Salamat, Rolling Clinic!

Unsere mobile Arztpraxis unterwegs auf Mindanao: Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Barbara Schediwy

Eine vollkommen andere Welt erlebte ich, als ich mit der Rolling Clinic für fünf Wochen in den Bergen von Mindanao unterwegs war. Unser Team bestand aus dem Fahrer, der Nurse, der Dispenserin und dem Übersetzer. Morgens um acht Uhr bricht unsere mobile Arztpraxis auf. Das Allradfahrzeug bahnt sich seinen Weg durch Schlammpisten und Schotterstraßen. Unser Ziel ist auf keiner Karte verzeichnet, auf Google Earth nicht zu finden.

Menschen auf Motorrad

Ob da wohl noch mehr Leute draufpassen?

Es geht los!

Vorbei geht es an terrassenartig angelegten Reisfeldern, Zuckerrohr- und Bananenplantagen. In der Ferne die Berge. Alles ist intensiv grün. Üppige Vegetation mit hohen Bambusbäumen, Palmen und Farnen, die 2m hoch werden. Es ist warm (28°), die Luft ist feucht. Kinder gehen zu einer der bunten Schulen, die Menschen tragen aufgespannte Schirme, je nach Wetter gegen den Regen oder die Sonne. Am Wegesrand grasen Ziegen, Schweine und Kühe. Farmer arbeiten auf den Feldern mit ihren Wasserbüffeln. Statt Autos gibt es Motorräder, auf denen ganze Familien sitzen, manchmal mit Seitauslegern, auf denen lebende Hühner, Saatgutsäcke, Möbel und manchmal auch die restlichen Familienmitglieder transportiert werden. Wir begegnen mit Zuckerrohr beladenen Lastern und überladenen Jeepneys. Menschen sitzen auf deren Dächern und manchmal steht auch jemand rauchend hinten auf dem Trittbrett.

Mobile Arztpraxis auf Mindanao

Die Menschen warten sehnsüchtig auf unsere mobile Arztpraxis

Wir durchqueren Flüsse. Es hat in der Nacht stark geregnet und die Furt ist unpassierbar. Nun kommen viele Helfer auf ihren Motorrädern, die Apothekenkisten werden entladen und auf den Motorrädern über die Hängebrücke transportiert. Wir laufen zu Fuß hinterher zum nahegelegenen Dorf, im dem heute unsere Sprechstunde stattfindet. Im Dorf Holzhütten auf Stelzen mit Wellblechdächern. Manche sind mit geflochtenen Bambusmatten verziert und drum herum sind blühende Büsche und Blumen gepflanzt. Wäsche hängt. Die Frauen waschen sie hockend in großen Schüsseln und manchmal im Fluss. Anschließend dann die Kinder. In den Hütten Bambusfußboden und die offene Feuerstelle, auf der gekocht wird, eine Bank und hinter einem Vorhang das Bett für 8-10 Personen.

Provisorisches Sprechzimmer im Freien

Der Basketballkorb

Der Basketballplatz ist Dreh- und Angelpunkt für die Menschen vor Ort.

Das Leben spielt sich draußen ab. Die Kinder spielen im Schlamm, Hunde und Hühner laufen frei herum. Unsere Sprechstunde findet in der Dorfmitte statt, neben dem Basketballplatz unter dem wellblechüberdachen Schober, in dem sonst das getrocknete Getreide in Säcken gelagert wird. Tische und Stühle werden herangebracht. Der Dorfvorsteher spannt Schnüre und die Frauen bringen Gardinen. Flugs ist das „Sprechzimmer“ eingerichtet. Tisch mit bunter Wachstuchdecke und drei Stühle. Der Wind weht die Gardinen hoch, also werden sie mit Plastiksäcken beschwert, in denen Steine gesammelt werden. Die Dispenserin baut ihren Tisch mit den dahinterstehenden Apothekenkisten auf. Alles, was ich verschreibe, wird abgezählt und den Menschen in Plastiksäckchen mitgegeben. Für sie ist das ein Schatz. Nebenwirkungsängste gibt es nicht.

Health Worker unterstützen die Arbeit

Wasserspaß auf Mindanao

Badeort und Waschstelle eines ganzen Dorfes

Aus den umliegenden Dörfern treffen die Health Worker ein, um uns zu unterstützen. Die Hängewaage für die Kinder wird angebracht. Die Menschen kommen von allen Seiten mit ihren Blue Cards in der Hand. Sie werden von den Health Workern gewogen, RR und Fieber werden gemessen und bei den Kindern auch der MUAC.Der Übersetzer holt einen großen Stapel blauer Krankenkarten in das „Sprechzimmer“ und ruft die Patienten auf. „Maáyong búntag“(guten Morgen) begrüßen sie mich. Sie lächeln immer. Die Kinder schauen mich mit ihren großen Kulleraugen an. Wir erfragen die Anamnese „Ubó úsa semana“,  Husten seit einer Woche ist die Antwort. Oft nur ein common cold, häufig spastische Bronchitiden wegen der Rauchbelastung von den offenen Feuern in den Hütten. Manche haben dann aber auch sehr schwere Krankheiten: Stark entzündetet Hautstellen, einzelne Kinder mit Pneumonie, ab und zu auch Kinder mit ein Unterernährung.

Jedes Schicksal hat seine Geschichte

Patientengeschichten gibt es unzählige zu erzählen: Ein 31-jähriger Mann hatte einen Unfall, wurde vor drei Monaten im Krankenhaus versorgt, aber zwei Monate nicht mehr von einem Arzt gesehen. Das Bein steht vor Dreck, unter dem Verband ist eine eiternde Wunde, Osteosynthesematerial liegt frei und sein Knie ist bei 90° kontrakt. Ein 15-jähriges Mädchen hat drei Wochen nach Geburt ihres Kindes rechts mehrere Mammaabscesse, eine 72-jährige Frau hat einen Augentumor, den sie nicht operieren lassen will. Ein 67-jähriger Mann hat eine Lebercirrhose, vermutlich aufgrund von Schistosomiasis. Er hat lange in den Reisfeldern gearbeitet.

Einsatzfahrzeug

Die mobile Arztpraxis im Einsatz

Eine 27-jährige Patientin hat seit neun Jahren Schwellungen an der rechten Halsseite, bislang nie diagnostiziert, ich vermutet eine extrapulmonale Tuberkulose. Kinder mit Diarrhoen werden vorgestellt und immer wieder Scabies. Eine 51-jährige Frau hat seit zwei Wochen Unterschenkelödeme, der Urinstick zeigt eine dicke Proteinurie, ich vermute ein nephrotisches Syndrom liegt dem zugrunde. Viele Kinder haben seit Wochen Ausfluss aus einem der Ohren und ich finde perforierte Trommelfelle. Die Mütter waren mit ihnen in einem der Healthcenter, konnten sich aber die verschriebenen Antibiotika nicht leisten. Bei den German Doctors bekommen sie die Medizin umsonst. Ein 6-jähriges Mädchen ist gerade von einem Baum gefallen und hat eine dislozierte Ellbogenfraktur. Ein 9-jähriges Mädchen wird von einer Health Workerin gebracht. Sie hat eine Ohrmuschelphlegmone. Die Oma hat eine schwarze Kräuterpaste aufgebracht unter der es eitert. Ein Baby hat am Kopf eine Haarfollikulitis. Immer wieder sehe ich völlig desolate Zähne, selbst bei Kleinkindern. Draußen spielen die Kinder. Sie lieben Basketball und in jedem Dorf gibt es einen Betonplatz mit den Basketballkörben. Wenn nicht gerade irgendetwas Geerntetes darauf getrocknet wird, wird er von den Kindern und Hunden erobert. Die Menschen auf den Philippinen lachen immer, sie liebe Farben und singen Karaoke. Trotz allgemeinem Chaos, besonders im Verkehr, gibt es das Wort Stress einfach nicht.

Es war eine wunderbare Zeit

Mindanao Landschaft

Die idyllische Berglandschaft Mindanaos

Fazit: Die mobile Arztpraxis hat mich in Gegenden geführt, die ich als Touristen nie zu Gesicht bekommen hätte. Ich habe eine atemberaubende Landschaft gesehen mit üppigster Vegetation. Ich habe die Armut der Menschen gesehen, ihre tägliche Mühe in der Landwirtschaft. Ich habe die Frauen gesehen, die liebevoll ihre Babys stillen, kochen, waschen ernten und die Lasten der Familie tragen. Manche haben mehr als acht Kinder zu versorgen. Trotzdem jammern und klagen sie nie. Ich habe die Schulen gesehen bunt und freundlich, die Kinder, die gern dorthin gehen und die traurigen Augen der Kinder, die nicht zur Schule dürfen, weil sie zu Hause mitarbeiten müssen, damit die Familie über die Runden kommt. Ich habe die Filipinos in mein Herz geschlossen.

„Salamat“ (Danke) sagten sie am Ende jeder Sprechstunde. Salamat sage ich. Salamt, euch tollen Menschen, Salamat Rolling Clinic-Team, Salamat Health Worker,  Salamat German Doctors!!!