Über viele Jahre hinweg haben die Differenzen zwischen uns und dem Partner zugenommen. Mit einem Wechsel an der Spitze von HSP im Jahr 2018 hatten wir zunächst viel Hoffnung auf einen noch möglichen Wandel verbunden. Allerdings wurden die angekündigten Reformen bis heute nicht in erforderlicher Weise umgesetzt. Eine externe Buchprüfung hat nun zusätzlich schwerwiegende Mängel im Finanzwesen und eine intransparente Finanzadministration aufgezeigt. All diese Gründe haben uns dazu bewogen, die Kooperation mit HSP in dem Ambulanzprojekt und dem Tuberkulose-Dots-Zentrum in der Foreshore Road zum April 2023 zu beenden. Das Pushpa Home für die Versorgung der TB-erkrankten Kinder bleibt vorerst bestehen. Allerdings ist die Zusammenarbeit an Bedingungen geknüpft.
Veränderte Versorgungssituation der Menschen in Kalkutta und Howrah
Bei den Überlegungen zur Zukunft unserer Arbeit in Kalkutta, Howrah und der ländlichen Umgebung müssen wir auch berücksichtigen, dass sich in Indien im Laufe der Jahre viel verändert hat: Die staatliche Infrastruktur im städtischen Raum ist noch nicht lückenlos, aber hat sich deutlich verbessert. Staatliche Krankenhäuser bieten grundsätzlich eine weitgehend kostenlose Versorgung an. Zusätzlich gibt es immer mehr Sozialhilfeprogramme, die insbesondere den Ärmsten zugutekommen. Das hat sich auch in unserer Arbeit bemerkbar gemacht: Wir sehen zwar weiterhin viele ernsthaft erkrankte Patientinnen und Patienten, aber viele von ihnen haben mittlerweile zumindest auch Zugang zu anderer Basisversorgung. Manche kommen, weil sie eine nicht immer erforderliche Zweitmeinung einholen wollen, und einige haben Bedarfe, die zu erfüllen nicht unsere primäre Aufgabe ist. Entsprechend unseres Primary Health Care-Ansatzes müssen wir also genau hinschauen und prüfen, wo Leistungen auch in anderen Krankenhäusern kostenfrei zur Verfügung stehen und daher nicht mehr von uns erbracht werden müssen.
Es gibt aber große Diskrepanzen in der medizinischen Versorgung zwischen Stadt und Land. Denn ein anderer Teil der Patientinnen und Patienten in den Ambulanzen reist aus weit entfernten ländlichen Regionen an. Sie kommen aus Gegenden, in denen die medizinische Versorgung von Seiten des Staates kaum existent ist.
Unsere nächsten wichtigen Schritte
In den kommenden Monaten werden wir eine umfassende Bedarfsanalyse an den verschiedenen Ambulanzstandorten durchführen, um zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die basismedizinische Arbeit dort - mit einem anderen Partner - weiterhin erforderlich ist. Zusätzlich soll das Jahr natürlich auch intensiv genutzt werden, um Patientinnen und Patienten in andere, staatliche Versorgungsstrukturen einzugliedern. Auch wenn diese längst nicht perfekt sind, ist es ein Grundprinzip unserer Arbeit, keine Parallelstrukturen aufzubauen, wenn staatliche Strukturen existieren. Wir werden die Überleitung unserer Patientinnen und Patienten durch geschulte Sozialarbeiterinnen begleiten, da wir natürlich auch um die unsichtbaren Hürden wissen, mit der besonders benachteiligte Menschen konfrontiert sind, wenn sie staatliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen.
Wir haben Howrah South Point über das Ende der Kooperation mit einem Jahr Vorlaufzeit informiert: Das dient vor allem auch dazu, dass gute Lösungen für die Mitarbeitenden gefunden werden, die sicherlich z. T. in anderen Projekten des Partners eine Anstellung finden oder auch in Folgeprojekten von uns eingestellt werden können. Unser Langzeitarzt vor Ort, Dr. Tobias Vogt, spielt natürlich auch in Zukunft eine zentrale Rolle in unserer Arbeit. Er wird weiterhin im St. Thomas Home tätig sein und die medizinische Arbeit der German Doctors in Howrah und Umgebung supervidieren.
Perspektive: Ausbau ländlicher Projekte
Wie im letzten Rundbrief bereits angekündigt, werden wir die Arbeit mit unserem Partner Asha im Sundarban-Delta weiter ausbauen und dort ab Oktober 2022 auch zwei Einsatzstellen für deutsche Ärztinnen und Ärzte schaffen. Wir sind auch mit einem anderen Partner im intensiven Gespräch über ein neues Projekt in einer besonders vernachlässigten ländlichen Region, das 2023 starten könnte.
Wir halten Euch über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden und hoffen, dass Ihr unsere Entscheidung nachvollziehen und mittragen könnt.