Ärzte helfen weltweit
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Neues aus den Projekten

Reisebericht unserer Referentin Vera Lütke Holz

Chittagong Reise

Zwei neue Ambulanzstandorte, stets ein German Doctor mehr, zusätzliche einheimische Teammitglieder und eine neue Ärztewohnung. Die Zeichen stehen ganz deutlich auf Wachstum in Chittagong. Unsere Projektreferentin Vera Lütke Holz berichtet von ihrer letzten Reise:

Im November war ich gemeinsam mit unserer neuen Vorständin, Dr. Christine Winkelmann, zu einem Projektbesuch in Chittagong. In den vergangenen Monaten hat sich dort vieles verändert. Da der Bedarf in der Region hoch und das lokale Team sehr engagiert ist, haben wir im vergangenen Jahr beschlossen, das Projekt zu erweitern. Gemeinsam mit den einheimischen Mitarbeitenden und dem Projektkoordinator Brayan habe ich nach neuen Standorten gesucht. Schnell wurde deutlich, dass die ländlichen Regionen im Umkreis von Chittagong sehr benachteiligt sind und viele Menschen dort kaum Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Nach einer Situationsanalyse haben wir uns für die Standorte Solimpur und Banskhali entschieden. Solimpur ist eine Ansammlung von Fischerdörfern am Stadtrand von Chittagong. Banskhali liegt zwei Autostunden von Chittagong entfernt, sehr abgelegen. Überschwemmungen zerstören regelmäßig die Lebensgrundlage der Menschen.

Baseline-Studie vor Projektstart

Kurz vor dem Start unserer medizinischen Arbeit an beiden Standorten haben wir eine sogenannte Baseline-Erhebung durchgeführt. Unser einheimisches Team hat mit Unterstützung von Experten viele Menschen in unseren Zielregionen zu ihren Lebensbedingungen, ihrem Zugang zu medizinischer Versorgung und ihren gesundheitlichen Problemen befragt. Einige Ergebnisse:

  • 78,5% der Befragten in Banshkali schätzen ihren aktuellen Gesundheitszustand als schlecht oder sehr schlecht ein und haben dadurch leichte bis deutliche Einschränkungen in ihrem Alltag, zum Beispiel bei der Ausübung ihrer Arbeit.
  • Rund 50% der Befragten in Banshkali geben an, an einer langandauernden bzw. chronischen Erkrankung zu leiden.
  • 85% der Befragten leben mit der gesamten Familie von 1 – 4 Euro am Tag.
  • 98% der Befragten nutzen Brunnenwasser zum Trinken, haben also keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
  • 66% der Befragten suchen bei Erkrankung einen traditionellen Heiler oder nur eine Apotheke auf.
  • 40% der Befragten waren innerhalb der letzten drei Monate krank und hätten eine Gesundheitsversorgung gebraucht. Von diesen konnten sich 76% eine ärztliche Versorgung nicht leisten.
  • 51% gaben an, dass die nächste Gesundheitseinrichtung zu weit entfernt ist.

Große Resonanz für das Projekt und viel Arbeit

Zusätzlich zum Aufbau der neuen Standorte mussten auch neue Mitarbeitende eingestellt und die Ärztewohnung erweitert werden, da fortan ständig drei bis vier German Doctors vor Ort sein sollen.

Im Oktober wurden erstmals Sprechstunden an den neuen Standorten abgehalten. Als ich im November zu meiner Projektreise aufgebrochen bin, war ich also sehr gespannt, die neuen Ambulanzen in Betrieb zu sehen, die neuen Mitarbeitenden kennenzulernen und zu erfahren, wie der Start verlaufen ist.

Schnell war klar: Alle Beteiligten arbeiteten am Limit. Dank der tollen Vorbereitung durch unsere Sozialarbeiterinnen wusste die lokale Bevölkerung vor Projektstart gut über unser Angebot Bescheid. So waren die Patientenzahlen an beiden Standorten bereits in der zweiten Woche sehr hoch. Gleichzeitig bleibt auch die Zahl der Patientinnen und Patienten an unseren alten Standorten kontinuierlich hoch, sodass die Ärztinnen es an manchen Tagen nicht schaffen, alle Wartenden zu behandeln. In Banskhali, wo die medizinische Versorgung besonders desolat ist, haben wir viele Schwerkranke zu versorgen. Laut Einschätzung des Teams haben viele der Patientinnen und Patienten dort noch nie zuvor einen Arzt oder eine Ärztin konsultiert. Gleichzeitig ist die Anfahrt für unser Team zeitraubend, sodass wenig Zeit für Behandlungen bleibt. Für mich stellte sich die Frage: Haben wir das Team überfordert oder die Situation falsch eingeschätzt?

Ein engagiertes Team!

Um das neue Team besser kennenzulernen und gemeinsam über die Erweiterung und die dadurch entstandenen Herausforderungen zu sprechen, haben wir ein Meeting einberufen. Ich war sehr begeistert von den neuen Mitarbeitenden. Schon im Vorfeld hatte ich von unserem Koordinator und einigen erfahrenen Mitarbeitenden gehört, dass „die Neuen“ sich sehr schnell einarbeiten und das Team sehr bereichern. Vor Ort konnte ich mich hiervon selbst überzeugen. Alle haben sich eingebracht, sehr offen und ehrlich diskutiert und gemeinsam Lösungsansätze gesucht.  Am Ende waren sich alle einig: Obwohl der Weg nach Banskhali eine hohe Belastung für Ärztinnen, Ärzte und Mitarbeitende darstellt, wollen alle es weiter versuchen, da die medizinische Versorgung in dieser Region so dringend benötigt wird. Ab Januar 2020 werden wir nun probeweise eine vierte Ärztin nach Chittagong schicken, um das Team zu verstärken.

Zuletzt wurde noch gemeinsam die neue Ärztewohnung eingeweiht. Alle waren begeistert von der neuen Wohnung, die nun Platz für bis zu fünf Personen bietet. Es war eine schöne Feier. Der Erzbischof von Chittagong segnete die Wohnung und Dr. Christine Winkelmann sprach dem Team ihre Anerkennung und ihren Dank für die anspruchsvolle und wichtige Arbeit aus.