Bakschisch, Opferfest und andere Eindrücke

Teil 3 des Einsatztagebuches von Dr. Rebecca Wolf aus Chittagong

Der erste Monat als Ärztin in diesem fremden Land ist bereits vergangen. Die Arbeit läuft routinierter ab und so langsam glaube ich, das Land und die Menschen in Bangladesch ein wenig besser zu kennen und zu verstehen. Die Zeit verging wie im Flug und so kam mir der Abschied von meiner ersten Kollegin hier in Chittagong schon nahezu wie mein eigener Abschied vor. Ich bin gespannt, welche Eindrücke mich in meinen verbleibenden zwei Wochen noch erwarten. Heute möchte ich von der Frage nach Bakschisch, dem Opferfest und anderen Eindrücken berichten, die ich neben meiner medizinischen Hilfsarbeit  für die German Doctors gesammelt habe.

Und täglich grüßt die Frage nach Bakschisch..

Bakschisch in Bangladesch

Bakschisch gehört in Bangladesch zum Alltag

„Bakschisch“ (Bestechungsgeld) ist hier weit verbreitet. Nicht umsonst heißt es, dass Bangladesch eines der korruptesten Länder dieser Erde sei. In vielen Bereichen des täglichen Lebens ist die Bezahlung von Bakschisch völlig üblich und notwendig. Leider hält ein solches System viele ärmere Leute beispielsweise davon ab, eine Klage einzureichen, wenn ihnen Unrecht getan wurde. Denn damit die Klage überhaupt aufgenommen und bearbeitet wird, ist schon das erste Bestechungsgeld notwendig. Auch wir wurden in einigen seltsamen Situation mit Bakschisch konfrontiert. Nach Abschluss einer Bootsfahrt wurden wir z.B. über den zuvor verhandelten Preis hinaus zur Bezahlung von Bakschisch aufgefordert. Ein anderes Mal warteten wir an einer Tankstelle, während unser CNG-Fahrer das Fahrzeug tankte. Plötzlich tauchte eine kleine Gruppe von Männern in Frauenkleidung auf, deren Anführer uns nur seine Hand entgegenstreckte und das Wort „Bakschisch“ sprach. Auch unter den Einheimischen scheint es viele abgekartete Spiele zu geben. Als wir während eines Hotelaufenthaltes einen CNG-Fahrer von außerhalb anheuerten, welcher uns beim Hotel abholte, hielten uns die Hotelmitarbeiter bei der Abfahrt auf und forderten, dass wir das Geld für den Fahrer bei der Hotelrezeption bezahlen sollten. Wir verweigerten die Aufforderung und bezahlten den Fahrer nach getaner Arbeit direkt. Leider scheint es hier nur allzu üblich zu sein, dass möglichst viele Zwischenmänner versuchen ihre Hand aufzuhalten. Und für denjenigen, der eigentlich die Arbeit verrichtet, bleibt unterm Strich häufig nicht mehr viel Lohn übrig…

Opferfest: Eid Mubarak

Bunt geschmückt wartet die Kuh auf ihre Opferung

Bunt geschmückt wartet die Kuh auf ihre Opferung

Anfang September feierten die Muslime des Landes das sogenannte Eid Festival oder Opferfest. Überall hörte man „Eid Mubarak“ oder „Frohes Eid Festival“. Ursprünglich geht das Fest zurück auf eine Geschichte des Propheten Ibrahim, der im Traum von Allah aufgefordert wurde, ihm das zu opfern, was ihm auf der Welt am Liebsten sei. Für Ibrahim war dies sein Sohn und er wollte diesen bereitwillig Allah opfern. Allah schätzte diese bedingungslose Hingabe von Ibrahim und seinem Sohn und schenkte Ibrahim einen Hammel, der stattdessen geopfert wurde. Heutzutage werden zum Eid Festival in Bangladesch Millionen von Kühen und Ziegen geschlachtet. Grundsätzlich sollen reiche Familien die Tiere erwerben, schlachten und von dem Fleisch ein Drittel an die Armen spenden. An diesem Tag solle jeder im Land etwas zu essen haben. Die eigenen Interessen sollen zurückgestellt und der Gemeinschaft untergeordnet werden. So die ursprüngliche Idee. In der Realität beklagen jedoch viele, dass es oft im Wesentlichen um Völlerei geht und darum, wer die größte und prächtigste Kuh erwerben kann.

Vor dem Fest schlenderten wir durch die Straßen und erblickten zahlreiche angebundene und mit Blumenkränzen verzierte Kühe. Am Tag des Opferfestes selbst wurden wir Zeugen der Schlachtung. Die Kühe werden reihenweise von einer Gruppe von Männern an ihren Beinen gefesselt, umgeworfen und der Imam oder das Familienoberhaupt durchtrennen dem Tier mit einem großen Messer die Kehle. Die Kuh röchelt anschließend minutenlang um Luft und schlägt um sich, während ihr arterielle Blutfontänen aus dem Halse schießen. Nach der zweiten Kuh hatten wir schon genug und zogen uns sehr zur Verwunderung der Einheimischen zurück. Einige Kinder tollten weiterhin vergnügt auf dem Opferplatz umher, doch wir hatten erstmal genug und freuten uns nach einer Erholungsphase auf ein vegetarisches Mittagessen.

Besuch in der Kleiderfabrik

Näherin am Arbeitsplatz

Die Näherinnen arbeiten unermüdlich, um ein möglichst hohen Lohn zu erzielen

Auch der Besuch einer klassischen Kleiderfabrik stand für uns auf dem Programm. Beim ersten Versuch hatten wir Pech und man hat uns nach längerer Wartezeit mit dem Hinweis auf die fortgeschrittene Uhrzeit wieder nach Hause geschickt, ohne uns Eintritt zu gewähren. Beim zweiten Anlauf klappte es und wir wurden vom Manager einer Fabrik für Jacken freundlich empfangen und durch die große Halle geführt. Auch Fotos waren erlaubt. Hier konnten wir hautnah beobachten, wie die (meist jungen) Männer und Frauen an der Herstellung der Kleidungsstücke arbeiteten. Jeder hatte eine feste Aufgabe, die nur einen ganz bestimmten Schritt im Prozess umfasste. Auf diese Weise kann die Produktivität gesteigert und die Fehlerquote gesenkt werden.

Arbeiter in der Näherei

Die Arbeiter sitzen bis zu 12 Stunden vor den Maschinen

Die Mitarbeiter arbeiten dort an sechs Tagen in der Woche (in Bangladesch ist üblicherweise nur der Freitag frei), bekommen aber Feiertage frei und einen 10-tägigen Urlaub im September. Es müssen mindestens acht Stunden am Tag gearbeitet werden, die meisten wählen jedoch 12 Stunden Arbeit am Tag, da sie für Überstunden einen Zuschlag zu ihrem Gehalt bekommen. Das Gehalt beträgt umgerechnet etwa 100 USD ohne Zuschläge und etwa 150 USD mit Zuschlägen pro Monat. Das klingt nach nicht viel, ist aber für hiesige Verhältnisse gar nicht mal so wenig. Aber natürlich ist es hart erarbeitetes Geld…

Die Lebensbedingungen im Slum sind unvorstellbar

Hier wäscht man sich voll bekleidet

Hier wäscht man sich voll bekleidet

An einem Mittwoch im Community Based Center besuchten wir in unserer Mittagspause den umliegenden Slum. Einer unserer beiden Apotheker begleitete uns und führte uns durch die Gassen. Mittlerweile waren die Regenfälle nicht so stark und häufig wie zuvor, aber in vielen Slumgassen musste man weiterhin mindestens knöcheltief durch das Wasser waten. Auch einige Häuser waren weiterhin von der Überflutung betroffen. Die Pfützen vermischten sich mit viel Schlamm und Müll jeglicher Art. Für die meisten Bewohner ist es unmöglich, die Füße trocken zu halten und so sind Pilzinfektionen vorprogrammiert. Rasch nach Eintreten in die Gassen folgte uns die erste Herde interessierter Kinder. Sie tollten vergnügt um uns herum und posierten fleißig für Fotos, die sie selbstverständlich hinterher auch begutachten wollten. Die Wohnungstüren (sofern überhaupt existent) standen offen bei den Hütten und so konnte man oft ins Innere blicken. Dort fand man meistens nicht viel – einen kleinen Raum mit ein paar Küchenutensilien, Feuerstelle, Matten oder Decken, meist ein paar Möbelstücken und manchmal sogar mit einem kleinen Fernseher oder Kühlschrank. Viele Familienmitglieder unterschiedlichster Generationen leben hier auf engstem Raum zusammen. Eine Frau mit Kind auf dem Arm bereitete gerade unmittelbar am Wohnungseingang an der Feuerstelle Essen zu.

An der öffentlichen Wasserstelle gegenüber wird das Wasser geholt oder sich in voller Kleidungsmontur gewaschen. Die Männer tragen dabei oft nur eine Hose, Frauen übergießen sich mit allen Schleiern zusammen einfach mit einem Eimer Wasser und lassen die Kleidung anschließend auch am Körper trocknen. Neben dieser Wasserstelle gab es noch einen großen schwarzen Kanister, aus dem Wasser zum Kochen und Trinken abgefüllt werden konnte. Der Besuch im Slum machte für uns die Lebensbedingungen vieler unserer Patienten unmittelbar greifbar. Viele häufige Erkrankungen erklären sich auch schon alleine durch diese Umstände, auf die wir leider keinen Einfluss nehmen können. Dank der Spenden aus Deutschland können wir ihnen aber zumindest medizinsich helfen…