Hilfe für Frauen und Kinder in Bangladesch

Als Ärztin in Chittagong: Einsatztagebuch Teil 5

Hilfe für Frauen in Bangladesch

Unsere Hilfe für Frauen in Bangladesch findet direkt im Slum statt

Hilfe für Frauen ist in Bangladesch besonders wichtig, wie zahlreiche Beispiele aus meiner Arbeit als Ärztin zeigen: Eine junge Erstgebärende klagt bei der Erstvorstellung bei mir über die Folgen ihres Kaiserschnitts, ein Grund weshalb eine Krankenhausbehandlung hier häufig abgelehnt wird. Deswegen wird natürlich nachgefragt – die Geburt liegt ja nur 17 Tage zurück. Ich bin etwas besorgt über das Verhalten der Patientin und bestehe darauf, sie zu untersuchen. Vielleicht ist die Wunde ja total versaut und sie schämt sich? Etwas peinlich berührt zieht die Patientin schließlich ihre Kleidung hoch. Und hat gar keine Wunde – ich habe wirklich überall geschaut!!! Der Übersetzer wird wütend und ich frage mich, was da los ist. Hat sie mich verarscht? Warum soll sie das tun? Oder ist sie wirklich so ungebildet und wusste gar nicht wie ihr geschah bei der Geburt? Hat sie den Dammschnitt für den Kaiserschnitt gehalten? Was weiß sie denn dann überhaupt? Weiß sie denn überhaupt wie sie schwanger geworden ist? Ich fasse mir ein Herz und male einen schwangeren Frauenkörper mit verschiedenen Pfeilen, gestikuliere wild und rede in meinem Ein-Wort-Englisch auf die Dame ein, was mein Übersetzer nur mit einem ‚Forget about it‘ abtut. Aber wenn es ihr bis jetzt niemand erklärt hat, sehe ich mich da schon in der Pflicht. So kompliziert ist es jetzt auch wieder nicht. Die Frau hatte es so verstanden, dass man im Krankenhaus entweder eine normale oder eine spezielle C-Section bekommt. Eine vaginale Geburt ist dann die normale und der Kaiserschnitt die spezielle C-Section. Aber meine Erklärung ist wohl bei ihr angekommen und ihr ist nun hoffentlich bewusst, dass eigentlich nur ein Bauchschnitt eine richtige C-Section ist. Okay – alle Frauen in Bangladesch bekommen im Krankenhaus eine vermeintliche C-Section. Jetzt habe ich es endlich auch verstanden…

Die Hilfe für Frauen und ihre Kinder ist besonders wichtig

Junge Mutter in Chittagong

Eine junge Mutter mit ihrem kleinen Säugling

Zur abdominellen Untersuchung noch ein Wort: Das man den Bauch wirklich anschaut ist alles andere als selbstverständlich oder unkompliziert – und für meine männlichen Kollegen bestimmt eine Rarität! Gewöhnlich tastet man sich um geknotete Hose, Lederbändchen mit kleinen Blechdosen oder leeren Patronenhülsen mit Sprüchen, Sari, Sariknoten und natürlich Smartphone – irgendwo mit eingenäht – herum. Es will bestimmt auch keiner wissen, wie meine Hände nach der Sprechstunde aussehen: Als Händedesinfektion gibt es Chlorhexidin, das zusammen macht einen richtig schönen Film… Aber nachdem ich inzwischen weiß, wie ich nach einer Stunde Stadtspaziergang aussehe, verstehe ich, dass die Leute nichts dafür können und dass es da ohne Weiteres keine Lösung gibt. Zu unserer Hilfe für Frauen gehört auch ein anderer Kasus, von dem ich nicht weiß, wie oft er sich so hier wiederholt. Mein Kollege hat die identische Geschichte aber auch schon so erzählt bekommen: Eine nette 35-jährige Dame mit Kind stellt sich vor. Erst behandeln wir natürlich wie immer das Kind. Dann geht es um die Mutter, sie hat ‚cough‘. Ich frage und schreibe und untersuche und rezeptiere. Und dann hat sie doch noch vaginalen Ausfluss und Schmerzen und so. Ach ja. „Wie lang?“ – „4 Wochen“ – „Und der Mann auch?“ – „Ja“. Das Problem ist dann ohne Weinen oder mit der Wimper zu zucken schnell vorgetragen: Ihr Mann hat noch eine andere Frau, sie darf sich ihm aber nicht verwehren, da sie sonst bestraft wird und natürlich alle betroffen sind. Der Mann wäre aber auch sauer, wenn ich jetzt für ihn Medikamente mitgäbe und er würde sie ohnehin nicht nehmen. Wie gemein, oder?

Abtreibungen sind hier illegal

In die Reihe gesellt sich dann auch ein 13-jähriges Mädchen. Vielleicht stimmt das Alter auch nicht ganz genau, aber viel älter war sie bestimmt nicht: Mit Säugling. „Wie das?“ – meine etwas empathiefreie Frage; was weiß denn ich, vielleicht ist es ja doch ein Wunschkind, will mich ja hier nicht in die kulturellen Gepflogenheiten einmischen, bin ja nicht das Maß aller Dinge. Der Übersetzer fragt und überlegt, und sagt dann schließlich leise „Oh I remember! Due to abuse!“ – ohne Worte. Abtreibung ist hier illegal und findet wohl eher heimlich bzw. mit irgendwelchen Pillen statt. Die Folgen kann man ja dann im Krankenhaus behandeln, wenn man sich als Analphabet und beschämt überhaupt hintraut. Die Patientin ist schon zur Tür draußen, da fällt mir ein „Mist, wir haben die Banane vergessen!“. Alle Kinder bekommen eine Banane geschenkt, und die arme Maus hab auch ich dank ihrem Baby in die Erwachsenenrolle gesteckt; wie doof, oder? Ich hab sie erwischt und sie hat die Banane noch bekommen. Puh, wenigstens das – mehr fällt mir dazu auch nicht mehr ein. Dass die Hilfe für Frauen in meinem Bericht gerade überrepräsentiert ist, soll bitte nicht feministisch rüberkommen und falsch verstanden werden, es hat mehrere Gründe: Erstens gehen die Männer lieber zu meinem Kollegen und die Frauen zu mir, zweitens kommen die Männer auch eher mit ‚richtigen‘ Krankheiten (viel COPD oder Unfälle) und weniger mit einem komplexen Gefüge sozialer Probleme wie oben angerissen, drittens sind es irre viel Kinder, die auch meist von der Mutter gebracht werden, die dann bei mir landen und viertens gehen viele Männer arbeiten und haben nur am Freitag – dem Feiertag – Zeit, sich vorzustellen.

Die Situation bessert sich – aber sehr langsam…

Chittagong Mütter

„Schau mal, eine Kamera!“

Ich denke, dass sich die Situation hier durch die Arbeit der German Doctors in den letzten zwei Jahrzehnten bereits deutlich gebessert hat; auch gerade was die Hilfe für Frauen betrifft. Präventivmaßnahmen wie das Feeding-Programm und Aufklärung/Ausbildung sind hier gesamtgesellschaftlich gesehen bestimmt noch wichtiger wie die medizinische Versorgung von gelegentlich auftretenden Krankheiten. Man bekommt auch den Eindruck, dass die Gesellschaft einfach nicht so viel Wert auf das Individuum legt – sowohl sein Beitrag für die Gesellschaft als auch sein Wohlergehen ist nach meinem Empfinden anders als in Deutschland bewertet. Jedenfalls hat die Versorgung der letzten Jahre aktuell dazu geführt, dass z. B. der Hämoglobinwert (roter Blutfarbstoff) bei allen meinen Patienten, bei denen ich ihn bestimmt habe, eigentlich immer gut ist (über 10 g/dl); mit weiterer Substitution von Folsäure und Eisen kann dieser Zustand beibehalten werden und damit hat diese Generation schon deutlich bessere Karten. Was fehlt ist Bildung. Nach Schätzungen unserer lokalen Mitarbeite können nur ca. 20% unserer Patienten lesen und schreiben, etwa 30% der Kinder gehen in die Schule. Wenn man aber gar nicht weiß was einem entgeht, kann ich es schon nachvollziehen, dass es als Analphabet möglicherweise schwierig ist die Motivation zum lesen und schreiben lernen aufzubringen bzw. es seinen Kindern nahezulegen.

Die Bevölkerungsexplosion scheint gestoppt

Verhütung ist ein Thema, viele Frauen nutzen diese und selbst im Slum hat man inzwischen selten mehr als vier Kinder – die Bevölkerungsexplosion scheint gestoppt. Neulich hab ich eine riesige Reklame für die Pille in der Zeitung gesehen. Viele wissen auch den ersten Tag der letzten Regel. Ich finde das z. T. schon erstaunlich und bin hier natürlich als Schmalspur-Hobby-Gynäkologe über jede Information dankbar. Also es tut sich was – die Hilfe für Frauen kommt langsam aber sicher an. In Dhaka haben sie letzte Woche öffentliche Mülleimer aufgestellt. Es wird viel gebaut. Es gibt Gewerkschaften, die sich zunehmend für die Näherinnen in den Fabriken einsetzen. Und letztendlich ist es natürlich die Entscheidung der Menschen hier, in welcher Gesellschaftsform sie leben möchten und welche Angebote von außen sie nutzen wollen – es ist nicht meine Aufgabe das zu bewerten. Abschließend noch ein paar Erläuterungen zum Straßenbild: Es ist echt brutal dreckig. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass Luft so dreckig sein kann. Würde ich hier statt sechs Wochen sechs Monate bleiben, hätte ich bestimmt auch COPD. Man könnte jeden Tag die Klamotten waschen, von Hand natürlich. Eine Waschmaschine hat bestimmt kaum einer – eher ein Hausmädchen zum waschen; Arbeitskraft ist so billig. Ein paar Parallelen zu den Geschichten aus dem Mittelalter bei uns finden sich schon. Es ist z.B. üblicherweise so, dass es Fahrradzubehör nur in der einen Straße/dem einen Viertel gibt. Und da sind dann 30 Radl-Dantler. Für Melonen muss man dann wieder woanders hin und im Copyshop-Viertel steht dann in jedem Lädchen ein altes Kopiergerät und man bekommt Abzüge.

Männer auf Boot

Die jungen Männer nach dem (hoffentlich erfolgreichen) Fischfang

Faszinierend ist auch, dass scheinbar wirklich alles repariert wird. Die bauen z.B. Motoren auseinander und reparieren die Kolben. Auf dem Kleiderbazar ist gewöhnlich in dem Zelt-Stand ein erster Stock, wo dann einer sitzt und näht. Der Fischmarkt: Ein Gewühle aus Fischen und Männern, beide unterschiedlichen Alters, erstere auch getrocknet. Die Männer sind mehrere Tage auf See und kommen dann mit diversem Getier wieder, von Krabbe bis Hai ist echt alles zu sehen. Die Rikschas sind toll bestickt und hübsch, es gibt analoge und elektrische Klingeln, eher nur neue Autos, z. T. auch mit Spezialhupen, außerdem diverse Busse oder solche die es mal waren. Mein Kollege hat es so treffend formuliert: „So ein Bus hier, da kann ja alles kaputt sein und der fährt rum – außer die Hupe. Ohne Hupe würde ein Bus hier niemals losfahren!“