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Kalkutta: Projekt­ende und neue Perspektiven

Wir beenden zu Ende März 2023 die Kooperation mit unserem langjährigen Partner Howrah South Point (HSP). Über die Entscheidung und die Gründe, die dazu führten, haben wir im April 2022 berichtet, die wichtigsten seien hier noch einmal genannt: fehlender Kindesschutz, eine mangelnde Identifikation mit unserer medizinischen Arbeit bis hin zu einem Verbot von Familienplanung / Kontrazeption in unseren Projekten sowie eine intransparente Finanzadministration trotz langjähriger Anmahnung unsererseits. Wir haben das Kooperationsende mit einem Jahr Vorlauf angekündigt, damit alle Beteiligten sich darauf vorbereiten und die Mitarbeitenden neue Anstellungen finden können.

Armut in der ländlichen Region um Kalkutta

Bedarfsanalyse als Wegweiser für unsere Arbeit in der Region

In den Monaten August bis Oktober 2022 haben wir eine umfangreiche Bedarfsanalyse an den vier Ambulanzstandorten des Kalkutta-Projektes durchführen lassen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Menschen mit dem Service in den Ambulanzen immer sehr zufrieden waren und die Leistungen als qualitativ sehr hoch einschätzen. Gleichzeitig zeigt die Analyse, dass aus den umliegenden Slums und Gemeinden 91 Prozent der Menschen bei medizinischen Beschwerden nicht unsere Ambulanzen, sondern eine staatliche Gesundheitseinrichtung aufsuchten. Denn die Ergebnisse zeigen auch, dass es dort, wo wir tätig waren, genügend staatliche Strukturen gibt. Die Standorte sind alle städtisch oder sehr stadtnah gelegen, und die staatliche Infrastruktur ist dort deutlich besser als auf dem Land. Viele der Patientinnen und Patienten in den Ambulanzen kamen aus entfernteren Regionen und waren damit strenggenommen nicht die Zielgruppe unseres Projektes.

Perspektive unserer Projekte in Indien

Im Einklang mit diesen Erkenntnissen entsenden wir seit Oktober 2022 Ärztinnen und Ärzte in das Projekt im Sundarban-Delta mit unserem Partner Asha. Wir freuen uns darüber, dass das Projekt gut angelaufen ist. Dort erreichen wir marginalisierte und sehr arme Menschen im ländlichen Raum, wo es an Gesundheitsinfrastruktur mangelt. Ursprünglich nahmen viele dieser Menschen den langen Weg auf sich und kamen zu unserem Ambulanzstandort Bojerhat, wie eine unserer Analysen ergab.

Im Oktober 2023 soll ein weiteres basismedizinisches Projekt mit zwei Einsatzstellen für Ärztinnen und Ärzte im ländlichen und medizinisch unterversorgten Raum in der Region Jhargram nordwestlich von Kalkutta starten. Wir möchten dort verstärkt auf die Ausbildung einheimischer Kräfte sowie Gesundheits- und Hygieneaufklärung setzen. Die bestehenden Versorgungslücken sollen mit dem neuen Projekt in Kooperation mit unserem Partner KJKS verringert werden.

Armut in der ländlichen Region um Kalkutta

Wie geht es in Kalkutta weiter?

Unsere oben genannte Bedarfsanalyse hat auch aufgezeigt, dass viele Menschen in den Regionen der ehemaligen Ambulanzstandorte nicht in der Lage sind, die bestehenden staatlichen Angebote zu nutzen. Dies wollen wir ändern: Sozialarbeiterinnen werden in Zukunft noch mehr über die staatlichen Leistungen und die bestehende Infrastruktur informieren. Bei Bedarf soll das Team Menschen gezielt in die staatlichen Einrichtungen begleiten. Zusätzlich werden mehr Kapazitäten zur Verfügung gestellt, um Menschen bei der Beantragung von staatlichen Dokumenten und Registrierung für staatliche Programme zu unterstützen: Diese sind häufig Voraussetzung für den Erhalt von Leistungen im staatlichen System. Wir hoffen auf diese Weise den Menschen nachhaltig zu helfen, ihre Rechte in Bezug auf gesundheitliche Versorgung in Anspruch nehmen zu können.

Die verbliebenen Kinder aus dem Pushpa Home, der Station für Tuberkulose-erkrankte Kinder, werden in das St. Thomas Home aufgenommen. Das St. Thomas Home als stationäre Einrichtung für Frauen mit schweren TB-Verläufen bleibt bestehen. Bei Bedarf können dort zukünftig Kinder mit schweren Fällen der Tuberkulose aufgenommen werden. Unser Langzeitarzt Dr. Tobias Vogt bleibt gemeinsam mit indischen Kolleginnen und Kollegen der behandelnde Arzt im St. Thomas Home und als Langzeitarzt wichtiger Ansprechpartner für unsere Indien-Projekte.

Unterstützung und Chancen für Mitarbeitende

Besonders besorgt uns und Dich die Zukunft der Mitarbeitenden, die bisher in unseren gemeinsam mit HSP durchgeführten Projekten tätig waren. Und so war die frühe Ankündigung des Projektendes motiviert von der Idee, dass die Mitarbeitenden genug Zeit bekommen, um eine neue Anstellung zu finden. Wir standen ihnen dabei unterstützend zur Seite: Unsere indischen Repräsentantinnen haben Bewerbungstrainings für die Mitarbeitenden organisiert. Darüber hinaus haben wir allen Mitarbeitenden eine Umschulung auf unsere Kosten inklusive Weiterbezahlung des Gehaltes während der Schulung angeboten, z. B. im Bereich Krankenpflege oder Computermanagement. Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Trainingsprogrammen und Instituten wurde ebenfalls angeboten.

Zusätzlich konnten wir einzelnen Mitarbeitenden Arbeitsstellen bei anderen Partnerorganisationen in Aussicht stellen. Und auch Howrah South Point wird einige Angestellte in anderen Projekten weiterbeschäftigen. Leider haben nur wenige der Mitarbeitenden unsere Angebote in Anspruch genommen oder sich bisher selbständig um neue Jobs gekümmert.

Soziale Absicherung: Abfindung und Rentenzahlung

Zusätzlich zu der Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle werden alle Mitarbeitende nach jetzigem Stand eine Abfindung und Rentenzahlung erhalten. Zu der Zahlung an Beschäftigte mit einem festen Arbeitsvertrag ist Howrah South Point gesetzlich verpflichtet. Dafür hat German Doctors bereits seit Jahren vorgesorgt und einen hohen Betrag an den Partner überwiesen. Die Gesamtsumme beläuft sich auf über 100.000 Euro. Auch die Mitarbeitenden mit einem befristeten Arbeitsvertrag werden eine entsprechende Abfindungszahlung erhalten. Dafür haben wir einen externen Berater eingeschaltet, der uns als unabhängige Instanz helfen soll, eine gerechte Lösung zu finden. Für diesen Zweck haben einige Einsatzärztinnen und -ärzte bereits einen Unterstützungsbeitrag überwiesen, wofür wir uns herzlich bedanken!

Wir hoffen, dass Du die Gründe für unsere Entscheidung nachvollziehen kannst und dass die neuen Arztprojekte in der ländlichen Umgebung Kalkuttas von Dir und den anderen German Doctors genau so engagiert unterstützt werden, wie alle unsere anderen Projekte. An diesen Standorten erreichen wir unsere Zielgruppe und tragen mit dem starken Fokus auf der Ausbildungskomponente nachhaltig dazu bei, dass medizinische Hilfe vor Ort bleibt.