

Weltkindertag 2025: Kindersprechstunden in Jhargram, Indien

© Nathalie Rans
Um die Gesundheitsversorgung der Kinder zu verbessern, hat KJKS eine separate Kindersprechstunde eingerichtet, die viermal pro Jahr in Form von Reihenuntersuchungen in den einzelnen Dörfern und Schulen stattfindet. Dabei wechseln sich lokale Ärztinnen und Ärzte mit ehrenamtlichen German Doctors ab. Im März reiste Kinderärztin Nathalie Rans nach Jhargram, um die quartalsweise anstehenden Untersuchungen bei den Kindern zu über nehmen. In den drei Wochen untersuchte die Pädiaterin 1.700 Kinder, stellte zahlreiche Diagnosen und leitete Behandlungen ein. Die Kinder wurden im Anschluss von den lokalen Gesundheitskräften (CHV), die im Rahmen des Projekts ausgebildet werden, weiter betreut. Im Interview erzählt Nathalie Rans von ihren Erfahrungen:
Wie kam es zu der Idee der regelmäßigen Untersuchungsreihen für Kinder?
Nathalie Rans: „Die Idee stammt von Anirban Chakubati, dem Projektkoordinator von KJKS. Sie ist während meines letzten Einsatzes in Jhargram entstanden. Wir haben uns überlegt, dass es eine gute Idee wäre, eine separate Ambulanz für die Kinder anzubieten. Nach ein paar Wochen in meinem regulären Einsatz im letzten Jahr hat KJKS in einigen Dörfern erst Kindersprechstunden organisiert, die ich als Kinderärztin übernahm. Im Anschluss an diese Pilotphase hat KJKS diese Komponente der regelmäßigen Reihenuntersuchungen für Kinder dann flächendeckend in unserem Projektgebiet eingeführt, und ich war im Rahmen des offiziellen Turnus im März als Pädiaterin vor Ort.“
Wie und an welchen Orten fanden die Untersuchungen statt?
Nathalie Rans: „Meistens haben wir unsere Sprechstunden in den Schulen der Dörfer begonnen, die von unserem Projektpartner KJKS unterstützt werden. Die Kinder sind nach Unterrichtsende direkt dageblieben. Im Dorf verbreitete sich die Information schnell, dass wir vor Ort waren. So kamen auch alle weiteren Kinder aus dem Dorf zur Untersuchung. Die
Gesundheitskräfte oder andere Familienangehörige, die die Kinder begleitet hatten, passten auf die Kinder auf, bis diese an der Reihe waren. Die Untersuchungen fanden an verschiedenen Orten statt. Manchmal waren wir an den Standorten der Rolling Clinic, nur dass an dem Tag anstelle einer „normalen“ Sprechstunde eine Kindersprechstunde stattfand. Zum Teil waren wir in den Schulen selbst. Zusätzlich wurde als Untersuchungsort ein Platz im Freien unter einem Baum genutzt. Indem wir mit dem Baumschatten wanderten, waren wir so immer vor der
Sonne geschützt.“
Wie reagierten die Kinder auf die Untersuchungen?
Nathalie Rans: „Die Kinder reagierten wirklich positiv. Ich empfinde die Kinder dort als etwas angstfreier als bei uns. Sie stehen bei den Untersuchungen in einer Reihe und warten ruhig, bis sie dran sind. Sie spielen ein bisschen oder unterhalten sich, aber es läuft alles sehr geordnet und friedlich ab.“
Wie werden die Einsätze vorbereitet?
Nathalie Rans: „Die Kindersprechstunden waren vom ersten Tag an professionell von den lokalen Mitarbeitenden der KJKS organisiert. Morgens ist zunächst ein Tuk-Tuk beladen mit Medikamenten, Stühlen, Tischen und Bänken für die Kinder zum jeweiligen Einsatzort losgefahren. Vor Ort wurde dann alles mithilfe des Teams von KJKS und den lokalen CHV aufgebaut, vorbereitet und die wartenden Kinder registriert. Mir standen alle für die Behandlungen der Kinder notwendigen Medikamente ausreichend zur Verfügung. Am Ende der Sprechstunde wurde alles wieder im Tuk-Tuk verstaut, und wir sind zum nächsten Dorf gefahren, in dem die Kinder bereits informiert waren und auf uns gewartet haben. Wenn wir – oft spät abends – in die Unterkunft zurückkamen, wurden die Medikamente für den nächsten Tag von der Krankenschwester Sunita und ihren Kolleginnen und Kollegen aufgefüllt.“
Welche Erkrankungen konnten Sie bei den Kindern feststellen?
Nathalie Rans: „Aufgrund der schlechten hygienischen Lebensbedingungen leiden sehr viele Kinder an Hauterkrankungen, die sich über große Areale ausgebreitet haben. Das zeigt sich durch offene oder entzündete Stellen im Gesicht, an den Ohren oder Beinen. Generell sehen viele von der Gesamterscheinung her sehr blass und mager aus. Man sieht außerdem ausgesprochen viel Scabies, also Krätze, und das nicht nur an kleinen Stellen, sondern wirklich am ganzen Körper. Die größeren Kinder, meist im Alter von 13 bis 15 Jahren, leben oft in Wohnheimen, da die Schulen zu weit entfernt sind von den Dörfern. Dort wohnen sie alle zusammen in Gemeinschaftsräumen und haben oft keine Betten, sondern schlafen auf dem Boden. Unter diesen Bedingungen ist es unvermeidbar, dass sich die Kinder sehr schnell und leicht mit Scabies gegenseitig anstecken. Kommen sie für ein paar Tage nach Hause, können sie diese parasitäre Hautkrankheit auch auf ihre Familienangehörigen übertragen. Mit Scabies infiziert man sich durch längeren, engen Hautkontakt und beengte Wohnverhältnisse.
Ich selbst habe bei den Untersuchungen keine Angst, mich anzustecken, weil die Kontakte ja eher kurz sind. Aber in den Wohnheimen sind alle auf engem Raum länger zusammen.“

Welche Mittel hatten Sie für die Diagnostik zur Verfügung?
Nathalie Rans: „Es ist möglich, vor Ort einfache Blutuntersuchungen, insbesondere Hämoglobinbestimmungen, durchzuführen. Oft sieht man jedoch den Kindern schon eine Anämie, also ei-nen verminderten Hämoglobingehalt des Blutes, an, zum Beispiel an blasser Haut und Zunge oder blassen Schleimhäuten und Fingernägeln. Generell leiden viele unserer Patientinnen und Patienten in dieser Region an Anämie. Wir haben vor Ort die großartige Gelegenheit, weiterführende Blutuntersuchungen in einem dem Projekt angeschlossenen Labor in Nayagram zu veranlassen. Ein Laborant kann entweder direkt zu unserem Einsatzort kommen und dort Blut abnehmen, oder wir können die Kinder mithilfe der CHV zeitnah zur Blutuntersuchung ins Labor oder jede andere Ambulanz der Rolling Clinic schicken, an dem sich der Laborant zu diesem Zeitpunkt befindet. Wir notieren die Namen der Kinder und machen ein Foto von ihnen oder ihrer Krankenakte, um die Befunde zuordnen zu können. Die Befunde habe ich zuverlässig am nächsten oder übernächsten Tag erhalten und konnte, wenn notwendig, weitere Untersuchungen oder Behandlungen einleiten. Glücklicherweise haben wir im Bedarfsfall die Möglichkeit, Kinder in ein Krankenhaus mit höherem Versorgungslevel zu überweisen oder ambulant vorzustellen, um spezielle Untersuchungen durchführen zu lassen.
Die Kinder, die diese weitere Versorgung benötigen, können einmal wöchentlich mit einem Sammeltransport in dieses Krankenhaus gebracht werden. Den Familien der Kinder entstehen dadurch keine weiteren Kosten. Die Befunde der Untersuchungen wurden mir von dem Projektkoordinator rasch weitergeleitet, das hat wirklich wunderbar funktioniert.“
Haben Sie auch Schulungen mit den Eltern und der Dorfgemeinschaft durchgeführt?
Nathalie Rans: „Wir haben beispielsweise zum Welttuberkulose-Tag direkt im Dorf vor Ort kleine Schulungen gehalten, um die Menschen für diese Krankheit zu sensibilisieren, über Anzeichen und Symptome aufzuklären und so Stigmata in der Gemeinschaft abzubauen. Außerdem haben wir regelmäßig über Hygienemaßnahmen, Händewaschen und insbesondere das Abkochen von Wasser aufgeklärt.
Ich würde mir wünschen, ein Mini-Camp über Zahnhygiene in die Kindersprechstunden zu integrieren. Der Zahnstatus der Kinder ist ausgesprochen schlecht, die Kinder putzen – wenn überhaupt – ihre Zähne nur mit Holzstäbchen und besitzen weder Zahnbürste noch Zahnpasta. Das Thema würde ich gerne angehen.“
Wie soll es mit den Schuluntersuchungen weitergehen?
Nathalie Rans: „KJKS hat den Wunsch, diese Untersuchungen einmal im Quartal durchzuführen. Die Vorstellung wäre, dass zwei- bis dreimal im Jahr indische Ärztinnen und Ärzte die Untersuchungen übernehmen und die restlichen Termine von den German Doctors abgedeckt werden.“
Warum ist der Einsatz sinnvoll?
Nathalie Rans: „Wenn wir es schaffen, durch regelmäßige und engmaschige Vorsorgeuntersuchungen in den Dörfern rechtzeitig schwerwiegende Krankheiten, wie zum Beispiel Tuberkulose, zu erkennen oder auch gegen Wurmbefall zu behandeln und Blutarmut vorzubeugen, dann wäre schon viel erreicht, um die Kinder beim gesunden Aufwachsen zu unterstützen. So können sie weiter zur Schule gehen und haben bessere Chancen im Leben. Ich sehe diese Einsätze als Hilfe für den einzelnen Menschen und möchte jedem Kind die bestmögliche Diagnostik, Behandlung und Therapie auch oder insbesondere bei schwerwiegenderen Erkrankungen zur Verfügung stellen. Daher sind mir die Kindersprechstunden wirklich eine Herzenssache.“