Sechs Wochen medizinische Notfälle

Ein Bericht von Einsatzarzt Dr. Uwe Kullmer aus Serabu

Vor meinem Einsatz in Sierra Leone wusste ich sehr wenig über dieses Land. Eine Freundin hatte dort in den 80ern des letzten Jahrhunderts mal Urlaub gemacht und war sehr begeistert. Inzwischen ist dort viel passiert: Ein schrecklicher Bürgerkrieg über viele Jahre und dann zuletzt noch Ebola. Ich war also sehr gespannt was mich erwartet – würde ich medizinische Notfälle meistern können? Die Informationen der Kolleginnen und Kollegen waren allerdings sehr vielversprechend. Nach langem Flug bin ich abends dort gelandet. Hassan hat mich am Flughafen abgeholt und in eine nahgelegene Unterkunft gebracht. Nach kurzer Fahrt ging es dann über eine nicht asphaltierte Piste zum Haus.

Viele medizinische Notfälle werden behandelt

Viele medizinische Notfälle werden behandelt

Ankunft im Krankenhaus

Dort war alles sehr dunkel, aber mir wurde ein Abendessen serviert. Das Zimmer war einfach, aber einigermaßen sauber. Fließend Wasser gab es nur auf Nachfrage, aber das Moskitonetz war intakt. Am nächsten Tag, früh am Morgen, begann die lange Reise nach Serabu. Zunächst fuhren wir einige hundert Kilometer auf einer sehr guten Straße nach Bo. Unterwegs konnte man erste Eindrücke vom Leben im Land gewinnen. Hassan hatte eine lange Liste mit Einkäufen, die erledigt werden sollten. Vor allem ging es um Lebensmittel wie Gemüse und Obst. Wie ich später feststellen musste, ist das Angebot in Serabu sehr dürftig. In Bo wechselten wir das Auto. Weiter ging es im Toyota Landcruiser und kurz danach wusste ich auch warum. Die ca. 50 km lange Piste war nicht asphaltiert und voller mit Wasser gefüllter Löcher. Es war Regenzeit. Mehrere Wolkenbrüche haben uns auf der Fahrt begleitet. Die Straße oder besser Piste wurde immer kleiner. Wir fuhren durch mehrere Dörfer mit sehr einfach Häusern oder Lehmhütten. Nach knapp drei Stunden waren wir in Serabu und dann gleich im Krankenhaus. Die anwesenden Kolleginnen und Christa, die Langzeitärztin, warteten schon und bereiteten mir einen netten Empfang. Zunächst tauschten wir uns aus über meine Anreise und die aktuelle Situation vor Ort. Danach erhielt ich eine Führung durch die Klinik. Vieles machte einen sehr guten Eindruck.

Große Mentalitätsunterschiede

Am nächsten Morgen lernte ich die einheimischen Community Health Officers (CHOs) und die Schwestern vom OP und Maternity kennen. Die ersten Tage war ich damit beschäftigt, die Abläufe, die lokale Dokumentation und die Räumlichkeiten kennenzulernen. Die Menschen vor Ort waren allerdings sehr freundlich und halfen mir, mich schnell einzuleben. Mit den meisten Patienten kann man sich nicht direkt unterhalten, sondern man braucht einen Dolmetscher. Selbst einige der CHOs sprachen nicht die lokale Sprache und brauchten Hilfe. Die Gegend ist sehr arm und die Menschen besitzen oft nur was sie bei sich haben. Die Versorgung der Schwangeren und der Kleinkinder ist kostenlos. Alle anderen müssen ein kleines Entgelt für die Behandlung zahlen. Medizinisch erlebte ich in sechs Wochen Notfälle, die ich in dieser Häufigkeit und Bedrohlichkeit in über 20 Jahren in Deutschland kaum oder gar nicht gesehen habe. Besonders medizinische Notfälle wie die vorzeitige Plazentalösung oder die Uterusruptur mit den Blutungskomplikationen und die Eklampsien waren eine Herausforderung. Die Zahl der Blutkonserven ist begrenzt und es gibt nur Vollblut. Die Beherrschung einer Hysterektomie post partum oder das Anlegen von B-Lynch Nähten kann man wirklich trainieren. Die CHOs sind in den meisten Fällen sehr interessiert und wissbegierig. Es macht sehr viel Spaß dort in der Ausbildung tätig zu sein. An die Grenzen brachten mich die mangelnde Hygiene, die ohne großen Aufwand oder gar Kosten einfach zu verbessern wären. Hier zeigen sich die großen Mentalitätsunterschiede, die es sehr schwierig machen zu verstehen, dass selbst einfach Dinge nicht einfach umsetzbar sind. Es gibt sehr viele sehr intelligente Mitarbeiter und somit nicht unbedingt intellektuelle Defizite. Aber wir Menschen sind halt wirklich sehr unterschiedlich, je nachdem wo wir groß geworden sind…

Es war eine tolle Zeit

Jedes Mal ein tolles Erlebnis war der Besuch der Kinderstation oder des Dorfes. Hier kommen viele Kinder auf den Besucher zu und wollen nur mit ihm Spazierengehen oder fotografiert werden. Mit dem Ruf Pui Mui (weißer Mann) wird man überall begrüßt. Meine Zeit in Serabu war ein wunderbares Erlebnis, welches mit einer entsprechenden klinischen Erfahrung hier angegangen werden kann. Die Medizin ist viel essentieller und die Mithilfe der German Doctors – die ohne Spenden nicht möglich wäre – wird dringend gebraucht. Es ist ein Refresher in geburtshilflicher Notfallmedizin, die man mit einfachen Dingen lösen muss. Es ist auf jeden Fall ein tolles Erlebnis was wiederholt werden sollte!