Neues aus den Projekten
Kinderentwicklungsprojekt erfolgreich übergeben
Santoshpur – in diesem Slum am Stadtrand von Kalkutta leben rund 50.000 Menschen in ärmlichsten Verhältnissen. Die meisten von ihnen kamen mit der Hoffnung auf ein besseres Leben aus ländlichen Regionen im Osten von Indien. Doch statt einer gut bezahlten Arbeit und bescheidenem Wohlstand finden die meisten Familien nur miserabel bezahlte Jobs und ein Leben am Rande der Gesellschaft vor. 87 Prozent der Familien im Slum leben unterhalb der Armutsgrenze; das bedeutet, sie haben nur rund 16 Euro im Monat zur Verfügung. Müssen beide Eltern arbeiten, um die Familie irgendwie über die Runden zu bringen, sind die Kinder im Slum oftmals den ganzen Tag über auf sich selbst gestellt. Die Großen müssen Verantwortung für die Kleinen übernehmen, obwohl sie selbst noch zu jung für diese Aufgabe sind. Ein Schulbesuch ist unter diesen Bedingungen nahezu unmöglich, Verwahrlosung und Mangelernährung an der Tagesordnung. Vor allem die Mangelernährung macht die Kleinen anfällig für Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Lungenentzündung und Durchfälle.
Die Lage für Mädchen und junge Frauen im Slum ist besonders prekär, da sie oft sehr jung verheiratet werden und mit frühen, schnell aufeinander folgenden Schwangerschaften sowohl körperlich als auch psychisch überfordert sind. Selten gehen sie zu einer Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung, und beinahe die Hälfte der Mütter gebärt zuhause. Wissen über eine ausgewogene, preiswerte Ernährung, Hygiene, Familienplanung, wichtige Impfungen und die Vorteile des Stillens ist kaum vorhanden, die Mütter- und Kindersterblichkeit hoch.
Insbesondere den Kindern eine Chance auf eine bessere Zukunft zu eröffnen und damit den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen ist Kernanliegen des Kinderentwicklungsprojekts, das wir im Jahr 2009 in Santoshpur aufgelegt haben. Wir erreichen dieses Ziel über die Behandlung beziehungsweise Vorbeugung der Unter- und Mangelernährung bei Kindern unter fünf Jahren. Unser besonderes Augenmerk liegt dabei auf den ersten 1.000 Tagen in der kindlichen Entwicklung (von der Zeugung bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres). Neben der Untersuchung der Kinder spielen die Beratung und Betreuung der Mütter selbstverständlich eine sehr wichtige Rolle.
Seit Beginn des Projektes war es unser Wunsch und der unserer Partnerorganisation vor Ort, „Lake Gardens Women and Children Development Center“, das Projekt in kompetente indische Hände zu übergeben. Im Juli dieses Jahres ist dies gelungen. Dr. Krishna Bhattacharjee aus dem Team von Dr. Parbati Sengupta hat die Arbeit in Santoshpur aufgenommen. Bei meinem Besuch konnte ich, Lisa, mich davon überzeugen, wie sorgfältig und qualifiziert sie sich Müttern und Kindern zuwendet. Zwei Mal wöchentlich ist sie mit viel Freude und Engagement an den vier Projektplätzen im großen Slum von Santoshpur tätig, behandelt dort unterernährte Kinder und berät Mütter. Immer mehr Raum nimmt die Prävention ein. So kommen die Frauen inzwischen schon während der Schwangerschaft zu Aufklärungsveranstaltungen und Kochkursen, zunehmend auch mit der wohlwollenden Unterstützung ihrer Ehemänner – keine Selbstverständlichkeit in der indischen Gesellschaft!
Maßgeblich zum Erfolg des Projektes tragen geschulte Gesundheitsarbeiterinnen bei, die zum überwiegenden Teil selbst aus dem Slum stammen und daher unmittelbaren Zugang zu den Müttern und Kindern haben. Auch Sozialarbeiterinnen, Krankenschwestern und eine Ernährungsberaterin leisten wertvolle Beiträge zum Gelingen des Projekts. 93 unterernährte Kinder wurden allein in den vergangenen sechs Monaten neu ins Projekt aufgenommen, 77 geheilt entlassen. Seit Projektbeginn wurden 29 Frauenselbsthilfegruppen aufgebaut in denen 315 Frauen aktiv sind. Zudem wurden vier Gruppen für junge Mädchen und sieben Kindergruppen gegründet. All dies ist auch dank großzügiger Fördermittel der Paul Ritzau Stiftung möglich, für die wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken!