Als Arzt im Ebola-Gebiet
Ebola-Hilfe in Sierra Leone. Ein Bericht von Dr. Teresa De La Torre und Dr. Dorian Jungmann über ihren Einsatz als Langzeitärzte in Serabu
In den letzten 3 Wochen haben wir in Serabu zum Glück keine Ebola-Fälle mehr in den benachbarten Dörfern gehabt. Immer wieder sind wir jedoch mit Verdachtsfällen konfrontiert, welche uns oft technisch, logistisch und auch ethisch bis an die Grenzen fordern. Leider fehlt es noch immer gerade in Situationen, in denen schnelle Unterstützung und Handeln notwendig ist, an Hilfe durch öffentliche Stellen. Positiv ist zu berichten, dass internationale Hilfe vor Ort ist und diese Krise viele Menschen aus der ganzen Welt zusammengebracht hat, die alle ein Ziel haben, nämlich Ebola effektiv zu bekämpfen. Hier in Bo und Serabu sind nun z.B. auch das amerikanische CDC, das britische Militär und die Welthungerhilfe aktiv, die uns alle nach ihren Möglichkeiten unterstützen.
Ein Fall der veranschaulicht, mit welcher Problematik wir konfrontiert sind, trug sich zum Beispiel am letzten Samstag zu: Gegen 14 Uhr klingelte das Telefon, ein CHO (Community Heallth Officer) meldet sich und berichtet, vor dem Krankenhaus wäre ein Mann abgelegt worden, sehr schlechter Zustand, nun seien die Anwohner beunruhigt, ob wir schnell kommen könnten. Vor dem Tor lag ein ca. 35-jähriger Mann, schwer atmend, auf Zuruf keine Reaktion, keine Antwort. Diejenigen, welche ihn hierher gebracht haben, hatten sich aus dem Staub gemacht, es gibt keinen Namen, keine Herkunft, keine Krankengeschichte. Auch aus mehreren Metern Abstand ist klar zu sehen, dass dieser Mensch ohne medizinische Intervention sterben wird. Als Arzt möchte man sofort hin, helfen. Ebola verbietet dies. Wir müssen Abstand halten, der Bereich muss gesichert werden, schließlich rennen ja überall Kinder herum. Dann der Anruf bei der Ebola-Hotline, die eigentlich ein Ambulanz-Fahrzeug senden sollte. Herumgedruckse, ja man würde sich wieder melden. Uns allen ist klar, dies wird nicht passieren… Wir kommunizieren direkt mit dem Holding Center, ja der Patient solle aufjedenfall gebracht werden, also mit unserer eigenen Ambulanz. Zwei unserer Mitarbeiter ziehen sich Schutzanzüge an, Chlor-Lösung wird hergestellt, die Ambulanz vorbereitet. Nachdem der Patient auf der Liege in das Fahrzeug gebracht werden kann, muss jetzt noch das gesamte Areal, der Krankenhauseingang, der Weg, mit Chlor dekontaminiert werden, dann das aufwändige Ablegen der Schutzanzüge. Als die Ambulanz endlich losfahren kann, ist eine Stunde vergangen. Am Ebola Holding Unit in Bo, zwei Stunden Fahrzeit später, angekommen, ist der Patient tot. Aufgrund der Ansteckungsgefahr ist der Patient während der Fahrt alleine im Krankenwagen, es gibt keine intravenöse Flüssigkeit und keine Wiederbelebungsmaßnahmen. Im Kontext von Ebola gibt es kein unüberlegtes Handeln: „Dein erster Fehler ist dein letzter Fehler“ hat hier jeder eingetrichtert bekommen. Hatte der Patient Ebola? Wahrscheinlich nicht. Wegen Ebola ist er wahrscheinlich trotzdem gestorben.
In Bo, der Distrikthauptstadt, möchte niemand den Leichnam haben. Im Holding Center werden keine Leichen angenommen, das Rote Kreuz, für die Beerdigungen von Ebola-Opfern eigentlich zuständig, hat Feierabend und ist für heute nicht mehr zuständig. Wir müssen 1 ½ Stunden mit der Leiche durch die Stadt fahren und den Direktor des Ebola Response Comitees kontaktieren, bis sich das zuständige Distriktkrankenhaus endlich bereit erklärt die Leiche anzunehmen, unsere Ambulanz zu dekontaminieren und am nächsten Tag eine Probe auf Ebola zu entnehmen sowie für die Beerdigung zu sorgen – so wie es eigentlich auf dem Papier klar geregelt ist. Hätten wir keinen direkten Draht zum Labor, würden wir wohl auch das Ergebnis des Testes nie oder nur sehr spät erfahren.
Trotz mittlerweile acht Monaten Ebola in Sierra Leone und auf dem Papier 100%iger Abdeckung mit Beerdigungsteams und Ambulanzen sind wir weiterhin wie oben beschrieben meist auf uns allein gestellt, wenn konkrete Unterstützung vonseiten offizieller Stellen nötig wäre. Bisher können wir mit Stolz sagen, dass das Krankenhaus in Serabu dank der großartigen Arbeit seiner Mitarbeiter und der Hilfe der German Doctors die Situation sehr gut gemeistert hat und auch in Zukunft seine Tore offenhalten und sein Bestes geben wird, um Menschenleben zu retten.
Hat dies auf Denkanfallkuppel rebloggt und kommentierte:
Ebola tötet weiterhin.
Mein Respekt für die German Doctors!! Möge Gott ihnen täglich ihre Kraft erneuern.