Streik und Aids – Alltag in Nairobi

Blogbeitrag von Langzeitärztin Dr. Barbara Hünten-Kirsch

Mittlerweile ist es schon November geworden. Die Zeit hier vergeht einerseits wie im Fluge, andererseits ist das Leben hier mein Alltag geworden und davon lässt sich bekanntlich nicht allzu viel berichten. Auch wenn Vincent, unser Projektkoordinator immer mal wieder sagt: Es gibt keine langweiligen Tage in Baraka – und damit natürlich auch Recht hat. Inzwischen hat hier wieder die Regenzeit eingesetzt. Zeitweise schüttet es wie aus Kübeln (ein El Nino-Phänomen ist für dieses und die nächsten Jahre vorausgesagt). Es gibt aber auch immer wieder Tage so wie heute, an denen uns die afrikanische Sonne verwöhnt.

Allmählich nimmt der Wahlkampf Formen an. Am 4. März soll ja wieder gewählt werden. Eigentlich ist diese Wahl längst überfällig, sie sollte ursprünglich schon im September stattfinden. Dann war lange Zeit nicht klar, ob die organisatorischen Voraussetzungen bis März getroffen werden können – sehr im Sinne der jetzt regierenden Politiker, für die eine längere Zeit im Amt ja gleichzeitig mehr Zeit bedeutet, um sich – und ihre Verwandtschaft – zu bereichern. Noch vor kurzem hatten sich die Abgeordneten eine Diätenerhöhung von 10.000 auf 13.000 Euro bewilligt. Auf der anderen Seite haben Lehrer und Ärzte wochenlang für mehr Gehalt gestreikt. Die Folgen: Schulen blieben lange Zeit geschlossen, im Krankenhaus fand nur eine Notfallversorgung statt, häufig wurden Patienten abgewiesen.

Am meisten erschüttert uns derzeit das Schicksal des kleinen Sohns unserer Kinderkrankenschwester Carolyne: Enoch, gerade einen Monat alt, liegt seit knapp einer Woche mit Meningitis und Blutvergiftung beatmet auf der Intensivstation des Kenyatta Hospitals und ist inzwischen wohl hirntot. Ich war vorhin noch bei ihm: Die Situation verschlechtert sich zusehends. Die Eltern, anfangs völlig verzweifelt, scheinen sich allmählich damit abzufinden, dass der Kleine sterben wird. Gut ist der Zusammenhalt unseres Baraka Teams: Täglich waren mehrere Mitarbeiter da, um Caro, die dort auf der Kinderstation übernachtet, zu besuchen und ihr und ihrem Mann Peter Zuspruch und Beistand zu leisten.

Ärzte für die Dritte Welt in Nairobi

Ärzte für die Dritte Welt in Nairobi

Auch in Baraka gibt es immer wieder erschreckende Geschichten: So hatten wir z.B. ein einjähriges Kind mit massivsten Verbrennungen. Die kleinen Zehen sind völlig verkrüppelt, das arme Kind wird für sein Leben lang behindert bleiben. Anfangs haben wir uns gefragt, ob es nicht gnädiger vom Schicksal gewesen wäre, wenn es bei diesem Hüttenbrand gestorben wäre. Ein vierjähriges Kind hatte auf das Kleine aufgepasst, als das Feuer ausbrach. Zunächst blieben seine Verbrennungen unbehandelt, es wurde schließlich von einem unserer Gemeinde-Gesundheitsarbeiter in der Hütte entdeckt. Zur familiären Situation: Seine Mutter ist 18 Jahre alt, die Oma 33 Jahre und HIV-positiv. Natürlich gibt’s keine zugehörigen Männer. Das Kind ist letztendlich in ein Heim gebracht worden, weil seine Versorgung zu Hause nicht gewährleistet werden konnte.

Manchmal gibt es aber auch lustige Geschichten: Ein HIV-Patient , der keine Kondome mehr möchte. Anfangs hat er sie sich bereitwillig geben lassen und wohl auch benutzt, bis seine Frau, die diese durchzählte, feststellte, dass welche auf „unerklärliche Art“ abhanden gekommen waren…. In diesem Zusammenhang: Im HIV-Programm lernen unsere Mitarbeiter nicht nach dem Ehegatten, sondern nach den Partnern – und ihrem HIV-Status – zu fragen.