Wiederholungstäter – warum?

Ein Bericht von Einsatzärztin Dr. Christel Hiller aus Nairobi

Nun war es also wieder einmal so weit, mein dritter Einsatz mit den German Doctors stand bevor. Für diese 6 Wochen hatte ich im Einverständnis mit meinen zwei Arbeitgebern in Deutschland viele Überstunden angesammelt, die ich mit dem Einsatz ausgleichen konnte. Obwohl mir im Grunde nichts neu war, spürte ich auch diesmal den großen Unterschied zwischen unserem europäischen Sozialstaat und den Zuständen in einem afrikanischen Schwellenland.

Medizinische Versorgung sicherstellen

Die größten Probleme in Kenia stellen die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen arm und reich, fehlende Chancengleichheit und vor allem der fehlende Zugang zu medizinischer Versorgung dar. Es gibt in diesem Land keine für alle zur Verfügung stehende Krankenversicherung. An diesen Umständen wird sich vermutlich auch in den kommenden Jahren nichts ändern. Nach meinem Empfinden sind deshalb Einsätze mit den German Doctors notwendig, um auch die Ärmsten und Mittellosen medizinisch adäquat zu versorgen. Natürlich sehe ich hier andere Krankheitsbilder und auch oft schwerere Ausprägungen von Erkrankungen. Die Behandlungsstrategien unterscheiden sich, deutsche Leitlinien haben nur beschränkte Geltung.

Was also sehe ich als Chirurgin? Zuerst einmal viele Knochenbrüche, überwiegend bei Kindern. Daneben Brüche von Unterarmen und Beinen bei Erwachsenen, die nicht selten als Folge von Überfällen und Schlägen mit Holzknüppeln oder Metallstangen entstehen. Zum Zweiten sind es Verbrennungen und Verbrühungen; es vergeht keine Woche ohne mindestens 2-3 neue Fälle. Die meisten dieser Patienten sind Kinder, das jüngste in meinem diesjährigen Einsatz war 14 Monate alt. Glücklicherweise sind wir hier zumindest in der Lage, hier Verbandswechsel in Narkose vorzunehmen. In Deutschland würden nicht wenige unserer Patienten primär in einem Verbrennungszentrum behandelt werden.

Freude bei der Arbeit

Dazu kommen als dritte Gruppe die Patienten mit septischen Erkrankungen: viele stillende Mütter mit Brust-Abszessen; Hohlhand- und Beugesehnenabszesse nach Minimalverletzungen, die eben nicht adäquat versorgt wurden. Ebenso Patienten mit ausgeprägten Knocheninfekten. Wie auch bei uns in Deutschland stellen sich viele Patienten mit Rückenbeschwerden, Verschleiß von Gelenken oder mit offenen Beinen bei Venenleiden vor, denen wir medikamentös bzw. durch entsprechende Wundversorgung helfen können. All diesen Menschen können wir weitgehend eine gute Basisversorgung anbieten, die sie andernorts nicht erhalten. Natürlich begegnet man auch hoffnungslosen Fällen mit fehlender Behandlungsmöglichkeit, die wütend machen. Den Großteil meiner Patienten kann ich jedoch als „geheilt“ entlassen. Neben den manchmal belastenden Situationen gibt es oft viel Freude und sogar Spaß  bei der Arbeit – mit den Patienten, den kenianischen Mitarbeitern und den deutschen/Schweizer Kollegen, die bei mir eine innere Zufriedenheit bewirken.

Ein gutes Argument, wiederzukommen.