Den Rest fressen die Hunde

Teil 6 des Berichts von Einsatzärztin Dr. Barbara Müllerleile aus Mindoro

Guckuck! Neugierige Blicke beobachten die Arbeit ganz genau

Heute ist mein letzter Tag der zweiten Rolling Clinic. Ich bin ein bisschen erschöpft. Wir fahren wieder in die Berge in ein Mangyan Dorf. Hier ist es für hiesige Verhältnisse sauber und zum Teil regelrecht gepflegt. Es gibt zwei öffentliche Toiletten, die auch benutzt werden und drei öffentliche Wasserstellen. Die Leute sind sauber gewaschen. Es gibt sogar Gärten.

Ich sehe 34 Patienten. Meist chronisch Kranke mit Hypertonus, Kinder mit Husten und Durchfall. Eine Mangyanfrau kommt von weit her aus den Bergen. Sie hat eine Verletzung am Fuß aber keine Schuhe, da ist improvisieren angesagt. Alle sind froh, dass es Wochenende ist. Ich fahre später mit dem Van nach Pinamalaya, um Norbert zu treffen. Morgen geht es ab auf eine wenig touristisch erschlossene Insel.

Guckuck! Viele interessierte Zuschauer versammeln sich regelmäßig, um die Behandlungen zu beobachten

Hotel mit improvisierter Alarmanlage

Tja, suprise, suprise, nach dem Mittagessen gibt Rolando mir ein Päckchen, mit Grüßen von seiner Frau. Sie hat mir einen hellblauen Arbeitsanzug genäht. Ich bin sprachlos. Dann kommt Nena und bringt mir zwei Perlenarmbänder, in die ist mein Name eingewebt. Ich bin richtig gerührt. Nena nimmt mir immer alles aus der Hand, egal ob es mein leerer Teller ist, oder meine schmutzig Wäsche. Sie richtet mein Frühstück, macht mein Bett und kümmert sich liebevoll. Wenn ihr dreijähriger Sohn erwachsen ist, kommt sie nach Deutschland um für mich zu sorgen sagt sie, weil ich dann alt bin. Gestern bin ich nach der Rolling Clinic mit dem Van nach Pinamalayen gefahren. Drei Stunden mit 19 Leuten in einer Art VW Bus über 70km. Das Hotel hatte ich telefonisch gebucht, ohne Aircondition. Oh je, zuerst sollte ich in ein verschimmeltes Zimmer. Das zweite Zimmer war dafür schmuddelig, aber sonst ok. Weil ich Geld brauchte, bin ich im Dunkeln noch in die Stadt zum Bankautomaten gelaufen. Ich habe mich in keinem Moment unsicher gefühlt. Im Hotel gab es keine Möglichkeit, die Tür von innen zu verschließen, das hat mich genervt. Ich habe eine Alarmanlage aus Stuhl und Ventilator gebaut. Gott sei Dank kam aber niemand. Heute früh um 7.00 Uhr mit dem Schiff nach Marinduque gefahren. Vor mir eine Familie mit drei sehr korpulenten Mädchen. Die Mutter sieht ähnlich aus.

Eine Schifffahrt, die ist lustig…

Es ist interessant vom Pier ins Zubringerboot und dann aufs Schiff zu kommen ohne ins Wasser zu fallen. Die füllige Mutter füttert ihre Kinder, etwa 5-10 Jahre alt, mit Schokolade, Gummi Süßigkeiten, Chips und Bonbons und sie essen unentwegt. Witzig ist, dass alle die, die auf der linken Seite sitzen Schwimmwesten kriegen. Ich sitze rechts! Als das Schiff auf offene Meer kommt gibt es Dünung. Ich verlasse meinen Platz fluchtartig, denn ich weiß was kommt. Gerade rechtzeitig ehe die Kinder anfangen sich zu übergeben. Nach vier Stunden erneut Abenteuer, vom Schiff auf Zubringerboot. Man muss zwei Meter hinunterspringen und das mit einem schweren Rucksack. Augen zu und durch. Mein Sprung wird durch zwei Männer abgefedert, zum Glück. Die Mädchen wollen nicht springen. Da werden sie von oben heruntergelassen und unten auf aufgefangen. Am Strand muss man drei Meter durchs Wasser waten, ich will aber nicht. Da packen mich zwei kleine, aber sehr kräftige philippinische Männer und tragen mich an den Strand.

Und los geht´s, auf zur Rolling Clinic Tour!

Heute früh wurde ich um 8.00 Uhr von meinem Team und dem Zahnarzt in Socoro abgeholt. Es ging sieben Mal durch einen Fluss bis wir wieder in dem Dorf waren, in dem meine Rolling Clinic vor vier Wochen angefangen hat. Heute war das Militär da, bis an die Zähne bewaffnet. Der Zahnarzt und ich teilen uns das luftige Sprechzimmer mit einem Vorhang in zwei Teile. Jetzt können sich die Zuschauer überlegen, wo sie lieber zugucken wollen. Ich sehe nicht, was der Zahnarzt macht, außer ich stelle mich auf Zehenspitzen. Heute bin ich gegen 13.00 Uhr fertig und habe 27 Patienten gesehen. Der Zahnarzt zieht noch Zähne. Als ich ihm assistiere mit meiner feinen Taschenlampe ist er sehr froh über so viel Licht. Er arbeitet sehr effektiv. Fünf Mal Spritze zur Betäubung, 20 Min warten, Zähne ziehen, zum Teil schwarze Stummel, die sehr klein sind. Er kriegt alles raus. Dann wieder Lokalanästhesie, wieder warten, wieder rausziehen. Ich habe ihn gefragt, ob ich ihm eine Kette aus den gezogenen Zähnen machen soll, aber er will keine kariösen Zähne um den Hals. Zum Schluss hat er Jacky noch einen Weisheitszahn gezogen. Auf dem Rückweg habe ich nochmal 500 Zahnbürsten, Zahnpasta und Seifen gekauft. Jetzt bin ich erschöpft und gehe ins Bett.

Spartanisch, aber nett

Nena hat dem Zahnarzt und mir zwei Betten hergerichtet. Rolando, Rachel, Jacky, Elgin und Nena sollen sich irgendwie vier Betten teilen.  Das finde ich nicht gut. Hans, der Zahnarzt hat ein Schlafapnoegerät, das muss an den Strom. Ich gebe ihm mein Bett. Rolando bleibt in seinem Bett. Jetzt haben wir noch zwei Stockbetten, also vier Betten zu verteilen. Niemand will nach oben, also gehe ich. Die Anderen legen sich unten in die Stockbetten. Nena und Elgin schlafen auf dem Boden. Es ist hier echt spartanisch, aber sehr nett. Die Ventilatoren brummen und die Geckos flitzen über die Wände. Um 4.00 Uhr steht Nena auf und macht Frühstück. Gebratener Fisch, Reis und Gemüse. Ich steh um 6.00 Uhr auf, da sind die Anderen schon fertig mit frühstücken. Nena kocht gerade das Mittagessen. Gebratenes Hühnchen mit Mungbohnen Kartoffeln mit Ingwer und Reis. Ich esse zwei Spiegeleier mit drei Toastbroten, eine große Tasse Tee mit Kalamanze (kleine, zitronenartige Früchte) und eine kleine Tasse Kaffee. Dann geht es los ins Gebirge. Hier war ich schon mal, weit oben. Der Weg verläuft lange oben am Kamm.

Rolando, unser Helfer in allen Lebenslagen

Meine Sprechstunde läuft gut an. Zuerst erbricht sich ein Kind schwallartig in meinen schon dreckigen Raum, ich finde keinen Putzlumpen und alle laufen durch. Es stinkt nach saurem Erbrochenem, pfui Teufel! Doch die Hunde fressen hier alles und das Problem ist behoben. Aber das nächste Malheur lässt nicht auf sich warten. Eine junge  Frau kommt mit ihrem Baby. Das Kind hat Husten und Schnupfen. Es wiegt 7 kg und ich denke es ist etwa acht Monate alt, dabei ist es bereits 18 Monate alt. Ich nehme es der Mutter zum Untersuche und es pieselt mich richtig voll. Klasse. Nur gut, dass es schnell trocknet. Die Mutter kommt zum Entwurmen und will Albendazole verschrieben haben. Als ich sie angucke, sehe ich, dass sie hochschwanger ist. Sie will es nicht glauben. Ich eigentlich auch nicht. Sie hat kein Geld für Essen für sich und das Kind, wiegt hochschwanger keine 40 kg und guckt mich fragend an. Ich gebe ihr Milchsupply und Nutrimix. Hoffentlich hilft es Ihnen. Dann kommt eine junge Frau, hat 10kg Gewicht verloren, hustet seit sechs Wochen, hat immer wieder nachts Fieber. Das sieht nach Tuberkulose aus. Ich schicke sie und ihre Familie zum Tuberkulose-Doctor. Nur 28 Patienten und wir sind fertig Nach dem Essen fahren wir zurück nach Socoro. Morgen und übermorgen haben wir frei. Holy week.