Lepra hat viele Gesichter

In Kenia gibt es noch Leprakranke: Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Reinhild Allhoff aus Nairobi

An meinem letzten Arbeitstag in Baraka im Mathare Valley in Nairobi wird der 28-jährige David von seinem Vater in mein Untersuchungszimmer geführt. Er ist stumm vor Schüchternheit, mit wachen Augen, groß und hager, gut gekleidet. Sie kommen von weither, aus dem ländlichen Norden und wohnen bei Verwandten im Slum von Mathare. David hat seit zwei Monaten zunächst große Blasen, dann Geschwüre an Armen und später auch an den Füßen. Keine besonderen Schmerzen. Lepra hat viele Gesichter denke ich.

Leprakranke brauchen unsere Hilfe

David konnte zum Glück schnell geholfen werden

Da ist Dr. Heino Hügel gefragt; ein Facharzt für Dermatologie aus Immenstadt, der schon sehr oft für die German Doctors im Einsatz war. Bewundernswert wie er unermüdlich und begeisternd bei schwierigen diagnostischen Fragen hilft und Leprakranke treffsicher erkennt. Es werden Bilder geschickt. Seine Einschätzung beruhigt, macht mir aber deutlich, dass die entscheidende Prüfung der Sensibilität auf Schmerz und Temperatur meiner Betroffenheit zum Opfer gefallen war. Hier sei auch einmal ein herzlicher Dank an Dr. Heino Hügel ausgesprochen. David kann schnell geholfen werden. Für Lepra von Seiten des Hautbefundes sieht der Facharzt keine Hinweise, wäre noch das Ergebnis der Sensibilitätsprüfung nachzureichen. Diesemal war es zum Glück ein Fehlalarm, doch Leprakranke sind man leider immer wieder in Nairobi.

Jane und Rose in Baraka

Rose aus dem Feeding-Programm und Jane, die auf die Diäten achtet

Zurück in Nairobi

Es ist mein zweiter Einsatz in Baraka. Nach einem wunderbaren Flug über Sudan und dem sichtbar verdorrten Norden von Kenia empfängt mich am Flughafen ein lachendes Gesicht: Josephat ist da. Er erzählt, dass alle Parkautomaten am Abend ausgefallen sind, er kann und braucht nicht zahlen. In der Ambulanz begrüßen mich viele bekannte Gesichter mit diesem unvergleichlichen Lachen, welches Afrika so liebenswert macht. Die immer fröhliche Jane-Rose, meine Übersetzerin 2014 finde ich im kleinen OP beim Chirurgen Dr. Konrad. Die Geschwister Jane und Evelyn und später Ethna werden mir zur Seite stehen.

Patient in Nairobi

Muntungo, ein Patient im Baraka Health Center

Leprakranke, HIV und Tuberkulose

Muntungo ist 55 Jahre alt, Aids-Erkrankung bekannt. Er kommt nach längerer Abwesenheit ohne Therapie, mit Bläschen und Geschwüren über die ganze Haut, hat abgenommen, es geht ihm schlecht. Clinical officer Chris nimmt ihn ohne Vorwürfe zu machen mit sich in die Comprehensive Care Clinic (CCC) und die Behandlung wird wiederaufgenommen. Wöchentlich werden ungefähr 400 HIV-Neuinfektionen aufgedeckt, etwa 130 neue Tuberkulose-Patienten in das staatliche Behandlungsprogram aufgenommen und um 100 schwangere Frauen der entsprechenden Vorsorgeeinrichtung zugeführt.

Leprakranke haben unterschiedlicheSymptome

Leprakranke haben die unterschiedlichsten Symptome

Unsere Ambulanz ist voll

Durchschnittlich werden in der Ambulanz zwischen 230 und 350 Patienten pro Tag behandelt. Eines Morgens liegt Halima, 21 Jahre alt und schwanger, unter ihrem Schleier auf einer Bank vor der Ambulanz. Sie kann nicht aufstehen. Sie sieht aus wie ein Kind, ihr Mann macht Besorgungen. Nach einer Infusionsbehandlung im Notfallraum geht es Halima besser. Um 11 Uhr steht Sie in meinem Zimmer, kein Angehöriger auffindbar. So begleiten Franziska und eine weitere Sozialarbeiterin Halima nach Hause. Wenn Halima zum nächsten Termin nicht kommt, wird sie aufgesucht. Besnarz ist 13 Jahre alt, wiegt 26 Kg, bei einer Größe von 157 cm und hilft seinem Onkel als Schäfer. Seit seiner Kindheit kann er nur Reis essen, sonst muss er anhaltend erbrechen. Seine Bluttests sind unauffällig. So wird Besnarz zu Feeding Rose und Ihren Mitarbeiterinnen gebracht. Samira, Diätfachfrau, passt auf, dass er langsam zunimmt. Diese vier Beispiele zeigen, dass unsere Arbeit in Baraka für die Menschen auch über die Grenzen des Slums segensreich ist.

Das gelingt nur durch gute Zusammenarbeit aller Mitarbeiter, der ausgezeichneten Clinical Officers, Übersetzerinnen, Krankenschwestern, des Laborteams und der Sozialarbeiter/innen. Den vielen Helfern rund um den Ambulanzbetrieb sei auch gedankt, besonders Jane, die morgens mit dem Teekörbchen herumgeht und abends den großen Wartesaal wischt. Unser jeweils befristetes Wirken in diesem humanitären Bereich wird auch irgendwann „Geschichte“ eines jeden einzelnen von uns sein, sorgen wir dafür, dass es eine Gute wird. Dafür ist Erfahrungsaustausch wichtig und nötig. Ich hoffe, dass dieser auch in Zukunft gepflegt wird – mit allen Sinnen: Sehen, Hören, Fühlen…