Audienz beim Häuptling
Teil 2 des Berichts von Einsatzärztin Dr. Barbara Müllerleile aus Mindoro
Heute ging es um 5.00 Uhr los. Hier wird gekocht, dass der Herd raucht. Reis mit Eiern und Gemüse zum Frühstück. Dann Reis mit Fisch und Gemüse als Lunch zum Mitnehmen. Also muss man um 5.00 Uhr anfangen, um 7.00 Uhr geht es in die Dörfer. Ich bin um 6.00 Uhr aufgestanden. Tee, Spiegelei, Toast, wie immer. Um 7.00 Uhr ging es los. Gegen 9.00 Uhr waren wir im Dorf. Mein erster Patient, ein 9-jähriges Kind, hatte einen Knoten, hühnereigroß unter der rechten Leiste und das seit zwei Monaten. Ich bin mir sicher, dass er Tuberkulose hat. Er muss zur Feinnadelbiopsie. Die Mutter hatte auch Tuberkulose und die Behandlung abgebrochen. Leider sind die Eltern nicht im Dorf. Aber das ganze Dorf bemerkt, dass wir besorgt sind und alle Papiere fertig machen für eine Privatklinik. Ich will nicht, dass dieses Kind in diesem unangenehmen und mit wenig engagiertem Personal bestückten Krankenhaus landet. Der Transport ist auch ein Problem. Für die Patienten ist es eine Tagesreise. Wir kommen in 4 Wochen wieder, dann werde ich weitersehen.
Meine Luftballons sorgen für Stimmung und bald ist mein offener Raum ein lauter Kinderspielplatz, aber das stört mich nicht. Anschließend kommt Haut. Tinea, Krätze und sowas wie Cafe au lait flecken, großflächig nur im Gesicht wie wenn das Kind eine Maske getragen hätte. Juckt nicht, gut abgegrenzt, nicht erhaben, seit 2 Jahren. Wenn ich in 4 Wochen wiederkomme weiß ich es. Leider hat sich das Kind nicht fotografieren lassen. Dann wird es dramatisch: Eine Mutter mit einem Gewicht von 30 kg kommt zusammen mit ihrem 2- jährigen Jungen, 3, 5 kg leicht, eingezogene Fontanelle und apathisch zu uns. Sie ist darüber hinaus schwanger mit dem 6. Kind. Es gibt keine Kinderklinik, keine Feedingstation oder ähnliches. Ich gebe ihr Milchsupport mit, hochkalorisches Pulver und hoffe das Kind erbricht nicht alles wieder aus. Es gibt hier Bananen, Mangos, Papayas, Yams und Süßkatoffeln im Überfluss. Ich verstehe das Problem nicht so recht, ist das Überforderung? Auch hier haben die Kinder rote Haare vom Vitaminmangel und die Mütter rote Zähne vom Betelnuss kauen.
Halo Halo zum Abendessen
Um 14.30 Uhr habe ich 50 Patienten gesehen, wir sind fertig. Jetzt geht es zu einem Häuptling, weil ich vorgestellt werden soll. Anschließend geht es auf den Markt um das Essen für heute Abend, morgen früh und morgen Mittag zu kaufen. Danach wollen meine Kollegen Halo halo essen. Sehr interessant. Crusheis, lila Eiscreme, Wackelpuddingstücke, Vanillesauce und Bohnenkerne. Man muss es gut durchpanschen, dann ist es ein grauer Brei und sieht wie Porridge aus. Alle sind begeistert und essen es mit großem Vergnügen. Anschließend geht es in die Unterkunft. Schluss für heute.
Heute Nacht hatte ich den Eindruck, ein D- Zug fahre durch unser Zimmer. Es war aber nur ein höllisches Gewitter plus Hundegebell. Um 6.00 Uhr bin ich aufgestanden, es geht wie immer um 7.00 Uhr los. Zuerst zur Bank, wo ich mit dem Automaten kämpfe. Das kenne ich schon von Indien. In Darjeeling war ich fast pleite, weil alle Automaten leer waren. Es dauert sehr lange bis wir im Mangyandorf sind. Wir haben wieder einen großen Raum, in den man gut von allen Seiten reingucken kann. Hier sind ungefähr 2/3 Kinder und wenige Erwachsene. Die Kinder Husten und haben Schnupfnasen. Leider haben sie auch oft Bronchitis und kriegen dann Antibiose, weil sie meist in reduziertem Allgemeinzustand sind. Alle sind dreckig, die Haut, die Haare die Kleider, von Zahnpflege hat man hier noch nix gehört. Auch die Erwachsenen sind schmutzig, die Kleider zerrissen, die Nägel sind schwarz. Ich guck auch immer auf die Köpfe ob´s krabbelt. Die Zähne der Erwachsenen sind rot vom Betelnuß kauen oder schwarz. Alle haben schwarze Stummel im Mund. In 4 Wochen geht der Zahnarzt mit mir auf Tour. Er wird zu tun haben. Viele Patienten habe ich nochmal einbestellt mit dem Hintergedanken an den Zahnarzt.
Medizinische Grenzerfahrung
Eine Frau kommt zu mir und schenkt mir eine große Papaya, das freut mich. Dann kommen wieder die untergewichtigen Kinder, denen ihre Haut zu groß ist. 2 Jahre, 5 kg und kann nicht laufen, hängt seiner untergewichtigen Mama an der Brust, 31kg 25 Jahre alt 6 Kinder. Die Kinder kriegen Nutrix, einen hochkalorischen Drink, die Mütter Calcium und Eisen. Alle werden turnusmäßig entwurmt. Dann trifft mich schier der Schlag. Ein Mann bringt seine schwerkranke Frau auf dem Rücken in die Ambulanz. Sie sitzt in einer Art Korb. Seit Tagen hat sie nichts mehr ausgeschieden und getrunken. Total abgemagert und ausgetrocknet. Beide riechen sehr unangenehm. Meine Arzthelferin hält Abstand und ich muss mich überwinden, auch sie zu untersuchen. Ich ertaste einen großen Tumor im Bauch. Um den linken Fuß und hat sie einen Lappen gewickelt. Als ich den abnehme geh ich fast in die Knie. Ein Tumor wächst aus ihrer Fußsohle. Dieser hat etwa 8 cm im Durchmesser und riecht entsetzlich. Der muss weg. Ich lass mir eine Schere geben und schneide der Patientin zuerst die überlangen schwarzen Nägel, während ich überlege, wie ich vorgehe. Eine Möglichkeit zur Narkose habe ich nicht. Lokalanästhesie? Auch nicht wirklich befriedigend. Schneide ich den Tumor ab blutet es nach oder infiziert sich. Irgendwie kann ich es drehen und wenden wie ich will, glücklich bin ich nicht. Der Tumor im Bauch muss auch diagnostiziert und behandelt werden. Ich schicke sie in das Krankenhaus und gehe kommenden Mittwoch vorbei. Bloß wie kommt sie dort nur hin? Sie braucht 600 Pesos, das sind 10 Euro, die haben sie nicht. So kann man sie auch nicht hinschicken. Der Mann hat keine Hose und sie ist sehr schmutzig.
Rolando und ich gucken uns an, dann gibt er 300 Pesos und organisiert den Transport. Ich gebe den Rest und wir waschen sie notdürftig. Um 13.00 Uhr haben wir alle Patienten versorgt. Weil wir eine neue Anlaufstelle in einem Dorf haben, schlägt Rolando vor da hin zu fahren und mit dem Chef dort zu reden, damit es unsere Sprechstunde bekannt gibt. Leider ist er nicht da und muss erst geholt werden. Wir parken vor einer Schule. Da kommt flugs der Lehrer und will wissen wer wir sind. Als er hört das ich Ärztin bin schleppt er mich sofort in die Schule und erzählt mir, dass er in seinen Klassen Mangyans versucht zu integrieren. Er hat eine Küche in der Freiwillige Eltern für die Mangyan Kinder kochen, weil sie unterernährt sind. Anschließend werde ich von Klasse zu Klasse gezogen. Die Kinder stehen auf und sagen: „Good afternoon, Dr. Barbara!“ Ich bedanke mich und dann holt der Lehrer die Kinder mit den Hautkrankheiten und die mit den Läusen.
Bitte keinen Reis mehr
Es sind alle Mangyans. Man sieht es auf den ersten Blick, sie sind ungewaschen, haben schlechte Zähne, schmutzige Kleider und trauen sich nicht mich an zu gucken. Ich nehme sie mit zur Rolling Clinic und guck sie mir an. Die meisten haben Läuse und kriegen eine Lotion. Die anderen haben Krätze, Tinea, Impetigo oder einen anderen Pilz. Wir versorgen sie alle zur Freude des Lehrers. Ich verspreche am 15. März wiederzukommen. Inzwischen hat es sich rumgesprochen, dass es ärztliche Behandlung gibt. Schon hat sich eine Schlange gebildet. Ich behandle noch einige Patienten. Inzwischen ist es 17.00 Uhr. Das arme Team. Sie gucken gequält, weil sie jetzt auf den Markt müssen und anschließend ist kochen angesagt. Nach dem Essen müssen sie die Endabrechnung mache und den Report von Februar schreiben. Ich frage sie, ob sie heute ausnahmsweise auf Reis verzichten könnten, und zum Abendessen Pizza und Eis essen könnten. Da bricht großer Jubel aus. Also machen wir es so.
Wow, ein wirklich sehr interessanter Bericht über Hautkrankheiten auf den Philipinen.