Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch

Teil 4 des Einsatztagebuches von Dr. Rebecca Wolf aus Chittagong

Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch

Rohingya-Flüchtlinge: Im Müll findet man Allerlei…

Die Flüchtlingskrise ist zu einem großen Thema in Bangladesch geworden. Die Zahl der Rohingya-Flüchtlinge in den Lagern nimmt stetig zu. Schätzungen zufolge haben bereits fast 400.000 Rohingyas Myanmar verlassen müssen. Der Konflikt erscheint kompliziert, da auch die Großmächte Indien und China aus handelspolitischen und militärischen Gesichtspunkten ihre Hände im Spiel haben und Myanmar dabei unterstützen, Bangladesch die Flüchtlinge „aufs Auge zu drücken“. Das Land sieht sich der Situation hilflos ausgeliefert und will keine kriegerische Auseinandersetzung provozieren. Daher werden die Flüchtlinge zähneknirschend geduldet und es wird auf eine mögliche Lösung des Konfliktes gehofft. Das Land ist der großen Zahl an Flüchtlingen jedoch eigentlich nicht gewachsen und hat bereits ohne Flüchtlingskrise genug Probleme: Überbevölkerung, Armut, Naturkatastrophen.

Katastrophale Zustände in Lagern der Rohingya

Der junge Mann präsentiert stolz den Fang des Tages

Der junge Mann präsentiert stolz den Fang des Tages

Die Flüchtlinge werden notdürftig in Camps untergebracht. Die Unterkünfte sind jedoch höchst instabil, die Ernährungssituation ist unzureichend, Latrinen fehlen – die ersten Seuchenepidemien erscheinen vorprogrammiert. Die Bevölkerung ist besorgt. Sie befürchten kriminelle Übergriffe der Flüchtlinge, da diese ungebildet und chancenlos seien. Zudem sehen sie die bereits großen Probleme im eigenen Land und sehen sich nicht in der Lage, die Flüchtlinge zu versorgen. Offen gezeigt wird auch wenig Mitleid, denn eigentlich will Bangladesch die Rohingya ja auch nicht haben. Die Flüchtlingskrise ist sicherlich kein kleines Problem und das Land wird Zeit und Ressourcen brauchen, um die Krise zu bewältigen. In Chittagong selbst bekommen wir nicht so viel mit von den Flüchtlingen, die meisten befinden sich in Lagern weiter südlich in der Region von Teknaf und Cox’s Bazar. Eine Rohingya-Patientin verirrte sich jedoch auch einmal in unsere Sprechstunde. Sie war bereits im August vor der großen Flüchtlingswelle aus Myanmar geflüchtet. Glücklicherweise hatte sie Familienangehörige in Chittagong und konnte so bei diesen unterkommen und dem Flüchtlingslager entgehen. In Myanmar hatte sie jedoch bereits genug Grausames gesehen. Sie berichtete darüber wie Menschen – darunter auch viele Kinder – erbarmungslos erschossen und erstochen werden. Sie ist gerade noch einmal davongekommen, aber die Bilder im Kopf werden sie sicherlich noch lange begleiten.

Mein Einsatz endet

Die jungen Händler posieren gerne für ein Foto

Die jungen Händler posieren gerne für ein Foto

Meine Zeit in Chittagong ist vorüber. So schnell sind sechs Wochen vergangen und ich blicke meinem Abschied mit gemischten Gefühlen entgegen. Die vielen Eindrücke der vergangenen Wochen beginnen sich so langsam zu setzen und ich bin dankbar für die zahlreichen Erfahrungen, die ich machen durfte. Eine gewisse Vorfreude auf Zuhause setzt ein. Unsere westliche Welt erscheint mir weit entfernt und unwirklich. Aber ich freue mich darauf, mich wieder richtig sauber fühlen zu können, keine neuen juckenden Hauterscheinungen verschiedener Art mehr zu finden, keine Verdauungsprobleme mehr zu haben und bedenkenlos alles essen zu können, mich völlig frei auf breiten und sauberen Straßen bewegen zu können. Gleichzeitig fühle ich mich bei meinen Gedanken etwas schäbig und denke an unsere Patienten, die sich nicht einfach in ein Flugzeug setzen können und ihren schwierigen Lebensbedingungen entfliehen können. Verglichen mit ihren Problemen habe ich ja wirklich nur kleinste Luxusprobleme… Schon oft habe ich mich gefragt, wie die Patienten ihre eigene Situation wahrnehmen und welche Vorstellung sie von meiner westlichen Welt, meinem Leben und meinen Problemchen haben. Vermutlich fällt es ihnen genauso schwer sich in meine Situation zu versetzen, wie es mir – trotz all der Eindrücke – fällt, mich in ihre zu versetzen.

Es war eine tolle Zeit

Bunt verziherte Rikschas

Bunt verziehrte Rikschas

Insgesamt wird mir meine Zeit hier in positiver Erinnerung bleiben. Menschlich und medizinisch konnte ich wertvolle Erfahrungen sammeln. Manchmal, wenn ich mir nur wie ein einfacher Hausarzt mit sehr limitierten Möglichkeiten vorkam, rief ich mir ins Bewusstsein zurück, welche Bedeutung die Konsultation für viele Patienten hat. Sie nehmen lange Wartezeiten auf sich und sind empört, wenn sie an einem Tag nicht mehr dran genommen werden können. Einige bedanken sich, verbeugen sich oder schenken dem German Doctor ein schüchternes Lächeln, auch wenn sie vielleicht nur ein paar Paracetamol-Tabletten erhalten haben. Die Patienten zeigen einem doch immer wieder, dass ihnen der Arztbesuch wichtig ist. Dies hat mich oft bei meiner Arbeit bekräftigt in den Momenten, in denen ich mich frustriert und machtlos gefühlt habe, da ich die Lebens-, Wohn- und Ernährungssituation der Patienten – und damit auch oft den Krankheitsverlauf – nicht ändern kann.

Sitzplätze auch auf dem Dach

Sitzplätze auch auf dem Dach

Wie sehr Spenden helfen…

Die Arbeit scheint auf den ersten Blick nur ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein, wenn man sich die Situation des ganzen Landes ansieht. Aber auch hier kann man einhaken und sich ein paar Einzelschicksale vor Augen führen. In meinen letzten Tagen hier kam beispielsweise ein Patient zu mir zurück in die Sprechstunde, der nach stationärem Aufenthalt aus der Klinik entlassen wurde. Ich hatte ihn zuvor mit starken Bauchschmerzen und dem Bild eines Darmverschlusses im Röntgen zur chirurgischen Therapie eingewiesen. Während der Operation zeigte sich eine perforierte Blinddarmentzündung mit einer großen Entzündung der gesamten Bauchhöhle. Aber er überstand die Operation gut und saß knappe drei Wochen später zufrieden vor mir. Ohne die German Doctors hätte er sich diese Operation und die Nachbehandlung niemals leisten können. Ihm haben wir dank sinnvoller Spenden das Leben retten können. Klar gibt es nur wenige dieser schweren Fälle, aber für diese wenigen Menschen macht es einen großen Unterschied. Und auch viele andere Patienten, die vielleicht nur mit Bagatellerkrankungen zu uns kommen, sind dankbar eine Anlaufstelle zu haben – auch wenn sie vielleicht nur einen „einfachen Hausarzt“ vorfinden.