Ich werde den Geruch vermissen

Teil 7 des Berichts von Einsatzärztin Dr. Barbara Müllerleile aus Mindoro

Die Zustände in der Klinik sind teilweise sehr schlecht, doch für umfassende Renovierungen fehlen die Spendengelder

Gestern am Ostersamstag ging alles wieder seinen normalen Gang. Hans und ich wurden um 8.00 Uhr von unserem Team abgeholt und ab ging es in die Berge. Jetzt kennen mich die Leute, weil ich das zweite Mal mit den German Doctors hier bin. Wir sind hier in the Middle of nowhere. Die Mangyans kommen aus den abgelegenen Dörfern in den Bergen. Hier findet ein gesellschaftlich wichtiges Ereignis statt. Man hat gleich zwei Kioske aufgemacht und eine Küche. Es wird gekocht und gegrillt, man sitzt nett zusammen und fühlt sich offensichtlich wohl. Der Zahnarzt hat gut zu tun. Er zieht Zähne wie am Fließband. Bei mir läuft es auch sehr gut. Viele Kinder und chronisch Kranke. Abends gehen wir mit allen Essen. Es ist das Abschiedsessen von Hans und mir. Am Mittwoch ist mein letzter Arbeitstag. Ich bin ein bisschen traurig, weil ich meine Mitarbeiter richtig gerne habe und sie mich auch. Nach dem Essen haben sie eine Art Laudatio auf mich gehalten. Mir kamen fast die Tränen.

Nicht weinen, Dr. Müllerleile tut doch nichts – im Gegenteil, sie hilft, wo Sie nur kann

Heute am Ostersonntag ging es um 6.00 Uhr mit der Heiligen Messe los. Wir wurden in einer Lautstärke beschallt, dass ich schier aus dem Bett gefallen wäre. Der ganze Gottesdienst wird hier laut schallend übertragen. Um 7.00 Uhr, als wir abgefahren sind,  war man noch bei der Predigt. Rolando meinte, das dauert oft drei Stunden. Die Philippinos sind sehr katholisch. Die Karfreitagsprozession hat auch über zwei Stunden gedauert bis alle an uns vorbei waren. Um 9.00 waren wir an unserem Ziel. Hier war ich vor 4 Wochen. Ein sehr ursprüngliches Dorf mit wenig Kontakt zu Außenwelt. Sehr abgelegen. Die Männer sehr häufig mit Lendenschurz bekleidet, die Frauen etwas bedeckter. Die Mädchen mit Unterhose, die Buben nackt. Alle sind ziemlich schmutzig. Sie freuen sich sehr über Zahnbürsten, Zahnpasta  und Seife. Auf meinem Spaziergang  treffe ich welche an der Pumpe, eingeseift und zum Teil Zähne putzend. Das freut mich sehr. Auch Erfolge meiner Arbeit sehe ich. Meine aufgeschnittenen Abszesse sind gut verheilt.Die unterernährten Kinder haben Dank Nutrimix etwas zugenommen oder zumindest nicht weiter abgenommen. Auch meine medikamentöse Einstellung hat funktioniert. Ich bin zufrieden.

Ein leichtes Kribbeln im Hals

Für die kleinen Patienten gibt es einen Luftballon

Zurück in Socorro, lernen Hans und ich, dass man nicht alles essen kann was auf dem Tisch steht. Es ist kleingeschnittenes rohes Gemüse und heißt Gabitsch. Hans und ich greifen in die Schüssel und stopfen uns was in den Mund. Alle schreien „it is not cocked“. Zu spät, wir haben es gekaut und runtergeschluckt und verstehen die Aufregung nicht. Als ich unter der Dusche stehe fängt es in meinem Hals an zu kribbeln, bis in die Ohren. Ich überlege, wo der Notfallkoffer steht  und was außer Supra und Cortison hilfreich wäre. Als es beim Kribbeln bleibt, dusche ich erstmal fertig. Hans meint, dass er das Gleiche überlegt hat, aber Nena hat gesagt, er solle Zucker essen, da wurde es besser. Ich esse zwei Bananen. Jetzt geht es.

Auch hier kommt das Allzweckmittel zum Einsatz – Luftballons für die Kleinen

Es war wie immer um 5.00 Uhr begann das lustige Kochen und ich war wach und dachte heute ist mein letzter Tag mit meinem Team. Ich werde diesen penetranten Geruch nach gebratenem Fisch vermissen. Später fuhren wir wieder in die Berge. Nicht so weit wie sonst, weil heute alle nach Calapan müssen. Unsere Vorräte an Medikamenten sind zum Teil aufgebraucht. Vor meiner Hütte sitzen schon einige Patienten. Bis wir alles ausgeladen haben sind es schon sehr Viele. Rolando fängt mit dem Zahnputzprogramm an. Er hat irgendwo ein riesiges Gebiss gefunden und demonstriert, wie man Zähne putzt. Er ist inzwischen sehr gut. Außerdem sagt er, die Kinder sollen Reis, Gemüse und Früchte essen, keine Süßigkeiten, weil hier überall kleine Büdchen stehen, wo man allerlei Süßes für wenig Geld kaufen kann. Eine Zahnbürste kostet wenig, wenn man die Pesos für die Süßigkeiten spart. Alle Patienten hören sehr aufmerksam zu. Vielleicht hilft es ja.

Schlaftabletten gegen Kaffeekonsum

Ich behandle 67 Patienten. Bei den Letzten beiden Frauen bin ich genervt. Beide sind keine Mangyans. Hierher kommen auch andere Patienten, weil das Dorf nicht von der Zivilisation abgeschnitten ist, obwohl die Mangyans auch hier ihren eigenen Lebensstil leben. Eine der beiden Frauen erzählt mir, dass sie, seit sie nachmittags zwei Tassen Kaffee getrunken hat, unter Schlafstörungen leidet. Sie möchte Schlaftabletten. Einige Leute aus der Umgebung wissen, dass sie hier eine kostenlose ärztliche Konsultation bekommen. Die Medikamente müssen sie bezahlen. Schlaftabletten haben wir nicht.  Sie zieht beleidigt ab. Verständlich, weil sie seit 8.00 Uhr wartet, jetzt ist es 14.00 Uhr. Die Andere hustet seit Monaten und raucht wie ein Schlot. Ich schicke sie zum Tuberkulose-Doctor. Da hält sich die Freude auch in Grenzen. Einige Feldarbeiter kamen heute mit Nagelproblemen an den Fußzehen. Dagegen kann ich nix tun.

Die grünen Hügel der Philippinen

Die Männer arbeiten barfuß in den Reisfeldern. Sie spritzten den Reis mit Schädlingsvernichtern z.B. gegen Schnecken. Deshalb lösen sich die Fußnägel auf. Am Ende der Sprechstunde mache ich noch einen Spaziergang. Dann geht es zügig nach Socorro und als alles gepackt ist, weiter nach Calapan. Dort angekommen merke ich, dass mein Handy verschwunden ist. Mir geht’s richtig schlecht, weil meine Bilder und alle Kontakte dort gespeichert sind. Meine Mitarbeiterinnen versuchen zu telefonieren, aber es klappt nichts. Schade. Später bekommen Hans und ich noch Geschenke. Mir wird ganz seltsam beim Gedanken, dass ich morgen nach Porto Galera fahre und auch wegen meinem Handy bin ich traurig. Trotzdem werde ich den Einsatz, wie auch meine anderen Einsätze, in ganz besonderer Erinnerung behalten.