Ohne Helm und ohne Gurt

Teil 1 des Berichts von Einsatzärztin Dr. Barbara Müllerleile aus Mindoro

Die Anfahrt war kein Zuckerschlecken

Jetzt hat das Abenteuer begonnen. Norbert und ich sind gut in Manila angekommen. Das Gepäck auch zum Glück. Als wir aus dem Flughafen raus kommen , fällt man gleich über uns her und versucht uns in diverse Taxis zu ziehen. Ich kralle mich an meiner Reisetasche fest und sage ganz laut ‚No‘! Da lässt man von uns ab. Ich frage den ersten Taxifahrer was er bis zum Busbahnhof will. Er will unser Endziel wissen, nämlich den Hafen und will umgerechnet 100 Euro. Das ist natürlich eindeutig zu viel. Dann kommt ein Bus, dieser fährt auch in die Nähe des Hafens und wir wollen in unser Hotel und morgen erst nach Mindoro. Also zahlt jeder 3 Euro und ab geht die Post. Leider hat der Bus die Möglichkeit, Filme zu zeigen und da wird mir schlecht. Sie zeigen einen brutalen Film, in dem sich Frauen blutig schlagen. Regelrecht geschockt bin ich, als der Unterlegenen die Kehle durchgeschnitten wird. Alle gucken fröhlich zu, Kinder, Frauen und Männer. Ein perfektes Beispiel für „andere Länder, andere Sitten“. Ich lege meinen Kiof auf meine Knie.

Der Busfahrer lässt uns nach einer Stunde aussteigen. Es sind noch 10 km bis zum Hotel. Blöd ist, dass es hier kein Taxi gibt. Ich frage einen Polizisten. Der holt eine Motorrad Rikscha. Als Norbert und das Gepäck verstaut sind, gibt es für mich keinen Platz mehr. Also setze ich mich hinter den Fahrer aufs Motorrad. Jetzt geht es los, ohne Helm, aber der Fahrer hat auch keinen. Es ist dichter Verkehr. Ich bin froh als wir nach einer Stunde im Hotel sind. Heute war ein sehr schöner und entspannter Tag. Um 6.30 Uhr bin ich aufgewacht, weil die Vögel gezwitschert haben und die Sonne schon aufgegangen war. Schnell habe ich geduscht und mich hergerichtet. Ich wollte unbedingt zu der weißen Madonna, die man vom Hotel aus sehen kann. Gestern habe ich mich um 16.00 Uhr schnaufend und schwitzend auf den Weg gemacht, habe es aber nicht geschafft. Es geht hier richtig steil hoch.

Über Stock und Stein

Einer der Vögel, die ich auf der Fahrt entdecken konnte

Um 19.00 Uhr war ich ziemlich k.o. und bei rabenschwarzer Nacht wieder im Hotel. Es war ein sehr schöner Spaziergang.  Ich habe sehr viele Vögel und Pflanzen gesehen, die ich nicht kannte. Durch schöne Dörfer bin ich gegangen, deren Menschen sehr zurückhaltend, aber nicht unfreundlich waren. Heute früh habe ich nach einer Motorrad Rikscha geguckt und auch eines gefunden. Für 100 Pesos, das sind 1,60 Euro,  ging es hin und zurück. Die Fahrt dauert eine Stunde. Ab der Stelle, an der ich gestern umgedreht bin, ist die Straße nicht mehr asphaltiert und es geht über Stock und Stein. Als wir endlich da sind, habe ich einen sehr schönen Blick über die Bucht von Batangas. Die Madonna ist 8, 5 m hoch. Zu ihren Füßen ist der Kreuzweg mit 150 cm großen Figuren dargestellt. Beeindruckend. Als ich im Hotel bin ist es 8.30 Uhr und wir wollen frühstücken. Ich gehe danach in den Pool. Es gibt eine Riesenrutsche mit richtigem Gefälle. Um 13.00 Uhr werden wir wieder von einer Motorrad Rikscha abgeholt und durch den dichtesten Verkehr zum Hafen von Batangas gekarrt. Die Überfahrt auf dem Seelenverkäufer dauert zwei Stunden. Unterwegs schicken wir Rolando eine SMS, damit er uns abholt.  Es klappt super. Rolando ist ab morgen mein Fahrer und Helfer in allen Lebenslagen. Er ist groß und kräftig. Er bemächtigt sich am Staffhouse in Calapan, wo wir mittlerweile sind, sofort meines Gepäcks und schleppt es in mein Zimmer. Norbert und ich gehen die Stadt erkunden. Naja, besonders interessant finde ich es hier nicht. Das Staffhouse der German Doctors liegt etwas am Rand und im Grünen. Zu den Bewohnern gehört auch eine Katze, sie frisst Hähnchenknochen und Reis. Während wir essen, maunzt sie ununterbrochen. Meine Übersetzerin ist auch da. Ein ganz junges Mädchen, gelehrte Kinderpflegerin. Morgen bleibe ich noch hier. Ab Dienstag geht es ich für 9 Tage ins Gebirge. Rolando sagt, dass wir Flüsse durchqueren müssen. Da muss ich lachen, weil ich an Afrika denken muss.

 

Unsere kleine Mitbewohnerin

Heute ist mein dritter Tag. Die Nacht war sehr heiß, um die 30 Grad. Vor meinem Fenster wohnt ein bellender Hund, der tobt zu jeder Tages- und Nachtzeit, wenn unsere Katze spazieren geht. Eigentlich ist sie ganz hübsch. Sie hat ein blaues und ein grünes Auge. Nach dem Frühstück kam Dr. Pinky, die Langzeitärztin und hat uns nochmal über die Abläufe informiert. Norbert

hat die Südroute, ich die Nordroute. Am Donnerstag in einer Woche, also am 9. März treffen wir uns wieder hier. Wir gehen dann in ein Resort zum Tauchen und entspannen. Norbert ist mit einem Zahnmediziner zusammen und hat am Tag bis zu 120 Patienten. Ich werde nicht so viele haben, aber meine Ureinwohner, eine ethnische Minderheit, gehen erst zum Arzt, wenn sie fast tot sind. Außerdem sind sie sehr scheu und Analphabeten. Norbert hat im Süden eine gute Kooperation mit einem Krankenhaus erreicht. Das fehlt mir. Die örtlichen Ärzte und das Pflegepersonal aus dem Krankenhaus lehnen die Mangyans ab uns stellen ihnen zwar zwei Zimmer zur Verfügung für Männer und Frauen getrennt, aber da liegen dann alle Patienten vermischt, ob Tuberkulose, Hauterkrankungen, Magen/ Darm, Infektionskrankheiten bei Kindern.

Die Ärzte stehen bei der Visite in der Tür ohne den Raum zu betreten, sagt Dr. Pinky. Morgen gehe ich zur Visite, auf meinem Weg in die Dörfer. Ich bin gespannt. Ich habe mit Jacqueline, meiner Übersetzerin, heute die Medikamente und das Emergency equipment gecheckt, damit komme ich zurecht. Anschließend war ich spazieren, mir gefällt es hier. Es ist nicht so laut und schmutzig wie in Kalkutta. Die Köchin kocht gut. Jetzt bin ich müde und verabschiede mich. Morgen geht es um 6.00 Uhr weiter. Bis dahin.