Seit wann arbeitest Du für die German Doctors und wie kam es dazu?
Merel Boom: „Ich arbeite seit Januar 2022 für die German Doctors. Als das Ausbildungsprogramm im Oktober 2021 startete, arbeitete ich bereits am Masanga Hospital auf der Kinderstation. Nachdem über zwei Jahre mit dem Gesundheitsministerium über das Pädiatrieprogramm verhandelt worden war, kam die endgültige Unterzeichnung der Vereinbarung für das Programm für alle ziemlich plötzlich, sodass die eigentliche Vorbereitungszeit begrenzt war. Ich bin zu den Vorlesungen der ersten Ausbildungsgruppe gegangen. So habe ich das Programm und German Doctors kennengelernt und mich eingebracht.”
Seit wann arbeitest Du in Afrika und warum hast Du Dich dazu entschlossen, dort zu arbeiten?
Merel Boom: „Es ist manchmal schon etwas schwierig zu erklären, warum man gerne in einer Umgebung arbeitet, in der es an Ressourcen mangelt. Aber die Mischung aus Akutmedizin, die Herausforderung bei der Arbeit mitdenken zu müssen, was mit den vorhandenen Mitteln möglich ist, und über den Tellerrand zu schauen sowie die Ausbildung sehr motivierter Studierender, die aus einer ganz anderen Kultur kommen, sind für mich die Gründe, warum ich gerne hier bin. Ich arbeite bereits seit 2019 in ressourcenschwachen Regionen in Subsahara-Afrika. Zuvor war ich in Ghana in Berekum, bin für meine medizinischen Rotationen nach Uganda gegangen und habe für die Boat Refugee Foundation in Griechenland gearbeitet.
Was sind genau Deine Aufgaben im Ausbildungsprogramm?
Merel Boom: „Ich bin die medizinische Koordinatorin und somit für den medizinischen Teil des Programms verantwortlich. Ich arbeite vor Ort in Sierra Leone mit der lokalen Vertreterin von German Doctors, Fanta Daboh, zusammen sowie mit dem Finanzmanager Santigie Kamara. Das Curriculum des Ausbildungsprogramms haben wir zusammen mit einer medizinischen Kerngruppe, die aus weiteren sechs Ärztinnen und Ärzten der Fachrichtung Pädiatrie bzw. globale Gesundheit besteht, erarbeitet und passen es fortlaufend an. Meine Aufgaben sind sehr abwechslungsreich: Sie reichen von Verhandlungen mit dem Ministerium und der Medical School über die Bedingungen und die Zukunft des Programms über die Bewerbung und Vernetzung, um mehr nationales Personal und Krankenhäuser in das Programm einzubeziehen, bis hin zur Organisation der Theorieblöcke. Ich bin in die Ausbildung der Studierenden während ihrer ersten klinischen Rotationen involviert und arbeite zudem als klinische Ärztin mit Bereitschaftsdienst im Masanga Hospital.“
Warum ist die Ausbildung Deiner Meinung nach so wichtig?
Merel Boom: „Sierra Leone hat mit einer Sterblichkeitsrate von 10 Prozent der unter Fünfjährigen eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt. In Kombination mit einem großen Mangel an medizinischem Personal, insbesondere von Ärztinnen und Ärzten sowie Clinical Officers, besteht ein offensichtlicher Bedarf von spezialisiertem pädiatrischem Gesundheitspersonal. Unser Programm hat das Ziel, die Zahl der medizinisch ausgebildeten Fachkräfte neben spezialisierten Ärzten zu erhöhen, um somit die Kinder- und Neugeborenensterblichkeit zu reduzieren. In anderen Ländern Subsahara-Afrikas hat sich diese Art von Trainingsprogramm als effektiv erwiesen. Ein weiteres wichtiges Argument für die Ausbildung ist, dass das Programm in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Gesundheit und Hygiene (MOHS) und der School of Clinical Sciences in Makeni (SCSM) stattfindet. Die Schüler beginnen dort ihre Ausbildung und erhalten eine zwei- bis dreijährige medizinische theoretische Grundlage an der Schule. Danach können sie sich für eines der drei Programme bewerben. Diese sind Chirurgie/Geburtshilfe, Innere Medizin oder unser Pädiatrieprogramm.”
Das Ausbildungsprogramm ist ja noch sehr neu. Was funktioniert gut und was muss noch verbessert werden?
Merel Boom: „Wir haben zehn sehr motivierte Studierende, die in zwei verschiedenen Jahrgängen eingeschrieben sind. Die ersten haben ihre zweite Rotation in den neuen Partnerkrankenhäusern begonnen. Die Basis des Programms wurde also geschaffen und für die Nachhaltigkeit ist es wirklich wichtig, dass es in Zusammenarbeit mit dem MOHS und dem SCSM stattfindet und dass es starke Partnerschaften mit den Organisationen CapaCare (zuständig für Chirurgie und Geburtshilfe) und Partners in Health (zuständig für Innere Medizin) gibt.
Herausfordernd ist die Einbindung nationaler Kinderärzte. Denn es gibt nur wenige und ihre Arbeitsbelastung ist immens. Vor einem Jahr startete in Freetown eine pädiatrische Facharztausbildung für Mediziner. Wir haben nun begonnen, auch diese Kinderärztinnen und -ärzte in unser Programm miteinzubeziehen. Eine weitere Herausforderung des Programms ist, für dessen Akzeptanz und Ansehen zu sorgen, sodass die Studenten später bezahlte Jobs bekommen.“
Wenn Du die Macht hättest, eine Sache auf der Welt zu verändern. Was wäre dies?
Merel Boom: „Die Welt ändert sich nicht durch eine große Veränderung. Es braucht viele kleine Dinge von vielen Menschen die zusammenarbeiten, um wirklich etwas zu verändern.”