Medizinische Arbeit in Serabu
Krankheiten in Afrika bekämpfen – Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Brit Kumpfert
Ich stieg mit sehr gemischten Gefühlen in das Flugzeug nach Freetown. Einerseits freute ich mich sehr, dass ich endlich wieder im Krankenhaus in Serabu, dieser für mich so besonderen Arbeitswelt, tätig sein darf. Das Hilfsprojekt der German Doctors in Sierra Leone ist von unschätzbarem Wert – ein wichtiger Beitrag um Krankheiten in Afrika wirksam zu bekämpfen.
Auf der anderen Seite drehten sich meine Gedanken immer wieder um die gleichen Fragen, die mich seit Wochen beschäftigten. Wie wird das Leben in Sierra Leone nach der Ebola-Epidemie sein? Haben die Menschen durch diese schwere Zeit ihre Lebensfreude verloren? Wie ist die aktuelle Lage im Krankenhaus? Hat sich die Zusammenarbeit zwischen den afrikanischen und deutschen Mitarbeitern verändert? Ich war schon etwas nervös im Vorfeld, da es doch eine Reise ins Ungewisse war.
Meine Bedenken waren rasch verflogen als ich den Flughafen von Freetown betrat. Es war das bekannte Gewusel von Menschen auf afrikanischen Flughäfen, die Stimmen überschlugen sich und den Ankommenden wurde Hilfe in jeglicher Art, sei es Geldumtausch, Taxi, Fähre oder Hilfe beim Transport des Gepäckes, angeboten. Auf der Fahrt nach Serabu konnte ich erleben, dass das Leben hier in Sierra Leone weitergeht, als wenn es Ebola nicht gegeben hätte. Nur einige Schilder am Straßenrand erinnerten an diese schreckliche Krankheit. Ansonsten empfand ich das Leben in den Städten, Dörfern und auf den Märkten nahezu unverändert. Man wurde freundlich begrüßt und die Gespräche mit Straßenhändlern oder auf den Märkten gaben mir rasch das Gefühl, wieder angekommen zu sein in diesem faszinierenden Land.
Am Eingang des Krankenhauses musste ich aussteigen und mir die Hände waschen. Dieses Prozedere muss jeder über sich ergehen lassen, der das Klinikgelände betritt. Dann ging es endlich zum Doctors House. Ich nahm zuerst auf der Terrasse, meinem Lieblingsplatz in unserem Haus, Platz. Die Geräusche und die Gerüche waren mir nicht fremd, und ich hatte das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein. Ich verspürte ein wohltuendes Prickeln.
Im Krankenhaus selbst wurde ich sehr herzlich von vielen mir bekannten Mitarbeitern begrüßt. Ein Lächeln hatte fast jeder für mich. Viele fielen mir um den Hals oder nahmen mich in den Arm. Gleich wurde über alltägliche Dinge oder die Familie geschwatzt. Es war als wenn ich nur kurz weggewesen wäre und nach einer Reise zurück nach Hause in die Familie komme.
Bei vielen Dingen hatte ich das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Aber trotzdem hat sich einiges im Krankenhaus verändert. Die Menschen sind nach Ebola – nur eine von vielen schrecklichen Krankheiten in Afrika – noch enger zusammengerückt. Besonders beeindruckt hat mich die Entwicklung der Mitarbeiter. Ich kenne viele von ihnen seit drei Jahren. Aber in den letzten Monaten haben sich die Kenntnisse und Fähigkeiten dieser Mitarbeiter sehr verbessert. Gerade die Arbeit der Community Health Officer ist von hoher Qualität geprägt. Mit welcher Selbstverständlichkeit Probleme erkannt und nach Lösungen gesucht und auch gefunden wird, ist sehr erstaunlich.
Dieser Fakt kann uns sehr stolz und glücklich machen, da durch unsere gute Ausbildung und Förderung der Mitarbeiter, eine Situation geschaffen wurde, dass die Arbeit in diesem Krankenhaus eine neue Qualität erreicht hat. Die Zusammenarbeit mit den German Doctors ist sehr kollegial und wir begegnen uns auf Augenhöhe. Die Community Health Officer nutzen jede Gelegenheit um ihr Wissen und Können zu erweitern. Sie löchern uns mit Fragen und in regen Diskussionen werden schwierige Fälle besprochen und Lösungen gemeinsam gefunden.
Die Arbeit in Serabu ist nicht weniger geworden. Die Versorgung von Kranken erfolgt weiterhin rund um die Uhr, sieben Tage die Woche über das ganze Jahr. So müssen wir uns täglich mit der Behandlung von Tropenkrankheiten und anderen lebensgefährlichen Erkrankungen, Folgen von Mangelernährung, schlecht beherrschbaren Infektionen oder Folgen von immer mehr zu nehmenden Unfällen auseinandersetzen, um nur einige Beispiele von Krankheiten in Afrika zu nennen. Erfreulich ist, dass wir in der Schwangerenvorsorge, der Betreuung von Geburten und Nachsorge nach Entbindungen und Betreuung der Neugeborenen einen großen Schritt vorangekommen sind.
Dennoch wird jedem alles abverlangt. Wir müssen häufig über unsere Grenzen hinausgehen. Leider gehört das Sterben immer noch zu oft zu unserer Arbeit in Serabu dazu. Aber in solchen Momenten hilft das Strahlen von Kinderaugen, weil die Entlassung ansteht oder das Glück einer Familie, weil ein neues Familienmitglied mit nach Hause kommt. Die große Freude über die Heilung eines Patienten, der schon fast aufgegeben schien oder auch die vielen kleinen Gesten, wie zum Beispiel die Umarmung einer Mutter, die sich bedankt, dass ihr Kind sich auf dem Weg der Besserung befindet, sind Lohn unserer zum Teil sehr schwierigen Arbeit.
Ich hatte in Serabu eine sehr gute Zeit. Mir fiel es sehr schwer, mein zweites zu Hause mit Familie und Freunden, nach vier Wochen wieder zurückzulassen. Man geht aus Serabu nie so richtig weg. Auch wenn man wieder in Deutschland ist, bleibt ein Teil der Gedanken in Sierra Leone. Die Sehnsucht ist so groß, dass man immer wieder nach Serabu zurückkehren muss. Ich kann jedem Arzt nur empfehlen, sich dieser Herausforderung zu stellen. Man bekommt so vieles zurück. Das Gefühl ist einfach unglaublich. Ich bin sehr froh, dass es eine große Anzahl von German Doctors gibt, denen dieses tolle Projekt, genauso ans Herz gewachsen ist.
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