Nach Bangladesch reisen, um zu helfen

Als Ärztin in Chittagong: Einsatztagebuch Teil 1

Was soll ich sagen – die Eindrücke sind wirklich überwältigend. Und für alle, die sowas noch nicht gemacht haben: Es ist schon spannend (und übrigens bis jetzt auch wirklich nicht gefährlich), wenn man sich im Oman auf der Suche nach dem richtigen Gate langsam von den Mitreisenden aus München entfernt, beim Umsteigen das letzte wohlvertraute ‚oleck‘ von Oberpfälzern in Urlaubsstimmung hört, um dann doch bei Gate 1 den Flieger nach Chittagong zu finden. Ich habe mich dann etwas unsicher in die Schlange von vorwiegend männlichen Bangladeschis eingereiht und wurde zunächst skeptisch vom Bordpersonal beäugt: Will diese Frau wirklich alleine nach Bangladesch reisen?

Nach Bangladesch reisen, um zu helfen

Was für ein Wọnneproppen!

Nach der Sichtung meines Boarding Passes wurde ich aber sofort freundlich angelächelt und in den Wartebereich gebeten. Und spätestens seit diesem Zeitpunkt falle ich nun so richtig auf: Am Zoll in Bangladesch gab es fünf Schalter, überall viele Menschen – und an dem ‚foreign passports‘-Schalter war niemand, nach mir noch ein ‚weißer Mann’… 🙂 Die Formalitäten geschahen problemlos, und so stand ich fünf Minuten später vor dem Flughafen, vor gefühlt 1000 Bangladeschis. Erfreulicherweise hat mich dort der Manager des German Doctors-Projekt – Mr. Brayan – sofort erspäht, herzlich empfangen, ein CNG-Dreiradtaxi organisiert  (compressed natural gas – stinkt nicht!!) und mich zu dem Father Boudreaus Medical Center geleitet.

Ankunft im Projekt

Das Projekt ist, soweit ich das heute nach meinem ersten Arbeitstag beurteilen kann, wirklich toll und effizient organisiert. Natürlich herrscht ein Pragmatismus – es gibt keine Zeit zum verzetteln. Ich weiß nicht wie, aber ich habe an meinem ersten Tag heute zusammen mit dem Übersetzer (macht den Job seit 13 Jahren) 54 Patienten behandelt. Alles wird ordentlich dokumentiert, die Patienten werden registriert und Behandlungsstatistiken erhoben. Das Medical Center for the Poorest of the Poor (MCPP) gibt es seit 2000. Die Räumlichkeiten im Father Boudreaus Medical Center (Ambulanz der Caritas, dort ist ein Labor, Röntgen, und Bangladeschi-Ärzte die gegen Bezahlung arbeiten) untergebracht. Unsere Patienten leben in den umgebenden Slums von Chittagong. Es gibt Sozialarbeiterinnen, die die Slums regelmäßig besuchen und den in ihren Augen bedürftigen und kranken Menschen eine ‚Eintrittskarte‘ für das MCPP geben. Diese können sich dann vorstellen – könnte jeder kommen würde das System glaube ich dekompensieren.

Ambulanz in Chittagong

Als Ärztin nach Bangladesch reisen und für sechs Wochen den Arbeitsplatz tauschen

Und schon geht die Arbeit los

Zuerst wird jeder an der Rezeption aufgenommen. Jeder neue Patient erhält ein Büchlein – seine Krankenakte – die er/sie dann immer bei sich trägt. Bei jedem neuen Besuch wird dann fortlaufend dokumentiert, jedes Mal wird Blutdruck, Gewicht, Temperatur gemessen; bei Kindern auch die Größe mit Eintrag in eine Perzentilenkurve bis zum 6. Lebensjahr. Alle Patienten sind um 8.30 Uhr da und warten dann im Wartezimmer mit Papiernummernkärtchen (natürlich jeden Tag die gleichen, die werden nicht weggeschmissen sondern bei Arztkontakt eingesammelt) bis sie dran sind. Dann kurze Anamnese und Untersuchung und dann geht es entweder über unseren Apotheker nach Hause oder in den Eingriffsraum oder zum Röntgen oder auch ins Krankenhaus zu anderen Fachärzten.

Viele, viele Kinder

Es sind ganz schön viele Kinder dabei. Ich habe das Gefühl, dass sich ein gewisser Blick für die klassischen Probleme wie Anämie, Unterernährung usw. schon einstellt (hoffentlich!!). Ich habe heute unglaublich viel Albendazol verordnet. Das bekommt hier jeder alle sechs Monate sozusagen prophylaktisch zum ‚Entwurmen‘. Die Schwangeren bekommen auch extra Karten, Schwangerenvorsorge gibt es erst ab dem vierten Monat, davor erfolgen so viele Abtreibungen oder Abgänge, ‚dass es sich nicht lohnt‘. Dann gehört zum 4.-Monat-Paket aber Hb, Blutzucker, Blutgruppe, Rh-Faktor, VDRL-Test auf Syphillis und eine Tetanusimpfung. Außerdem natürlich intensive Beratung.

Soviel zum ersten Arbeitstag. Es gibt natürlich unglaublich viel mehr zu erzählen! Ich werde bald wieder aus Chittagong berichten…