Stationsübergabe im Masanga Hospital in Sierra Leone. Studierende, Schwestern, Krankenpfleger und das Ärzteteam gehen die Patienten durch und besprechen die Sorgenkinder. Ohne Vorankündigung kommt eine Schwesternschülerin auf die Station gerannt und platzt in die Runde. Auf dem Arm: ein nicht atmendes Neugeborenes. Ein Glück, dass es ihr aufgefallen ist. Gemeinsam mit der Studentin Regiana Benkutay Kabba hilft das Ärzteteam dem Baby von Mary ins Leben zurück.
Man muss von Routine auf Emergency umschalten lernen
„Regiana machte ihre Sache gut“, sagt Dr. Sabine Mahncke. „Den Überblick in so einer Situation zu behalten und klare Anweisungen an die vielen um uns Herumstehenden zu geben, überforderte sie logischerweise. Dafür benötigt man mehr Erfahrung.“ Ihre praktische Ausbildung in der Kinderheilkunde hat erst vor elf Wochen begonnen. Dafür ist Dr. Sabine Mahncke vor Ort. Die erfahrene Pädiaterin arbeitete in diesem Frühjahr sechs Wochen lang in Sierra Leone in einem unserer Partnerkrankenhäuser, um Regiana und die anderen Studierenden auszubilden. „Am Ende war das Baby stabil und wir konnten Ursachenforschung betreiben“, erinnert sich Dr. Mahncke.
Seit Oktober 2021 bilden wir zusammen mit Partnern und dem sierra-leonischen Gesundheitsministerium Bachelor-Studierende in der Kinderheilkunde aus. Der Grund dafür ist die hohe Sterberate von Kindern und Müttern in diesem Land. Wir möchten diese durch die Ausbildung von spezialisierten Fachkräften minimieren. Für die fast acht Millionen Einwohner gibt es lediglich ca. 150 Ärztinnen und Ärzte – viele davon ohne Spezialisierung; und die meisten praktizieren in der Hauptstadt. Das erklärt die traurige Statistik.
Fokus auf häufige Krankheiten und die Arbeit auf dem Land
Die Ausbildung ist nicht vergleichbar mit der einer Ärztin oder eines Arztes. Der universitäre Teil ist viel kürzer, und sie ist stärker auf die Bewältigung häufiger Krankheitsbilder in Sierra Leone und die Arbeit im ländlichen Raum ausgerichtet. „Die Studierenden haben ein Grundstudium von zwei Jahren absolviert und sollen dann, wenn auch unter Anleitung, eine Station leiten“, sagt Dr. Mahncke. „Nach meiner Wahrnehmung unterschätzen wir den Schritt von der Theorie in die Praxis.“ Darum ist eine Anleitung in den ersten Monaten und darüber hinaus zwingend notwendig. Und dafür sind Dr. Mahncke sowie lokale Medizinerinnen und Mediziner da.
Nicht jedes fiebernde Kind hat Malaria
Mit den Studierenden übt Dr. Mahncke das genaue Hinsehen und Differentialdiagnose – nicht jedes Fieber ist Malaria, nicht jede Infektion muss antibiotisch behandelt werden. Das ist ihr wichtig. Denn weder Malaria noch Virusinfekte lassen sich mit Antibiotika bekämpfen, und es gibt schon genug Resistenzen. Ihre Aufgabe vor Ort ist die Supervision: Das bedeute sowohl Anleitung als auch fachliche Kontrolle. „Und wenn es kompliziert wird, macht es die Person mit der meisten Erfahrung“, sagt Dr. Mahncke. Und da einige schwer kranke Neugeborene und Kinder während ihrer Zeit auf Station lagen, war sie selbst auch behandelnd aktiv.
Praxis, Praxis, Praxis – so lernen die Studierenden am schnellsten
„Das Tolle hier im Masanga-Krankenhaus ist die unkomplizierte interdisziplinäre Arbeit. So lernen alle in allen Bereichen immer wieder dazu“, sagt Sabine Mahncke. Auf der Kinderstation waren während ihres Aufenthaltes meist alle der 22 Betten belegt. Und so scheitert der theoretische Unterricht oftmals an neuen Aufnahmen und der Patientenversorgung. „Ich finde das nicht schlimm, denn schließlich machen wir hier ununterbrochen ‚bedside teaching‘“, erklärt Dr. Sabine Mahncke. Und bei diesem praktischen ‚hands on‘ an der Seite erfahrener Kolleginnen und Kollegen lernen die Studierenden am schnellsten.
Das Projekt im Überblick
In Sierra Leone herrscht ein massiver Mangel an Fachkräften, vor allem im medizinischen Bereich. Das möchten wir mit dem Programm zur Fachausbildung in Kinderheilkunde verändern, das im Oktober 2021 gestartet ist. Seit März 2022 sind 10 Studierende in das Programm eingeschrieben. Jedes Halbjahr wird ein neuer Jahrgang bestehend aus fünf Studierenden dazukommen. Anfangs lernen sie Theorie in einer 2-jährigen Grundausbildung an der School of Medical Sciences in Makeni. Unter diesen Studierenden rekrutieren wir geeignete Interessenten für unsere Weiterbildung. In der daran anschließenden 2-jährigen Fachweiterbildung, die von German Doctors unterstützt wird, wechseln Theorie- und Praxisphasen einander ab. Diese werden überwiegend von entsendeten Pädiaterinnen und Pädiatern wie Dr. Sabine Mahncke aus Deutschland geleitet. Das letzte Jahr arbeiten die Studierenden selbständig an einem Krankenhaus im Land.