Zahnbürsten für die Mangyans

Teil 4 des Berichts von Einsatzärztin Dr. Barbara Müllerleile aus Mindoro

Mit improvisiertem Spielzeug kann man auch Spaß haben

Heute waren wir wieder am Ende der Welt. Die Mangyans leben dort wie bei uns die Bauern im Mittelalter. Die Kinder haben als Spielzeug einen Stock mit zwei Holzrädern vorne, den schieben sie durchs Dorf, ein Plastiksack mit einem Baby wird drangehängt und fertig ist der Kinderwagen. Die Häuser stehen auf Stelzen. Darin wohnt man in einem Zimmer. Unter dem Haus wohnen die Tiere, z.B Schweine, Ziegen, Hühner, Enten, Hunde und  Katzen. Die Dächer sind mit Reet gedeckt. Ums Dorf herum wachsen Reis, Süßkartoffeln, Bananen Kokosnüsse, Papayas und Mangos.

Die Haare der Kinder haben auch hier einen Rotstich, was auf einen Vitaminmangel hindeutet. Die Ankunft der German Doctors ist hier eine Sensation. Das ganze Dorf läuft zusammen. Mein Sprechzimmer ist wieder sehr luftig, Die Patienten unterhalten sich fröhlich. Keiner schimpft, wenn wir 30 Minuten Mittagspause machen, obwohl sie seit 7.00 Uhr und früher warten.

Tierische Mitbewohner auf Mindoro

Was im Sprechzimmer passiert ist natürlich auch sehr interessant. Heute hatte ich zwei Kinder mit riesengroßen Abszessen, die ich leider aufschneiden musste. Es hat sich dann auch richtig gelohnt, weil der Eiter danach gut abfloss. Mir ist nicht richtig wohl dabei, weil der nächste German Doctor erst in 4 Wochen kommt. Klar decke ich diese Patienten großzügig antibiotisch ab. Aber sie haben oft keine Tetanusimpfung und die hygienischen Verhältnisse sind katastrophal. Wir haben keinen Impfstoff, weil wir nicht kühlen können. Aus diesem Grund haben wir auch kein Insulin. Als ich die Kinder verarztet habe, war das ganze Dorf anwesend und kommentierte das Ergebnis. Ich habe nur Eisspray zur lokalen Betäubung, Es ist ja auch nur ein kleiner Schnitt, aber die Kinder haben schrecklich vor Angst gebrüllt und drei Leute inkl. Mutter mussten sie festhalten. Das treibt mir auch den Schweiß auf die Stirn.

Weit weg von jeder Zivilisation

Abendessen im Jollibee – einem philippinischen Fast Food Restaurant

Heute war Augentag, sehr viele hatten entzündete Augen. Insgesamt habe ich über 60 Kinder und mehr als 40 Erwachsene behandelt. Zum Glück hat Rolando das Verteilen der Zahnbürsten übernommen und auch erklärt wie man sie benutzt. Ich habe heute früh noch 100 Seifenstücke gekauft und verteilt. Manchmal stehe ich auf dem Schlauch. Gestern habe ich laut überlegt, warum alle so verschmutzt sind. Mein Team hat mir gesagt, dass sie keine Seife besitzen und auch keine kaufen können, weil sie sehr arm sind. Das Geld, dass sie haben, brauchen sie für wichtigere Sachen wie  z.B Badelatschen. Nicht alle haben das Geld um sich solche Latschen, die nicht einmal einen Euro kosten, zu kaufen. Wir waren erst um 17.00 Uhr mit der Sprechstunde fertig. Ich wollte nicht, dass noch gekocht wird und hab alle ins Jollibee eingeladen. Das ist der philippinische Mc Donalds. Naja, einmal reicht. Alle waren froh, als wir in Socorro im Staffhouse waren. Wir sind geschafft.

Eine Alternative zum Rucksack

Heute kam ich richtig zum Arbeiten. Wir waren weit weg von jeder Zivilisation. Der Gebietsverwalter hat drei Bambushütten bauen lassen, die haben wir in Betrieb genommen. Zuerst waren wenig Patienten da. Aber dann kamen sie aus entlegenen Gegenden. Sie hatten z.T. ihre Kinder in großen Körben auf dem Rücken. Ich habe 127 Patienten gesehen. Viele Kinder ohne oder nur mit rudimentären Zähnen, nackt oder mit dreckigen Lumpen bekleidet. Die Männer ohne Hose, nur mit einem Lappen bekleidet. Die Kinder tragen ihre getrocknete abgefallene Nabelschnur um dem Hals. Die Frauen meist mit einem Baby an der Brust und oft schon wieder schwanger. Sie sehen alle elend aus.

Momente, die nachdenklich machen

Als ich den Kindern Ihre Luftballons gebe, freuen sie sich und lachen. Ansonsten gucken sie ernst in die Welt. Von den Krankheitsbildern war es das Übliche, bis auf vier Fälle die hier nicht zu meiner Zufriedenheit gelöst werden können, weil die Logistik fehlt.  Zwei Patientinnen hatten so große Angst, dass ich sie nicht behandeln konnte. Gegen Mittag ließ der Gebietsverwalter Essen bringen. Dazu wurden sehr lange Bananenblätter auf den Boden gelegt und darauf wurde Reis mit Sauce verteilt. Die Mangyans setzten sich auf den Boden und aßen alles zügig mit den Fingern auf. Es waren bestimmt mehr als 200 Leute und es gab kein Gedränge oder ungeduldiges Geschiebe. Leider war ich nach dem Lunch müde, aber da half nix, die Leute warten geduldig und es muss weiter gehen. Um 19.00 Uhr waren wir fertig. Abendessen kochen fällt heute wieder aus. Wir gehen in eine Eatery an der Straße und essen vorzüglich. Es kostet mit Getränken für fünf Leute keine 10 Euro und alle sind satt und zufrieden.

Zahnbürsten für bessere Mundhygiene

Heute hatten wir einen sehr schönen aber langen Anfahrtsweg  über 2,5 Stunden.  Die Mangyans kamen aus den Bergen der Umgebung und haben sich sehr über Seife, Zahnpasta und Zahnbürsten gefreut.
Mittlerweile bin ich 300 Seifen und Zahnbürsten losgeworden. Hoffentlich nützt es. Ich bin schon wieder weg, wenn die Rolling Clinic in das erste Dorf der Aktion „saubere Zähne, gewaschene Kinder und Erwachsene“ kommt. Irgendwie ist mein Fell etwas dünner geworden, heute hat mich eine Situation sehr mitgenommen:

Eine Oma kam mit ihrem zweijährigen Enkel zu mir. Sie hat ihn lange getragen, weil sie aus den Bergen kamen. Das Kind hat 7,5 kg gewogen. Es war ausgetrocknet und apathisch. Ich habe noch nie so ein dünnes Kind gesehen. Ich wollte es ins Krankenhaus schicken, aber die Großmutter wollte nicht. Sie hat gesagt im Krankenhaus stirbt es und wenn es sterben soll, dann lieber zuhause.
Dann hat sie es wieder auf den Arm genommen und ist gegangen. Da sind mir die Tränen gekommen. Jacky hat versucht mit ihr zu reden, aber sie hat gesagt im Krankenhaus stirbt man nicht gut, wenn es so sein soll, dann lieber zu Hause. Leider hat sie wahrscheinlich recht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man in dem Zimmer gesundwerden kann. Heute habe ich nur 57 Patienten gesehen. Mir hat es gereicht. Wir starten in den nächsten Tagen von Calapan aus und gehen in den Norden. Mal sehen wie es da ist.