Im Auge des Taifun Mangkhut

Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Sabine Hofbauer aus Luzon

Eine unfassbare Kraft hat den Baum entwurzelt

Zwei Wochen bin ich jetzt schon in Conner auf Luzon. Es ist mein erster Einsatz für die German Doctors auf den Philippinen. Ich fühle mich hier sofort willkommen. Welch paradiesische Landschaft! Was für freundliche Menschen! Jeder hat ein Lächeln für mich und ist zu einem ‚Schwatz‘ über die Familie, die Arbeit, die Gesundheit bereit. Ich bekomme auch leckere Bananen angeboten.

Die Arbeit in den Dörfern mit Schwerpunkt Ausbildung der einheimischen Gesundheitshelfer und basismedizinische Versorgung empfinde ich als sehr sinnvoll, besonders im Hinblick auf die Nachhaltigkeit. Die unzureichende medizinische Versorgung hier wird mir bei der Arbeit sehr deutlich. Für Freitagnacht ist Taifun Mangkhut angekündigt. Er soll direkt über uns hinwegziehen. Diese Nacht verbringe ich bei Langzeitarzt Gerhard und Jocelyn in deren Haus. Meine neu ankommende Kollegin Angelika sitzt in Manila fest. Alle Flüge und Busfahrten sind eingestellt.

Ganze Häuser wurden umgeworfen

Es geht los

Um 1 Uhr geht es los. Mit ungläubigem Staunen und einer Mischung aus Faszination und Entsetzen erlebe ich die Wucht dieses Sturms über 15 Stunden. Ab und zu wage ich einen Blick aus dem Fenster. Die Palmen biegen sich maximal im Sturm, das Blechdach auf dem Nachbargebäude lockert sich stündlich mehr und hängt nur noch lose fest. Das Wasser drückt durch die Fenster. Das tosende Geräusch erinnert an einen Aufenthalt in einem U-Bahn-Schacht. Um 5 Uhr morgens ist es plötzlich windstill, es ist vorbei – aber nein, es ist nur das ‚Auge‘ und es geht kurz darauf mit ungebrochener Wucht weiter bis zum Nachmittag. Sicher fühle ich mich zu jeder Zeit, dank des soliden Gebäudes und der unerschütterlichen Ruhe von Gerhard.

In vielen Regionen steht kein Stein mehr auf dem anderen

Doch was ist mit all den vielen Menschen in ihren kleinen Häusern und Hütten da draußen? Bis auf eine kleine Überflutung in den Räumen ist am nächsten Tag im Hause nichts verändert. Draußen aber schon! Die paradiesische Landschaft ist übersät mit unzähligen entwurzelten und umgeknickten Bäumen, Ästen, Strommasten, Blechdächern, Schlamm und Wassermassen. Der größte Teil der anstehenden Mais- Reis- und Obsternte ist vernichtet. Auch die 60 evakuierten Familien haben sicher viel verloren. Von zwei Todesfällen wird berichtet. Bedrückt laufe ich durch die Straßen. Doch sogar jetzt hat jeder ein freundliches Lächeln für mich. Ich bekomme Rambutanfrüchte angeboten. Ich staune und denke: Hier kann ich noch sehr viel lernen – vor allem Dankbarkeit und Bescheidenheit.