Auf ins Abenteuer
Tuberkulose behandeln: Teil 1 des Einsatzberichts von Dr. Barbara Müllerleile aus Kalkutta
Bis Dubai hat alles gut geklappt. Emirate Airlines sind schon ziemlich luxuriös. Man wird gut gefüttert und kriegt vor allem viel zu trinken. Jetzt sitz ich hier und bin beeindruckt von der Vielfalt der Völker. Manche sehen aus wie man sich arabische Scheichs vorstellt, andere tragen Turban oder kleine gehäkelte Mützchen. Wieder andere sind in weiße Tücher eingeschlagen. Die Frauen sind entweder total europäisch oder aber zum Teil ganz verschleiert. Es ist spannend. Nach zwei Stunden Wartezeit werde ich Richtung Kalkutta abgefertigt. Alles super, Fensterplatz und guter Flug. Essen war nicht so, aber es gibt viel zu trinken auch Mangosaft.
In Kalkutta wird es aufregend. Ich muss nochmal ein Papier ausfüllen und habe a) keinen Stift und b) vergessen, welches Hotel ich angeben sollte… Zum Glück fällt mir mein Reiseveranstalter für Sikkim ein und ich erzähle von meiner geplanten Rundreise. Der Mann lässt mich durch und schon bin ich mitten drin. Ich gehe gemütlich aus dem Flughafengebäude und sehe gleich ein Schild mit meinem Namen. Sehr gut. Ich stelle mich vor und ab geht die Post nach Howrah. Kalkutta liegt auf der einen Seite vom Fluss Hogli, Howrah auf der anderen. Es ist ein Gehupe und Gebremse fast wie in Kuba. Was da alles auf der Straße rumfährt und läuft. Und es sind 34 Grad. Nach einer Stunde kommen wir im Krankenhaus an. Meine Kolleginnen wollen mit den Kindern der Tuberkulose-Station einen Ausflug machen. Man sagt, wenn man nach Kakutta kommt weint man zweimal: Wenn man kommt und wenn man geht. Ich hätte fast geheult. Das Mädchen auf dem Bild unten war ein Straßenkind, weil seine Eltern gestorben sind. Zum Glück wurde es in die Kinderklinik der German Doctors aufgenommen. Sie ist so lieb und hängt an meiner Hand. So jetzt muss ich morgen weiterschreiben, mir fallen die Augen zu.
Ein neuer Tag
Gestern konnte ich nicht mehr weiterschreiben, weil ich sehr erschöpft war. Die Zeitumstellung 4,5 Stunden nach vorne hat mir zugesetzt. Bei euch ist es gerade 16 Uhr bei mir 20:30 Uhr. Heute waren es wieder 34 Grad. Aber weiter zu gestern und warum mir fast die Tränen kamen: Wir wurden vom Fahrer des Pushpa Home, einem komplett aus Spenden finanzierten Krankenhaus, in dem wir Kinder mit Tuberkulose behandeln, zu einem Vergnügungspark gefahren. Wir Ärzte wohnen während unseres Einsatzes über dem Pushpa Home im Obergeschoss. Meine Kollegen hatten daher beschlossen, den Kindern diesen Tag im Vergnügungspark zu spendieren. 16 Kinder, zwei Krankenschwestern, fünf Ärztinnen und der Fahrer. Die Kinder haben sich total gefreut. Sie sind zwischen drei und 12 Jahre alt. Alle waren stark geschminkt mit Khol und Lippenstift und sie hatten ihre besten Kleider an. Das machen die Ärmsten aus den Slums auch vor einem Arztbesuch. Wenn Sie nix passendes anzuziehen haben, leihen sie sich von Verwandten oder vom Nachbarn etwas Schickes.
Ausflug in den Freizeitpark
Als wir da im Park waren, hat sich plötzlich eine Hand in die Meine geschoben. Es war das 11-jährige Straßenkind. Sie hat lange nix gesagt und blieb neben mir. Irgendwann hat sie mir dann ihren Namen verraten. Nach einer langen Zeit hat sie dann gesagt, dass ihre Eltern gestorben sind. Die Krankenschwester hat mir erzählt, dass dieses Kind schon zwei Selbstmordversuche hinter sich hat. Wir sind dann Achterbahn, Geisterbahn und noch einiges anderes zusammen gefahren. Sie blieb immer dicht neben mir. Später hat sie mir gesagt, dass sie sehr gerne eine Puppe hätte. Leider kann ich ihr keine kaufen, weil ich sonst allen Mädchen auf der Station eine kaufen müsste. Das wäre dann nichts Besonderes mehr für sie und ich glaube darum geht es.
Besuch im St. Thomas Home
Heute hatte ich Visite mit Tobias, dem Langzeitarzt der German Doctors. Wir waren im St. Thomas Home, wo wir Frauen mit Tuberkulose behandeln und auch welche die an HIV und TB erkrankt sind – zum Teil mit ihren kranken Kindern. Alle wussten, dass heute Visite ist und haben sich daher aufgebrezelt. Das Haus ist christlich geführt und die Frauen bleiben bis zu zwei Jahren und länger dort. HIV und TB sind ein Stigma. Eltern lassen ihre Töchter oft lieber sterben als sie in ein Tuberkulose-Zentrum zu bringen. Auf dem Heiratsmarkt sind diese Töchter nichts mehr wert. Der indische Staat hat ein Hilfsprogramm für Tuberkulosekranke. Medikamente und Untersuchungen sind kostenlos, wenn man die bürokratischen Hürden genommen hat. Anschließend haben wir die Ambulanz besichtigt, in der ich einmal in der Woche arbeiten werde. Später sind wir noch ins Marple Haus, ein Prachtbau aus der Kolonialzeit, in dem reiche Inder gewohnt haben. Es hängt dort ein echter Rubens… Danach hat es gereicht und wir sind mit dem Taxi nach Hause. Nach dem Essen, scharfe Fleischbällchen mit Gemüse bin ich ins Bett gegangen um zu schreiben. Ich bin schon sehr gespannt, was mich hier in Indien alles erwartet…
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