen mach ich mich auf den Weg nach Vasanarsi. Das ist echt ein Abenteuer. Meine Zugfahrkarte habe ich bei mir. Ich nehme ein Tutu zum Taxistand. Zum Glück hat der Regen aufgehört, aber das Wasser steht 20 cm hoch und es ist nicht nur Wasser. Ich will da nicht reintreten. Also hüpfe ich wie ein Känguru über die Straße. Das ist schon ein Abenteuer für sich. Am Bahnhof von Howrah stellt sich leider heraus, dass es der falsche Bahnhof ist. Ich wende mich an einen Uniformierten, der mir von meinem Geld eine Taxikarte kauft und mich ins Taxi verfrachtet. Nach einer Stunde und abenteuerlichen Wegen bin ich am Hauptbahnhof von Kalkutta. Es ist laut und unglaublich schmutzig. Ich muss jetzt herauskriegen, wo mein Zug abfährt und wo mein Schlafplatz ist. Das ist echt eine Herausforderung im diesen Chaos. Zum Glück habe ich Zeit und plötzlich stehe ich auf dem richtigen Bahnsteig und vor dem richtigen Wagen.
Das war ein kleiner Höllentrip. Der Zug fuhr erst um 12 Uhr los. Wir waren zu sechst im Abteil mit vier Betten. Der Zug war voll. Gut ist, dass man zwei Leinentücher bekommt. Ich habe mich häuslich eigerichtet und war froh, dass ich alles so gut gefunden habe, denn so ganz leicht ist es ja nicht. Leider hatte der Zug Verspätung, so kam ich gegen 11 Uhr an einem Bahnhof an, der aber nicht Benares oder Vasanarsi hieß. Eine ebenfalls anwesende Familie hatte mich großzügig mit Frühstück versorgt. Ich hatte bloß Wasser dabei. Wieder taucht die Frage auf: Trinke ich oder trinke ich nicht? Wegen der Konsequenz habe ich mich für nicht trinken entschieden, nachdem ich die Örtlichkeiten inspiziert hatte. Als ich einige Toto-Fahrer mit unseriösen Angeboten abgelehnt hatte, fand ich den Ausgang. Jemand hatte mir gesagt, es seien25 Km bis Benares. Taxi gab es keines, nur Motorrikscha. In Kalkutta kostet es 400 vom Flughafen bis Howrah Southpoint. Es geht wieder los mit Gehupe. Hier ist es noch schlimmer als in Kalkutta. Nach 45 Minuten sind wir im Hotel. Heruntergekommener Kolonialstil, 4 Sterne, trotzdem dreckig. Für mich ist es okay, es gibt eine Badewanne und das Zimmer ist groß und in die Ecken guck ich nicht. Ich buche für heute Abend einen Guide und für Morgen und Übermorgen auch. Dann ruhe ich mich eine Stunde aus. Anschließend lasse ich mich beim Kleider kaufen abzocken. Es ist mir aber zu stressig zu handeln oder woanders hinzugehen. Anschließend kommt mein Guide und wir sehen die Leichenverbrennungsrituale mit dem Boot vom Ganges aus an. Ebenso den Sonnenuntergang und den Vollmond. Dann gibt es etwas Religiöses für den Gott Vishnu, seine Frau Krishna und noch andere Götter. Sehr beeindruckend. Mein Guide kennt eine arme Witwe, die drei Kinder hat. Die müssen wir unbedingt unterstützen. Vor allem weil ich auch Witwe bin. Die Behausung ist einfach, aber relativ sauber. Dann geht es zurück ins Hotel. Morgen um 5:45 Uhr geht es weiter zum Sonnenaufgang an den Ganges
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