„Die meisten brauchen weniger Tabletten als ich“
Tuberkulose bei Kindern: Vor allem für die kleinsten Patienten ist es schwer zu verstehen, wieso ausgerechnet sie von erbarmungslosen Krankheiten betroffen sind
Langzeitarzt Dr. Tobias Vogt, der seit vielen Jahren in Indien arbeitet, verbringt viel Zeit mit seinen Patienten. Er führt zahlreiche Gespräche, versetzt sich in sie hinein und schreibt deren Geschichte auf, so dass auf dem Blog nun auch unsere Patienten ihr Schicksal schildern. Tuberkulose bei Kindern ist dabei leider keine Seltenheit. Heute erzählt der dreijährige Sanowar davon, wie er die Zeit im Krankenhaus seit seiner Ansteckung erlebt und wie die German Doctors ihm und seiner Familie helfen.
Selam! Ich heiße Sanowar und bin drei Jahre alt. Ich bin jetzt seit sechs Wochen in einem Krankenhaus der German Doctors. Es scheint ein besonderes Krankenhaus zu sein, denn alle hier husten um die Wette. Meine Mutter und meine fünfjährige Schwester sind auch hier. Zuerst ging es eigentlich nur um unsere Mutter, denn sie war sehr krank und konnte kaum noch laufen und auch nichts mehr essen. Sie hat furchtbar viel gehustet, und ist dünn geworden, wie ich sie noch nie gesehen habe.
Hier im Krankenhaus sind meine Schwester und ich dann auch untersucht worden, und seitdem müssen wir auch Tabletten einnehmen. Worum es da genau geht, weiß ich eigentlich gar nicht. Ich hörte wohl einmal, wie die Ärzte mit meiner Mutter sprachen. Sie sagten, meine Mutter habe gleichzeitig drei verschiedene Bakterien in ihrem Körper, die all ihre Probleme verursacht hätten. Und wir beide, meine Schwester und ich, haben gleichzeitig zwei verschiedene Keime in unseren Körpern. Heute hatte ich Symptome wie Fieber und Bauchschmerzen. Der lange Arzt, der sich sonst jeden Tag nur kurz bei mir erkundigt, war heute dreimal ausführlich zur Behandlung bei mir. Meiner Schwester geht es eigentlich gut. Meiner Mutter geht es schon viel besser. Sie läuft wieder und isst wieder richtig gut. Sie hat schon wieder gut an Gewicht zugenommen.
Die Ärzte fragen meine Mutter oft nach meinem Vater – sie müssten dringend einen Bluttest bei ihm machen. Aber wir haben ja keinen Kontakt mehr zu ihm. Er ist ein Fernfahrer und viel in ganz Indien unterwegs. Wenn er mal in Kalkutta ist, kommt er nicht zu uns. Wir können ihn gar nicht informieren, dass die Ärzte ihn sprechen wollen. Wir haben ihn ja selbst schon über ein Jahr lang nicht mehr gesehen. In dem Schlafsaal, in dem ich hier bin, gibt es 16 Frauen und einige haben noch ihre Kinder mit dabei. Zurzeit sind wir zehn Kinder hier auf Station; ich bin der Jüngste. Die meisten anderen Kinder müssen auch jeden Tag Tabletten einnehmen, aber nicht alle. Die meisten brauchen weniger Tabletten als ich, um ihre Erkrankung besser in den Griff zu kriegen.
Das Krankenhaus hat drei Etagen und einen Garten, und wenn es uns Kindern gut geht, dann ist das für uns wie ein großer Abenteuerspielplatz. Wir müssen doch auch mal rennen und einander nachlaufen. Wie lange wir hier noch bleiben müssen, weiß ich nicht. Meine Mutter hat mal vorsichtig nach Entlassung gefragt, aber der lange Arzt hat das sofort abgebügelt. Ein Teil der Therapie soll wohl noch fünf Monate lang laufen und der andere Teil für sehr lange Zeit. Aber darüber denke ich gar nicht nach. Jetzt warte ich erst mal, dass mein Fieber runtergeht. Und dann geht es ans Nachlaufen…
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