Ärzte helfen weltweit
Ärzte helfen weltweit

Neues aus den Projekten

Krankenschwester Jhuma Bag aus Indien im Interview

Krankenschwester aus Indien
Jhuma Bag (o.l.) mit ihren Patientinnen Jhuma Bag (o.l.) mit ihren Patientinnen Jhuma Bag (o.l.) mit ihren Patientinnen

Jhuma Bag (im Bild o.l.) ist 35 Jahre alt, unverheiratet und hat keine Kinder. Sie arbeitet seit 17 Jahren für die German Doctors als Krankenschwester „der ersten Stunde“ im Tuberkulosekrankenhaus für Frauen, dem St. Thomas Home in Kalkutta. Sie war die erste angestellte Krankenschwester und hat dort auch ihre Ausbildung absolviert. Im folgenden Interview berichtet sie über die vergangenen Monate in Bezug auf ihr Leben, ihre Arbeit und natürlich die Corona-Pandemie. Das Interview führte unser Langzeitarzt Dr. Tobias Vogt.

Wo und wie leben Sie?

Ich lebe Luftlinie rund vier Kilometer von meiner Arbeitsstätte, dem St. Thomas Home, entfernt. Der Weg mit Bussen und zu Fuß dauert ungefähr 45 Minuten. Ich lebe zusammen mit einer meiner Schwestern, die auch für die German Doctors arbeitet, im Haus unserer Tante. Wir brauchen keine Miete zu zahlen, was eine große Erleichterung ist.

Wie können wir uns das Haus, in dem Sie leben, vorstellen?

Das Haus ist mit Dachschindeln gedeckt und hat gemauerte Wände. Leider ist das Dach nicht ganz dicht. Meine Wohnfläche beträgt drei Mal drei Meter.

Wie hat sich Ihre Arbeit durch das Corona-Virus verändert?

Unser gesamter Arbeitsrhythmus im Krankenhaus hat sich während des Lockdowns zwischen Mitte März und Mitte Juli verschoben. Früher haben wir schichtweise gearbeitet. Das war nicht mehr möglich, als die Ausgangssperre begann und keine Busse und Bahnen mehr gefahren sind und man aufgrund der Straßensperren nicht mehr zur Arbeit kam. Deshalb hat das St. Thomas Home einen Shuttle-Dienst für uns Mitarbeitende eingerichtet, der uns mit einem Krankenwagen von zuhause abholte und wieder nach Hause brachte. Ein Krankenwagen darf Straßensperren passieren.  Dieser Hol- und Bringservice war organisatorisch aufwendig, aber die einzige Möglichkeit, um die Versorgung der stationären Patientinnen aufrecht erhalten zu können.  Deswegen und weil ständiger Wechsel auch in Bezug auf das Corona-Virus schwierig ist, haben wir dieses Arbeitszeitmodell eingeführt. Es gab zwei Gruppen von Krankenschwestern, die jeweils drei oder vier Tage am Stück im Krankenhaus blieben und auch dort übernachteten. Wir teilten uns die Schichten auf und wurden nach drei oder vier Tagen als Gruppe mit dem Krankenwagen wieder nach Hause gebracht. Wir haben derzeit noch strengere Hygienevorschriften als sonst – und die sind schon unter normalen Umständen in einem Tuberkulosekrankenhaus recht streng. Wir tragen natürlich den ganzen Tag Masken, auch, wenn wir die Klinik verlassen und zum Beispiel zum Markt gehen.

War die Umstellung auf dieses Modell für alle Krankenschwestern möglich?

Nein, die Kolleginnen, die kleine Kinder haben, können diese nicht drei oder vier Tage allein zuhause lassen. Darum haben wir die Arbeit unter uns anderen aufgeteilt. Manche, wie ich zum Beispiel, haben nun sehr viele Überstunden. Es gibt auch Kolleginnen, die so weit entfernt wohnen, dass es nicht möglich war sie abzuholen.

Kennen Sie jemanden, der an Covid-19 erkrankt ist?

Niemand aus meiner Verwandtschaft ist infiziert oder erkrankt und auch bei meinen Nachbarn gibt es keine Coronavirus-Infektion. Derzeit sind alle etwas ängstlich wegen des Virus und wir müssen auf mehr Hygiene achten und die Masken auch draußen tragen. Ich bin vorsichtiger als früher, trage die Maske immer draußen und vermeide es zum Beispiel in Warteschlangen zu stehen.

Was ist Ihre Motivation und gibt Ihnen Ihre Stärke in dieser Zeit?

Ich bin selbstbewusst und möchte in dieser Situation etwas Positives bewirken. Angst selbst zu erkranken habe ich keine, da ich nicht zur Risikogruppe zähle.  

Welches sind Ihrer Meinung nach die dringendsten Probleme jetzt nach dem Lockdown für Ihre Patientinnen?

Spezialisierte Ärzte waren über Monate nicht erreichbar und wichtige Diagnostik, wie ein Röntgenbild und Bluttests, waren ebenfalls nur sehr schwer, teilweise nicht zu bekommen. Jetzt ist dies wieder möglich, doch man muss sehr gut auf die Patientinnen und Patienten aufpassen, die derzeit weite Wege gefahren werden, um einen spezialisierten Arzt zu sehen. Sie dürfen keinesfalls in Wartezimmern mit anderen Leuten stundenlang sitzen.