Zwei besondere Patientinnen
Ein Bericht von Dr. Monika Euler über ihren Einsatz in Buda/Philippinen
Im Januar bin ich zum 6. Mal aus Buda auf der philippinischen Insel Mindanao zurückgekommen. Und wie immer, bin ich ein „bisschen geschafft“ und zufrieden in Frankfurt gelandet. Heute, nach 6 Wochen Alltag in der stationären Gyn/Geburtshilfe in Deutschland, gehen mir immer noch zwei Patientinnen häufiger durch den Kopf. Zum einen war das die 16-jährige Erstgravida, die wir in Buda im Kreissaal mit regelmäßiger Wehentätigkeit aufnahmen. Begleitet wurde die junge Mutter, ein eher verängstigter Teenager, von dem Vater des Kindes, der kaum älter war. Ungewöhnlich, dass keine Mutter, Tante oder Schwiegermutter als Unterstützung im Kreissaal war. Das Mädchen, die werdende Mutter bekam ein kleines Mädchen und nahm ihr Kind direkt nach Geburt überglücklich in die Arme. Das ist durchaus nicht immer so. Beim ersten genauen Hinschauen stellten wir fest, dass das Neugeborene eine große und somit auch das Gesicht doch entstellende Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hatte. Ich dachte nur: wie soll das gut gehen? Denn diese Diagnose ist für die Patientinnen gleichbedeutend mit: Stillen ja, aber über den Umweg des Abpumpens und des Fütterns mit der Flasche, präpariert mit einem speziellen Sauger. Gottseidank hatten wir einen Vorrat dieser Sauger, da der Kinderarzt auf Nachfrage vor meiner Anreise diese Sauger erbeten hatte. Zügig nach der Geburt habe ich eine erfahrene und engagierte Hebamme, die auf Station im Dienst war, gebeten, sich besonders um diese Patientin zu kümmern. Das heißt in erster Linie immer wieder die Milchpumpe an die Brust zu legen, damit die Milchbildung in Gang kommt und der Mutter das Füttern mit der Flasche beizubringen, ohne dass das Kind sich verschluckt, heißt, die Milch in der Lunge landet.
Ehrlich gesagt habe ich nicht wirklich geglaubt, dass das klappen wird. Aber ab dem zweiten Lebenstag des Kindes verzeichneten die Schwestern auf Station eine stete Gewichtszunahme und das nur durch Muttermilch der eigenen 16-jährigen Mutter. Das ist selbst für deutsche Verhältnisse nicht die Regel – auch ohne Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Ich war absolut begeistert, fast aus dem Häuschen vor Freude und überzeugt, dass diese kleine Familie es schaffen wird, das Kind bis zur Operation (dafür ist ein bestimmtes Gewicht und Alter Voraussetzung) durch zu bekommen. Jeden Tag aufs Neue habe ich mich über die Fortschritte gefreut, auch darüber dass die Patientin und ihre inzwischen eingetroffene wenig ältere Schwester sich darüber Gedanken machten, wie sie eine Milchpumpe finanzieren könnten.
Die andere Patientin – nach meiner Rückkehr erreichte mich eine Mail der Kollegin, die mich abgelöst hat, mit einem Foto von ihr. Ich hatte eh vorgehabt, die rote Jacke in Buda zu lassen und mich dann entgegen meiner üblichen Gewohnheit (nicht an einzelne Patientinnen irgendetwas zu geben) entschlossen, diese Jacke einer 15-jährigen Patientin zu geben, mit dem Auftrag, dafür gesund werden zu wollen. Eine Woche haben wir dieses Mädchen betreut, das in den Monaten zuvor schreckliche Dinge erlebt hatte, bevor klar wurde, dass sie die verordneten Medikamente nicht einnahm – aus Angst.
Schreiben Sie einen Kommentar