Wiederholungstäterin auf Rolling Clinic-Tour

Mit dem Mobile Hospital helfen: Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Helga Lenschow aus Mindanao

CHCC Bukidnon

Das Community Health Care Center in Bukidnon

Ich bin nun zum zweiten Mal auf Mindanao und diesmal zunächst in Valencia für zwei Wochen im Hospital der German Doctors eingesetzt und gehe anschließend mit der Rolling Clinic – einem Mobile Hospital – auf Tour. Nach der Ankunft in Cagayan de Oro fahre ich mit dem Bus nach Valencia, das dauert ca. drei Stunden. Es ist die Straße, die vom Norden der Insel bis zum Süden nach Davao reicht. Sie ist manchmal geteert, und dann wieder nicht, und plötzlich ist da eine Teilabsperrung, es folgt gleich eine Brücke, meist noch im Bau. Am Tag ist das alles kein Problem und die Busfahrer sind echte Könner, die irgendwie alle Unebenheiten umfahren, auf andere Verkehrsteilnehmer wie Autos, Passanten, Hunde und Pferde achten und rechts und links freie Lücken nutzen, so dass man tatsächlich in der geplanten Zeit ankommt. Vom Busterminal aus nehme ich ein Motorella, ein für mich noch ungewohntes Fahrzeug: Ein überbautes Motorrad mit einer zusätzlichen Achse hinten, wie Stützräder.  Acht Erwachsene haben Platz, wenn man nicht zu viel Gepäck dabei hat. Die Fahrt kostet sechs Pesos und mit Hilfe eines ortskundigen Fahrgastes erreichen wir tatsächlich das Doctors House.

Mobile Hospital auf Mindanao

Mit dem Mobile Hospital erreicht unser Team die entlegendsten Gebiete

Akklimatisierung im Klinikalltag

Dr. Marion, die zurzeit die Langzeitärztin dort vertritt, erwartet mich. Unsere Unterkunft ist ordentlich, sie hat auch einen Internetzugang. Die Mahlzeiten (Lunch und Dinner) bekommen wir von der Krankenhausküche, für das Frühstück sorgen wir morgens selber. Was so täglich notwendig ist, wird über unseren Wunschzettel erledigt und an oberster Stelle stehen immer die Früchte: Mangos, Ananas, Bananen und Papayas. Die sind einfach himmlisch. Die tägliche Arbeit im Krankenhaus ist eine sehr gute Vorbereitung für die spätere Rolling Clinic. Meine Übersetzerin Sheba ist eine große Hilfe, die neben der Kontaktaufnahme mit dem Patienten, auch die organisatorischen Fragen schnell in den Griff bekommt: Wohin überweisen, mit welchem Formular, was kostet das, wie geht das mit der stationären Aufnahme, was kann alles unser Labor und … wie komme ich am schnellsten an einen Regenschirm, denn es schüttet wie aus Kübeln immer wieder und dann ganz unverhofft. Neben den allgemeinen Atemwegsinfekten und spastischen Bronchitiden kommen häufig Durchfallerkrankungen vor – besonders infolge der Regenperioden. Kinder mit Unterernährung werden in der Regel stationär aufgenommen. Hier sehe ich auch öfters Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz in einer Ausprägung, wie ich sie zu Hause selten gesehen habe. Mit dieser Eingewöhnung an die Arbeit, an das Essen, an das hier noch recht gut verträgliche Klima, fällt mir auf, dass unser Doctors House fern von nächtlich lärmenden Kampfhähnen ist, und das ist sehr angenehm. Zwei Wochen später, wie geplant, geht es auf zur Rolling Clinic. Der Start mit dem Mobile Hospital ist von Cagayan de Oro aus. Der Notfallkoffer ist geprüft, mein Rucksack mit Kleidung und Wäsche für zehn Tage geschnürt, die medizinischen Utensilien sind drin und der Regenschirm auch.

Der Einsatz mit dem Mobile Hospital beginnt

Überfülltes Motorrad

Und wieder einmal der Beweis, dass auf Zweiräder mehr als zwei Menschen passen

Die Fahrt geht los mit Joel unserem Fahrer, Dolly meine Übersetzerin und Gladdis, die für die wichtige Administration verantwortlich ist. Wir kennen uns bereits von meinem ersten Einsatz auf Mindanao in 2013, wo wir ebenfalls mit dem Mobile Hospital unterwegs waren. Unser Standort für die kommenden zehn Tage ist in Kadingilan, Bukidnon. Dort sind wir im Women’s House untergebracht, gleich gegenüber dem Rathaus. Wir haben einen gemeinsamen Schlafraum. Die sanitären Anlagen bieten keinen Komfort, das war ja bekannt. Und, dass es einmal wegen Stromausfall von morgens 6 Uhr bis abends 18 Uhr kein Wasser gab, ist unserer mangelhaften Vorsicht zuzuschreiben. Wir hatten vergessen, die Vorratstonne zu füllen. Wasser läuft aber nur wenn die Pumpe Strom bekommt. Wir haben es danach nie wieder vergessen…

Im Women’s House haben wir uns selber versorgt, d.h. Dolly und Gladdis haben gekocht und das war gut und verträglich. Mein Favorit sind – neben den Mangos – die gegrillten und in Ei gewälzten und gebackenen Auberginen. Joel ist ein hervorragender Fahrer, der den Geländewagen über die abenteuerlichsten ausgewaschenen Wege in die entlegensten Dörfer fährt.

Etwas anderes Taxi

Abenteuerliche Fortbewegungsmittel gehören dazu

Wir brauchen durchschnittlich 30-60 Minuten zu unserem Ziel. Dort warten bereits einige Health Worker, die unserer Arbeit den ganzen Tag beiwohnen, bei den Patienten den RR messen, Gewicht kontrollieren, MUAC messen bei den Kindern. Dolly und ich arbeiten in der Regel in einem Haus der Dorfgemeinschaft, was den Patienten etwas Sichtschutz bietet, während Gladdis und Joel für ihre Arbeit draußen ein schattiges Plätzchen nutzen. Am ersten Tag in Husayan kommen 31 Patienten, am zweiten Tag in Bagonbayan 57 Patienten. Heute sind schon einige problematische dabei: Ein junger Mann mit gänzlich unklaren Beschwerden, gekrümmt vor Schmerzen. Mit unseren Möglichkeiten der Diagnostik kommen wir nicht zum Ziel, deshalb  überweisen wir  ihn in das nächste Krankenhaus. Die Enttäuschung ist groß, als wir ihn am folgenden Tag dort aufsuchen wollen: Er ist gar nicht dort gewesen – und solche Erfahrungen sind nicht zu selten.

Tiere trinken

Erinnert irgendwie an die Bremer Stadtmusikanten…

Fernab von jeglicher Zivilisation

Die Überlandfahrten mit dem Mobile Hospital zeigen, wie bergig die Insel ist, abgesehen von den unwegsamen naturbelassenen Wegen üppiges Grün, weite Felder mit Zuckerrohr, Ananas, Kokospalmen, Cassava, Bananen und Mais. Die Arbeit auf den Feldern bei der Hitze ist hart, die Arbeitsgeräte dürftig. Da wird einem deutlich, woher die Rückenprobleme, die allgemeinen Gelenkbeschwerden, und auch die Verletzungen kommen. An den folgenden Tagen sind wir in Balaoro, in Matampay, Kibalagan usw. Die klangvollen Namen schreibe ich penibel auf, um sie zu behalten. Belastend empfinde ich die Versorgung von Menschen mit Defiziten, sei es nach angeborenen Einschränkungen oder infolge von anderen Erkrankungen. Wegen der unzureichenden medizinischen Versorgung und des fehlenden sozialen Netzes liegt die größte Last auf den Schultern der Familie. Förderung behinderter Kinder oder Rehabilitation nach schweren Erkrankungen gibt es nicht. Zumindest nicht in dem Patientenkreis mit dem wir uns befassen.

Verschlechterte Sicherheitslage zwingt uns zum vorzeitigen Rückzug

Kleiner Patient

Auch kleine Patienten haben große Sorgen

Großes Lob gebührt den Mitarbeitern, die sich um die Unterweisung der ortsansässigen Health Worker bemühen, damit sich diese wiederum um chronisch kranke Patienten kümmern, das Know-How lernen und auch die Arbeit in der Rolling Clinic vorbereiten und begleiten. Der letzte Tag dieser zehntägigen Tour in Bacbacon ist besonders schön. Unser Arbeitsplatz ist der Eingangsbereich eines Privathauses . Bei unserer Tätigkeit werden wir aufmerksam von den gleich nebenan auf einem Mäuerchen sitzenden Patienten beobachtet. Dahinter meldet sich hin und wieder der Kampfhahn durchdringend. Andere Haustiere wie Schweine, Hühner, Hunde schauen in aller Ruhe mal vorbei. Nach diesem Tag fahren wir zurück nach Cagayan de Oro, ein freies Wochenende wartet auf uns alle bis zur nächsten Tour. Aber es kommt anders: Leider konnte diese weitere Rolling Clinic Tour nicht durchgeführt werden, da aus Sicherheitsgründen bei der derzeitigen politischen Situation die German Doctors aus dieser Region auf Mindanao abgerufen wurden. Trotzdem wäre ich gerne wieder bei einem Einsatz mit dem Mobile Hospital dabei!