Marina Kemeridou ist die einheimische Ärztin in unserem Griechenland-Projekt. Außer ihrer klinischen Arbeit besteht die wichtigste Aufgabe der Allgemeinmedizinerin mit chirurgischer Zusatzqualifikation darin, die Verbindung zwischen den ehrenamtlichen Einsatzärztinnen und -ärzten und dem griechischen Gesundheitssystem herzustellen. Sie organisiert die Besuche der German Doctors in den Camps, plant die Impfungen und alle Maßnahmen der Präventivmedizin. Außerdem ist sie verantwortlich für die Beschaffung von Medikamenten und medizinischem Material und ist berechtigt, Medikamente zu verschreiben.
Was ist Ihre Motivation für Ihre Arbeit als Ärztin?
Marina Kemeridou: „Die wichtigste Motivation für mich sind die Rückmeldungen meiner Patientinnen und Patienten. Es gibt nichts vergleichbar Schönes auf der Welt als zu wissen, dass man jemandem geholfen und seine Schmerzen oder Sorgen etwas gelindert hat.“
Was sind die häufigsten Probleme, mit den die Geflüchteten in unsere Sprechstunde kommen?
Marina Kemeridou: „Am häufigsten sind es psychosomatische Symptome, dermatologische Probleme, fehlende und benötigte Impfungen oder Bescheinigungen für die Schule oder sonstige Aktivitäten.“
Was hat sich dadurch verbessert, dass Sie bei Ihrer Arbeit immer von zwei German Doctors unterstützt werden?
Marina Kemeridou: „Sicherlich die Anzahl der Patienten, die wir betreuen, und die Anzahl der Camps und Flüchtlingsheime, mit denen wir zusammenarbeiten. All diese Arbeit könnte nicht von einer einzigen Person geleistet werden! Darüber hinaus helfen uns die Erfahrung und die verschiedenen Perspektiven, die all diese Ärztinnen und Ärzte mitbringen, die Qualität unserer Dienste zu verbessern und unser Wissen über viele medizinische Probleme und deren Behandlung zu erweitern.“
Was sind die Hauptaufgaben der Kurzzeitärztinnen und -ärzte?
Marina Kemeridou: „Abgesehen von der üblichen klinischen und administrativen Arbeit besteht die wichtigste Aufgabe der deutschen Ärztinnen und Ärzte darin, ihre Zeit und Erfahrung zur Verfügung zu stellen. Sie geben ihre Zeit, um den Patientinnen und Patienten zuzuhören, sie zu trösten und zu begleiten. Wie ich bereits erwähnt habe, sind die Hauptprobleme der Geflüchteten psychosomatischer Art. Daher ist jeder Arzt, der die Fähigkeit hat, sich immer wieder ausreichend Zeit für jede einzelne Person zu nehmen, ein Geschenk für unser Programm.“
Wie ist es für Sie immer wieder mit wechselnden ausländischen Medizinern zusammenzuarbeiten?
Marina Kemeridou: „Am Anfang dachte ich das würde eine echte Herausforderung werden. Aber ich wurde eines Besseren belehrt: Jeder einzelne Arzt oder Ärztin, den bzw. die ich traf und mit dem bzw. der ich zusammenarbeitete, war ein Segen. Sie alle haben eine große Bereitschaft zu helfen und zusammenzuarbeiten. Nicht zu vergessen die Mitarbeitenden von German Doctors e.V., die das ganze Projekt organisieren und begleiten. Sie gestalten die Zusammenarbeit so einfach und effektiv wie möglich.“
Was gibt es innerhalb des Projekts zu verbessern?
Marina Kemeridou: „Die Zahngesundheit der Geflüchteten ist ein großes Problem. Und daher haben wir nun auch ein zahnärztliches Angebot gestartet. Dies ist ein wirklich vielversprechendes Projekt, das die medizinische Versorgung definitiv verbessern wird.“
Was würden Sie am liebsten am europäischen Flüchtlingssystem ändern?
Marina Kemeridou: „Ich würde mir wünschen, dass sich das europäische System darauf konzentriert, die Geflüchteten in die lokalen Gesellschaften einzubinden und sie zu motivieren, ein echter Teil der Gesellschaft zu sein, in der sie leben. Natürlich ist die Versorgung mit Lebensmitteln, Unterkünften und medizinischer Versorgung ein Grundbedürfnis, das gedeckt werden muss – aber das Leben besteht nicht nur aus Überleben, sondern aus Leben und der Freude, ein gleichberechtigter Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten zu sein.“
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten und etwas auf der Welt dadurch verändern könnten. Was wäre das?
Marina Kemeridou: „Ich würde mir wünschen, dass wir alle eine gemeinsame Sprache haben! Ich weiß, dass das mehr als unmöglich ist. Aber stellen Sie sich vor, wie Rassismus und Diskriminierung zurückgehen würden! Deshalb ist es neben meinen medizinischen Aufgaben mein Hauptanliegen, die Geflüchteten, die in Griechenland bleiben wollen, zu befähigen, die griechische Sprache so schnell und so gut wie möglich zu lernen. Die Kenntnis der Landessprache löst viele Alltagsprobleme, verbessert die Lebensbedingungen und beschleunigt die soziale Eingliederung.“