Ärzte helfen weltweit
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Projekt­reise ins Kriegs­gebiet: „Im Hotel wurde ich auf den Luft­schutz­bunker hinge­wiesen“

Unmittelbar nach der Invasion russischer Truppen in die Ukraine starteten wir Nothilfe­maßnahmen. Nach über einem Jahr intensiver Projekt­arbeit reiste unsere Referentin in die Westukraine.

Auf einen ersten Konvoi mit dringend benötigten Medikamenten und medizinischem Equipment folgten diverse weitere Nothilfemaßnahmen für die Menschen in der Ukraine: das Verteilen von Lebensmitteln, Hygienepaketen und warmen Decken, die Sicherung der Versorgung mit Trinkwasser, die Bereitstellung sicherer Unterkünfte und weiterer Hilfsgüter mehr. Im April 2023 ist Anna Grimminger, Referentin für den Bereich Nothilfe, in die Ukraine gereist. Im Interview schildert sie ihre Eindrücke und berichtet von ihren Erfahrungen über ein Land im Ausnahmezustand.

Du warst Ende April eine Woche lang auf Projektbesuch in der Ukraine. Was hat Deine Anwesenheit vor Ort erforderlich gemacht?

Anna Grimminger: „Ich habe zwei unserer Partnerorganisationen in der Westukraine besuchen wollen, um sie und die Projekte vor Ort besser kennenzulernen. Nach einem Jahr Projektarbeit aus der Ferne war es mir wichtig, Land und Leute persönlich kennenzulernen. Dazu kommt, dass in der Westukraine die Kriegsfront sehr weit weg ist. Dort ist es deshalb vergleichsweise sicher. Und ich war durch ein Sicherheitstraining gut auf die Reise vorbereitet. Deshalb ist mir die Entscheidung, dahin zu reisen, nicht schwergefallen.“

Wo genau warst Du und mit wem hast Du Dich getroffen?

Anna Grimminger: „In Uschhorod habe ich Vostok SOS besucht. Mit dieser Organisation bauen wir gerade ein Haus in Kalusch zu einem Pflegeheim um, damit ältere und pflegebedürftige Menschen aus frontnahen Dörfern innerhalb der Ukraine evakuiert werden können. Kalusch dürfte manchen Menschen ein Begriff sein, weil 2022 die ukrainische Band Kalush Orchestra den Eurovision Song Contest gewonnen hat. In Lwiw – früher Lemberg – habe ich den Direktor und die medizinische Leitung des Sheptytsky Spitals getroffen. Gemeinsam mit dem Spital verteilen wir dringend benötigte Medikamente an Krankenhäuser und Gesundheitsstationen in der gesamten Ukraine.“

Wie sichtbar beziehungsweise spürbar war der Krieg für Dich während Deiner Reise?

Anna Grimminger: „Der Krieg war immer präsent. Überall im Land gibt es Militärcheckpoints. Fotos von gefallenen Soldaten sind in Städten und an den Autobahnen plakatiert. Alle Menschen, mit denen ich vor Ort gesprochen habe, haben Freunde oder Familienmitglieder an der Front und kannten Menschen, die durch den Krieg ihr Leben verloren haben. Besonders bedrückend fand ich den Anblick der Friedhöfe, an denen ich mit dem Auto vorbeigefahren bin. Die Soldatengräber sind dort gut zu erkennen, weil sie ganz neu und mit ukrainischen Flaggen geschmückt sind. Ein Friedhof ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Er war provisorisch um einen großen Bereich mit dutzenden Soldatengräbern erweitert worden. Jeden Tag sterben in diesem Krieg Menschen.

Gleichzeitig geht das Leben in der Ukraine auch einfach weiter. Menschen verabreden sich in Cafés, gehen Bummeln und zum Sport.“

Philpp Danne auf Projektreise

Gab es Momente, in denen Du Angst hattest?

Anna Grimminger: „Nein. Ich habe mich immer sehr sicher gefühlt. Beim Einchecken in den Hotels wurde ich auf den Standort des Luftschutzbunkers hingewiesen. Das hat sich etwas komisch angefühlt, aber Angst würde ich das nicht nennen.“

German Doctors haben seit Beginn der Invasion in die Ukraine viel für die notleidenden Menschen getan. Welche Hilfeleistungen sind Deiner Meinung nach in naher Zukunft wichtig?

Anna Grimminger: „Der Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur beschäftigt mich und viele unserer Partnerorganisationen. Dazu kommt wie in jeder Krise das Thema mentale Gesundheit. Die humanitären Bedarfe in der Ukraine sind sehr vielfältig und durch den andauernden Krieg kommen auch immer neue Probleme dazu.“

Gibt es Eindrücke, die Dich besonders berührt haben?

Anna Grimminger: „Mich hat es in vielen Gesprächen sehr gerührt, wie entschlossen und professionell sich die ukrainischen Kolleginnen und Kollegen einsetzen, um die durch den Krieg verursachte große Not zu lindern.“