Unsere mobile Klinik bringt Hilfe ins Hinterland

Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Karen Groß aus Mindanao

Mittlerweile bin ich vom anderen Ende der Welt zurück im eiskalten Deutschland, wo sogar warmes Wasser aus der Wand kommt. Sechs Wochen war ich mit den German Doctors unterwegs auf Mindanao. Geplant waren: Die ersten vier Wochen als „Doctor Room Number 4“ im Krankenhaus in Buda, dann auf mobile Klinik-Tour mit der so genannten Rolling Clinic. Durch einen kurzfristigen Ausfall eines Kollegen bin ich nach einer Woche schon bei einer Rolling Clinic eingesprungen und hatte so die Gelegenheit an zwei verschiedenen Touren, im Marilog District und in Arakan, teilzunehmen.

Einsatzbeginn im Krankenhaus

Abhören mit Stethoskop

Diese tapfere Patientin hat keinerlei Angst vor dem Stethoskop oder Dr. Gross

Die Zeit im Krankenhaus war geprägt durch das stets freundliche und gut gelaunte philippinische Schwestern- und Hebammenteam, das durch seine Erfahrung die Unsicherheiten der immer wieder neu ankommenden Ärzte jederzeit aufgefangen hat. Auch die Zusammenarbeit und die gemeinsamen Visiten mit den deutschen Kollegen, der Pädiaterin Sandra und dem Gynäkologen Rüdiger, sowie dem philippinischen Langzeitarzt haben mich bereichert und gut auf die Rolling Clinic vorbereitet. Bei Krisensituationen in den Diensten, vor allem bei Komplikationen mit den vielen unterernährten Kindern, die manchmal trotz allem nicht mehr zu retten waren, hat jeder geholfen.

Landschaft Mindanao

Wunderschöner Ausblick auf die grünen Berge Mindanaos

Ein Besuch im SPMC, der großen Klinik in Davao, wohin Patienten verlegt wurden, zeigte uns, dass dort die medizinische Ausrüstung durchaus unserem westlichen Standard entsprach. Dafür war es im Vergleich zum CHCC Buda eine riesige Klinik: Während im Krankenhaus mit seinem Emergency Room doch noch ziemliche viele diagnostische (Labor, Ultraschall) und therapeutische Möglichkeiten offen standen, waren die Ausrüstung und die Möglichkeiten auf der Rolling Clinic deutlich eingeschränkt. Das Team bestand aus einem Fahrer (Mädchen für alles, Mechaniker, Patienten-Aufnahme), einer Apothekenhelferin/Dispenser (Schwester oder Hebamme, die die Medikamente ausgegeben und die Patienten diesbezüglich angeleitet hat) sowie einem Übersetzer und dem Arzt.

Kinder auf Mindanao

Die vielen Kinder sorgen für reichlich Action

Mobile Klinik: Unterwegs um zu helfen

Unterwegs waren wir in einem Allrad-Pickup. Als Ausrüstung hatten wir einige Boxen Medikamente, einen Notfallkoffer mit Nahtmaterial und Infusionslösungen sowie Stethoskop, Ohrenspiegel, Urinstix und einige wenige Blutzuckerteststreifen dabei. Selbst die Medikamente auf unserer Liste sind manchmal ausgegangen oder Dauermedikamente mussten wegen kurzfristiger Nichtverfügbarkeit ersetzt werden. Die Möglichkeit mit der Rolling Clinic unterwegs zu sein, war etwas ganz Besonderes für mich. Wir haben Dörfer in den Bergen aufgesucht, in die man sonst nur zu Fuß, auf dem Wasserbüffel oder manchmal noch mit dem Motorrad kommt. Die Insel Mindanao ist bergig und sehr grün. Vor der Abholzung war hier überall Regenwald. Auch jetzt erscheint es einem noch wie ein Paradies, in dem alles grün ist und alles das ganze Jahr über wächst. Bananen, Mangos, die dort beliebte Durian, Pomelos, Kokosnüsse.

Sprechzimmer Mindanao

Ein provisorisches Sprechzimmer auf Mindanao

Kein Wasser, kein Strom

In den Bergen leben vor allem Menschen mit indigenen Wurzeln (tribal people) unter noch sehr einfachen Bedingungen. Sie haben Bambus- oder Holzhütten mit geflochtenen Wänden und z.T. Lehmboden. Gekocht wird immer über offenem Feuer. Strom, fließendes Wasser oder gar Handyempfang sind keine Selbstverständlichkeit. Trotz des fruchtbaren Landes fehlt es hier häufig an dem Nötigsten und Mütter wissen nicht, wie sie ihre Kinder vernünftig und ausreichend ernähren sollen. Die Wasserproblematik ist mir vor allem auf der zweiten Tour aufgefallen, weil wir unterwegs in Health Centern übernachtet haben, die zwar immer einen sogenannten „Comfort Room“ mit Toilette hatten, aber das Wasser doch meist draußen geholt werden musste. Häufig gab es nur eine Stelle im Ort, wo es fließendes, sauberes Wasser gab. Dort haben alle ihr Wasser geholt, ihre Wäsche gewaschen und manchmal sogar geduscht. Ich war froh darüber, mein Wasser in den Comfort Room tragen zu können und als Elefantendusche über mich zu gießen. Bei der Wärme und hohen Luftfeuchtigkeit haben das alle jeden Tag gemacht.

Am schlechtesten war die Situation in einem Ort mit dem Namen Lake Sagan. Dort gab es leider trotz des vielversprechenden Namens keinen See, und die Bewohner mussten einen langen, häufig schlammigen Weg auf sich nehmen, um aus einer Quelle in den Bananenplantagen, ihr Wasser zu holen. Ein anderes Zeichen der Armut auf den Dörfern waren die Schuhe bzw. die fehlenden Schuhe. Je weiter man vom Highway in die Berge kam, desto einfacher wurde das Schuhwerk. In den ganz armen Gegenden ging man barfuß, manche hatten dann Flipflops, was sich bis zu Turnschuhen in reicheren Bereichen von Davao steigerte. Während der Sprechstunde auf der Rolling Clinic, die häufig in Health Centern, ansonsten im Haus des Barangay Captain (gewählter Vorsitzender des Ortes) oder auch einmal in einer Kirche stattfand, habe ich sehr viele unterschiedliche Patienten gesehen.

Lebensbedingungen auf Mindanao

Das etwas andere Fortbewegungsmittel

Da das Thema Familienplanung in den Bergen noch sehr unzureichend bekannt ist, gibt es sehr, sehr viele Kinder. Natürlich werden deshalb hauptsächlich Babys und Kinder in die Sprechstunde gebracht. Mein Übersetzer half mir bei der Anamnese, aber die wichtigsten Symptome kannte ich dann auch schon auf Visayan, dem Dialekt, der von den meisten auf Mindanao gesprochen wird. Bei allen Kindern zwischen 6 Monaten und 5 Jahren wird der Oberarmumfang (MUAC) gemessen und das Gewicht auf der „Road to Health Chart“ eingetragen, damit keine unterernährten Kinder übersehen werden. Denn eine Lungenentzündung oder ein Durchfall kann für diese Kinder tödlich sein…

Auf der Rolling Clinic werden aber auch chronisch kranke Patienten betreut und mit Medikamenten versorgt. So kamen zum Beispiel Hochdruckpatienten mit ihrem „BP-Monitoring“. Das ist ein kleines Notizbuch oder Schulheft mit gemessenen Blutdruckwerten. Diese Therapiekontrolle freute mich als Internistin. Die Patienten müssen dazu das örtliche Health Center aufsuchen und dort misst die Hebamme oder ein Health Worker den Blutdruck.

Gesundheitshelfer als wichtiges Bindeglied

Health Worker auf Mindanao

Die einheimischen Health Worker stehen unseren Einsatzärzten zur Seite

Die örtlichen Health Center haben für die Gesundheitsfürsorge eine enorm wichtige Rolle. Die Menschen, die dort und im Dorf arbeiten, insbesondere auch die von den German Doctors im PHC Programm ausgebildeten und zertifizierten Barangay Health Worker (hellblaues T-Shirt und mit dem BHW-Kit ausgestattet), kennen die Patienten, ihre Familien und sind immer als Ansprechpartner da. Sie stellen unter anderem auch pflanzliche Medikamente wie den Hustensaft Lagundi her. Da die Rolling Clinic bestenfalls alle sechs Wochen durch den Ort kommt, ist die Arbeit der Health Worker sehr wichtig und erhöht die Nachhaltigkeit.

Patientin auf Mindanao

Trotz schwieriger Umstände immer ein Lächelnauf den Lippen

Trotz der wenigen Ausrüstung, kann die mobile Klinik vielen weiterhelfen, aber manchmal ist die Sprachbarriere einfach zu hoch. Eine gute Anamnese zu erheben ist über den Umweg Englisch schwierig. Besonders eindrücklich ist mir eine 20-jährige Patientin in Erinnerung geblieben, die vor kurzem ihr zweites Kind bekommen hatte. Sie hatte sich völlig in sich verkrochen, aß kaum noch, sprach nicht, konnte ihr Baby nicht versorgen. Sie war sogar schon in der Klinik gewesen und hatte ein CT des Kopfes bekommen. Am ehesten sah es nach einer Kindbettdepression aus, aber weder war das irgendwie vermittelbar, noch hatten wir ein geeignetes Medikament. Immerhin sind die Menschen gut in ihrer Familie und Dorfgemeinschaft eingebunden, die Mutter der Patientin konnte einspringen und die Kinder versorgen.

Eine bereichernde Erfahrung

Eindrucksvoll war die Zufriedenheit, Geduld und Gelassenheit der Menschen auf den Dörfern trotz ihres so einfachen Lebens. Als German Doctor war man überall willkommen und gerne gesehen. Nur die Kinder waren immer ernst, teils vielleicht aus Zurückhaltung, vielleicht aber auch, weil das Leben am anderen Ende der Welt nur aussieht wie das Paradies. In Wirklichkeit aber ist es von bei uns unvorstellbarer Armut geprägt ist, obwohl es jeden Tag regnet und das Land so fruchtbar ist.

Einheimische warten auf die mobile Klinik

Warten auf die mobile Klinik der German Doctors

Die trotz der schwierigen Umstände gute Organisation der Rolling Clinic hat mich sehr beeindruckt. Ich habe viel gelernt über Krankheiten, die man so in Deutschland nicht oder nicht mehr sieht. Obwohl es körperlich und psychisch anstrengend war, die Verhältnisse einfach und das Essen sehr reis- und bananenlastig, werde ich viele gute und bunte Erinnerungen an die mobile Klinik auf den Philippinen behalten.