Patienten wie am Fließband

Ärztliche Hilfe leisten: Teil 1 des Einsatzberichts von Dr. Rebecca Wolf aus Chittagong

Die Reise beginnt. Bis zum Gate am Flughafen im Oman, welches „Chittagong“ anzeigte, kam es mir noch wie eine gewöhnliche Urlaubsreise vor – doch ich war unterwegs um ärztliche Hilfe in Bangladesch zu leisten. Spätestens am Gate kam ich mir als einzige weiße Frau etwas fehl am Platze vor. Dass ich hier etwas verloren wirkte, fiel offenbar nicht nur mir auf. Als ich in der Schlange zum Boarding stand, wurde ich gleich zweimal vom Flughafenpersonal gefragt, wo ich denn hin wolle. Die Antwort „Chittagong“ nahmen sie mit einer Mischung aus Verwunderung und Skepsis auf. Die freundliche, verschleierte Dame, welche mein Ticket am Gate entgegennahm, buchte mich schließlich unaufgefordert einfach in die Business Class um und so verbrachte ich noch recht komfortable knappe fünf Stunden auf der letzten Etappe der Reise.

Der Arbeitsplatz unserer Einsatzärztin

Der Arbeitsplatz unserer Einsatzärztin

Am Flughafen angekommen, wurde ich von einem Mitarbeiter des Projekts und meiner kollegialen Mitstreiterin Anja abgeholt. Es folgte eine recht lange Autofahrt durch den Monsunregen auf Umwegen (die Hauptstraße war aufgrund der starken Regenfälle gesperrt) zur Ärztewohnung. Trotz des Regens und der eher späten Uhrzeit tummelten sich noch zahlreiche Menschen auf der Straße und die Fahrt mit dem Van vorbei an all den Rikschas und CNGs gleichte einem sportlichen Zickzack-Lauf. Schon hier am ersten Abend konnte man die Überbevölkerung des Landes deutlich spüren.

Eine Folge der harten Lebensbedingungen

Ärztliche Hilfe in Bangladesch

Ärztliche Hilfe in Bangladesch: Eine junge Patientin nach dem Gipsen

Mein erster Arbeitstag begann unüblicherweise an einem Mittwoch im Community Based Center (CBC) – Montag und Dienstag blieb die Ambulanz aufgrund von nationalen Feiertagen geschlossen. Aufgrund der starken Regenfälle verzögerte sich unsere Fahrt zum CBC ein wenig und so konnten wir erst mit etwas Verspätung mit der Behandlung der zahlreichen Patienten beginnen. Anfangs brauchte ich noch ein wenig Zeit, um mich auf den Patientenkarten zurecht zu finden und die handschriftlichen Befunde meiner Kollegen zu entziffern. Viele der Patienten waren regelmäßige Besucher der German Doctors-Ambulanz und besaßen schon eine mehr oder minder lange Patientengeschichte. Unter den Krankheitsbildern fanden sich zahlreiche Erkältungskrankheiten, Lungenentzündungen, Mittelohrentzündungen, Harnwegsinfekte, muskuloskelettale Schmerzen, Sodbrennen und juckende Hautausschläge. Unter den chronischen Erkrankungen war die COPD aufgrund der hohen Luftverschmutzung am häufigsten.

Mutter mit Kind

Mutter und Kind finden bei unserer Einsatzärztin ein offenes Ohr

Die allermeisten Patienten hatten kaum schwere Allgemeinsymptome, nur ein kleiner Junge mit einer Lungenentzündung atmete schon recht angestrengt. Ein Großteil der Patienten waren Frauen und Kinder. Viele der jungen und mittelalten Frauen beschwerten sich über Ganzkörperschmerzen und Schwäche. Dies ist wohl leider eine Folge der harten Lebensbedingungen mit schwerer körperlicher Arbeit und Mangelernährung. Viel tun können wir hier leider nicht, aber vielleicht findet sich ja der ein oder andere liebevolle Ehemann, der seiner Frau hin und wieder mit einer Massage etwas Zuwendung schenkt. Viele der Kinder kamen mit Infektionskrankheiten. Aber auch bei der Vorstellung wegen einer banalen Erkältung können wir den Kleinen neben symptomatischer Therapie helfen, indem wir auf regelmäßige Gaben von Eisen, Vitamin A und Entwurmungsmitteln achten. Außerdem wird der Größen- und Gewichtsverlauf der Kinder dokumentiert und wir können so versuchen unterernährte Kinder frühzeitig zu erkennen.

Es müssen schnelle Entscheidungen getroffen werden

Überflutete Straße

Nach den intensiven Regenfällen sind die Straßen oft überflutet

Um Impfungen müssen wir uns glücklicherweise nicht so sehr kümmern, da das staatliche Impfprogramm gut funktioniert. Da ich bisher in Deutschland leider nicht viel Erfahrung mit der Behandlung von Kindern sammeln konnte, stellte ich mir die Untersuchung der Kleinen schwierig vor. Allerdings war ich hier positiv überrascht, wie viele Kleinkinder fleißig allen Aufforderungen nachgingen und sogar die unangenehmen Hals- und Ohrenuntersuchungen brav über sich ergehen ließen. Und wenn gar nichts mehr half, musste ich versuchen das Vertrauen mit Hilfe meiner kleinen gelben Quietsche-Ente, Bananen oder Cookies zurückzugewinnen. Die Zeit verflog am ersten Tag wie im Flug. Leider musste ich jedoch feststellen, dass mein Arbeitstempo für die große Patientenzahl noch nicht so ganz ausreichend war. Zeit für eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung bleibt unter Projektbedingungen leider kaum, sonst bleiben zu viele wartende Patienten, die auf ärztliche Hilfe hoffen, auf der Strecke. Wichtig ist es hier möglichst schnell unterscheiden zu lernen, ob ein Patient wirklich krank ist oder ob eine einfache symptomatische Therapie ausreicht. Auch entscheidend für die weitere Diagnostik und Therapie ist leider auch die oft schlechte Compliance der Patienten. Taucht ein Patient wiederholt nicht zu Follow-Up-Terminen auf oder nimmt die Medikation nicht gemäß der Empfehlung ein, muss ernsthaft erwogen werden, die weitere Behandlung einzustellen und die Ressourcen lieber anderen Patienten zu widmen. Insgesamt habe ich mich in den ersten Tagen rasch an die Arbeit und die Möglichkeiten in der German Doctors-Ambulanz gewöhnt. Ich bin schon sehr gespannt, was die nächsten Wochen so mit sich bringen werden…