Erschreckende Lebensumstände in Bangladesch
Als Arzt im Ausland: Ein Bericht von Dr. Katharina Miller aus Chittagong
Zwar bin ich während des Studiums als angehender Arzt im Ausland gewesen, aber vor meinem ersten Einsatz mit den German Doctors in Bangladesch war ich doch ziemlich nervös. Nach einem Zwischenstop in Dhaka wurde ich von Brayan, dem Projektleiter des Projekts in Chittagong am Flughafen abgeholt und in mein neues Zuhause für die nächsten 6 Wochen gebracht.
Auf dem Dach des Gebäudes des Medical Center ist eine kleine Wohnung, die deutlich komfortabler war, als ich erwartet hatte. Jeder hat sein eigenes Zimmer (sogar mit Klimaanlage), Küche und Wohnzimmer und sogar eine Terrasse. Das Viertel, in dem das Medical Center for the Poorest of the Poor ist, liegt eigentlich mitten in der großen asiatischen Millionenstadt. Willkommen mitten im Chaos! Vor Allem das Verkehrschaos mit den vielen Fahrrad- und Motorradrikschas, wodurch eine Straßenüberquerung teilweise schon ein kleines Abenteuer war, stellte zusammen mit den vielen Menschen, Müll und Lärm auf Dauer eine Herausforderung dar.
Der Einsatz mit den German Doctors in der Ambulanz war zum Glück insgesamt meist gut „machbar“. Zu meiner Erleichterung sieht man viele Patienten mit ungefährlichen Erkrankungen. Häufig auch mit eher diffusen Beschwerden, Rückenschmerzen, Sodbrennen, pain all over… Auch die meisten Kinder waren nicht gleich lebensbedrohlich krank. Wir sahen sehr viele Atemwegserkrankungen, Ohrenentzündungen, Haut- und Durchfallerkrankungen, chronische Beschwerden, kleine und größere Wunden. Zum Glück habe ich mich mit meinem jeweiligen Kollegen immer sehr gut verstanden und habe häufig Fälle mit ihm besprochen und mir bei chirurgischen Problemen Hilfe und eine zweite Meinung eingeholt. Das Gefühl, nicht alles alleine entscheiden zu müssen, hat meine anfängliche Anspannung schnell verschwinden lassen.
Als sehr erschreckend empfand ich die Lebensumstände unserer Patienten. Kaum vorstellbar waren für mich die häuslichen, hygienischen und sozialen Bedingungen der Menschen, die bei uns medizinische Hilfe suchen. Zum Beispiel sieht man bedingt durch die hohe Rauchgasbelastung durchs offene Feuer zum Kochen sehr viele chronische Atemwegserkrankungen bei Kindern. Auch Unterernährung stellt weiterhin ein großes Problem dar. Schwierig empfand ich manchmal den Umgang mit den Patientinnen, die sich mit diffusen Beschwerden vorstellten, hinter denen sich nach genauerem Nachfragen eine Depression oder Somatisierungsstörung versteckte. Häufig wurde von den Frauen über häusliche Gewalt und enorme soziale und alltägliche Probleme berichtet, denen ich häufig – durch die Sprachbarriere noch verstärkt – etwas hilflos gegenüber stand. Vormittags hatten wir eigentlich immer sehr viel zu tun, dagegen waren die Nachmittage oft recht entspannt und wir waren häufig schon so um 16:00 Uhr mit der Sprechstunde fertig. Im Durchschnitt haben wir geschätzt zu zweit ungefähr 100 bis 120 Patienten gesehen. Insgesamt empfand ich das Arbeiten im einheimischen Team als sehr angenehm. Mit viel Engagement und Wissen und einer sehr freundlichen Art waren sie eine Bereicherung und große Hilfe in der täglichen Arbeit. Während man an den meisten Tagen doch einiges an Diagnostik zur Verfügung hat (Röntgen, Labor, Sonographie) war ich erstaunt, dass man doch häufig ohne Viel auskommt.
Immer mittwochs sind wir zum Community Based Center – direkt im Slum gelegen – gefahren. Mit ganzem Team und Apotheke wurde dort einmal die Woche eine Sprechstunde angeboten, welche auch dankbar angenommen wurde. Dort angegliedert war ein Feeding Programm für unterernährte Kinder, die dort ihre Mahlzeiten bekommen und bei gesundheitlichen Problemen von uns gesehen werden. Insgesamt muss ich sagen, dass mir die Arbeit als Arzt im Ausland meistens viel Spaß gemacht hat. Die Wochenendgestaltung war aufgrund der aktuellen politischen Situation etwas schwierig. Während ich in Chittagong war, wurden zwei Ausländer auf offener Straße ermordet und deshalb war man um uns sehr besorgt. Als Vorsichtsmaßnahme wurden wir von der Polizei gebeten, uns so wenig wie möglich draußen aufzuhalten und wurden bei größeren Wegen von einer Polizeieskorte begleitet. Selbstständige Ausflüge am Wochenende waren dadurch schwierig.
Die Menschen in Bangladesch fand ich insgesamt sehr nett und angenehm. Da Ausländer in Chittagong noch wirklich eine Rarität sind wurde man zwar häufig angestarrt und zum Teil auch auf Spaziergängen „begleitet“, aber nie aufdringlich. Man hat eher ehrliches Interesse und Neugier in einer freundlichen Art gespürt. Nach der ersten Eingewöhnungsphase raste die Zeit in der zweiten Hälfte vor sich hin und die 6 Wochen waren sehr schnell vorbei und Chittagong ist in der Zeit schon fast wie ein „kleines Zuhause“ für mich geworden, so dass ich schweren Herzens wieder gefahren bin. Insgesamt muss ich sagen, dass ich das Projekt sehr gut organisiert finde und ich mich in der Zeit dort und in der Vorbereitung gut unterstützt gefühlt habe. Gerne würde ich wieder mit den German Doctors als Arzt im Ausland helfen!
Ich bewundere Menschen sehr, die in andere Länder reisen und vor Ort helfen. Wirklich ganz großen Respekt an dieser Stelle. Der Artikel ist wirklich sehr interessant und gleichzeitig auch so erschreckend.
Ich finde, dass Menschen die sich selbstlos in den Dienst andere Menschen stellen. den größten Respekt überhaupt verdienen.