Ärzte helfen weltweit
Ärzte helfen weltweit
Ärzte helfen weltweit
Ärzte helfen weltweit

2050 weltweit 10 Millionen Tote wegen AMR

Unsere erfahrene Einsatzärztin, Dr. Marion Reimer aus Köln, die seit 1993 bereits 21mal als German Doctor weltweit für uns im Einsatz war, darunter seit 2018 sechsmal in Nairobi und Athi River, schickte uns diesen hoffnungsvollen Bericht im Kampf gegen AMR, den wir gerne in diesem Rundbrief mit Dir teilen.

Alle 3 Sekunden stirbt ein Mensch an einer Infektion durch resistente Erreger

Unsere Waffen bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten sind stumpf geworden. Insbesondere Antibiotika werden zu häufig, zu lange und ohne Indikation eingenommen, so dass sich weltweit die Resistenzen gegen Antibiotika gefährlich ausgebreitet haben.

Die Antiinfektivaresistenz (auch Antimikrobielle Resistenz AMR) führt zu einer verlängerten Krankheitsdauer, zu höheren Morbiditäts- und Mortalitätsraten. Ohne die Verfügbarkeit von wirksamen Antibiotika ist im Jahr 2050 weltweit mit 10 Millionen Toten aufgrund von Antibiotikaresistenzen zu rechnen. Alle 3 Sekunden stirbt ein Mensch an einer Infektion durch resistente Erreger.

Subsahara-Afrika (SSA) und Südasien haben im Vergleich zu anderen Regionen die höchste Sterblichkeitsrate (24 Todesfälle pro 100.000 in 2019), die auf AMR zurückzuführen ist.

Eine im Jahr 2021 veröffentlichte Studie ergab, dass der weltweite Verbrauch von antimikrobiellen Mitteln zwischen 2000 und 2018 um 46 % gestiegen ist. Und nach einer weitere Studie der WHO von 2022 nutzt jeder Dritte Antibiotika ohne Rezept, insbesondere in den Ländern des Globalen Südens.

Nahezu drei Viertel aller weltweit verbrauchten Antiinfektiva werden in der Tiermast eingesetzt. Weltweit sind die größten AMR-Hotspots im Veterinärbereich China und Südasien, Brasilien und Subsahara-Afrika. Die Konsequenz ist, dass Wasser (vor allem im Umfeld von Arzneimittelproduktionsstätten und Tiermastbetrieben), Böden und Nahrungsmittel mit antibiotikaresistenten Keimen verseucht sind und die Resistenzen auf die Menschen übertragen werden.

In vier Punktprävalenzstudien in Baraka, Fanaka und Korogocho hat sich bestätigt, dass ca. 50% unserer Patienten Antibiotika zu oft, mit der falschen Substanz und Dosierung und ohne Indikation verschrieben werden. Und auch viele unserer Patienten kaufen sich Antibiotika „over the counter“ und nehmen sie unkontrolliert ein.

AMS*-Team für Gesundheitsverbesserung gegründet

Nach einer einwöchigen Fortbildung, die während meines letzten Einsatzes in Baraka in der ersten Dezemberwoche 2023 unter meiner Leitung stattfand, hat sich nun in Nairobi ein Team gegründet, das die Verschreibungspraxis von Antiinfektiva verbessern soll. Das Team besteht aus unserer leitenden Ärztin Janet Yayi, vier Clinical Officers, zwei Pharmazeuten, zwei IT-Spezialisten, zwei LabortechnikerInnen und zwei Ernährungsberaterinnen, die aus Fanaka und Baraka kommen. Geleitet wird das Team von Eugene Oganda, dem leitenden Apotheker in Fanaka.

Themen der interaktiven Fortbildung waren u.a.: Funktion und Entwicklung des humanen Mikrobioms und dessen Beeinflussung durch Ernährung, Medikamente und Lifestyle, wie und wo Resistenzen entstehen, die Biologie von Bakterien, Viren, Parasiten und Pilzen, die Pharmakologie und das Wirksamkeitsprofil von Antibiotika und deren Einsatz bei den häufigsten Infektionen. Am letzten Tag der Fortbildung nahmen fünf Health Worker an der engagierten Diskussion über den verantwortlichen Gebrauch von Antibiotika und der Infektionsprävention und- kontrolle teil.

Angelehnt an die Leitlinie des kenianischen National Antimicrobial Stewardship hat sich das AMS-Team folgende Aufgaben gegeben:

- Monitoring des Verbrauchs antimikrobieller Mittel

- Durchführung von vierteljährlichen Punkt-Prävalenz-Studien

- IT-gestützte Korrelation zwischen Infektionsdiagnose und Antiinfektiva-Verordnung und Adhärenz an lokale Leitlinien

- Fallbesprechungen

- Leitlinien (nationale Leitlinien angepasst an das lokale setting) für empirische Antiinfektivaverordnung (Vermeidung von Antibiotika bei viralen Infekten, Wahl des Antiinfektivums, Dosierung, Therapiedauer, Nebenwirkungen, Besonderheiten bei Schwangeren und Stillenden) für die häufigsten Infektionen (URI, LRI, UTI, STI, Weichteil- und Knocheninfektionen…)

- Feedback über Antiinfektivaverschreibungen an die die COs und Ärzte als individuelles Training

- Autorisation von Breitbandantibiotika (Ciprofloxacin, Clindamycin, Amoxycillin/Clavulansäure) nach dem Vier-Augen-Prinzip

- Fortbildungscurriculum für die Verschreibenden

- Planung von Schulungen für CHP und Patienten

- Zusammenarbeit mit einem mikrobiologischen Labor zur Sicherung der wirksamen Antiinfektiva- Therapie bei recurrenten Infektionen (STI, UTI, Osteomyelitis) und Informationen über die lokale Resistenzlage

Mit der Schaffung einer Lernkultur und der Weitergabe der Informationen aus den Surveillancedaten an alle Mitarbeitenden wird es möglich sein, in einer kollegialen Atmosphäre auch unbequeme Interventionen mitzutragen. Mit den Schulungen und Fortbildung für das medizinische Personal, den CHP und den Patienten wird es möglich sein, den Antibiotikaverbrauch zu reduzieren und damit nicht nur einen Beitrag zum Kampf gegen AMR zu leisten, sondern vor allem die Gesundheit unserer Patienten zu verbessern.

Referenzen:

Ministry of Health: National Antimicrobial Stewardship, Guidelines for health care settings in Kenya, March 2020

Antimicrobial Stewardship interventions: a practical guide (WHO, May 2021)

* Antimicobial Stewardship

Dr. Marion Reimer wird im August in ihren 22. Einsatz nach Nairobi fahren.

Falls dieser Beitrag auch für Deinen Fachkollegen /-kollegin interessant wäre, sende diesen gerne weiter. Sofern auch Du während Deines Einsatzes medizinische Erfahrungen gemacht hast, die auch für Deine Kolleginnen und Kollegen interessant sein könnten, schreibe uns diese gerne an: presse@german-doctors.de

Teile uns auch bitte mit, ob Du in Zukunft häufiger Erfahrungsberichte Deiner Kolleginnen und Kollegen hier im Rundbrief lesen möchtest. Dann würden wir diese gerne in unseren Redaktionsplan aufnehmen. Sende diese gerne an: presse@german-doctors.de