Gestern fuhr ich mit dem Bus in die Stadt. Dieser Satz klingt erstmal, ja…“harmlos“. Ich fuhr also in die Stadt, es war etwa 18 Uhr, freitags, und ich dachte: heute fährst Du mal nicht mit der Fähre, Du fährst direkt mit dem Bus von der GT-Road ins Zentrum, über die berühmte Howrah-Bridge. Endstation des Buses: Esplanade. Der „übliche“ Weg unserer German Doctors Kollegen ist quasi direkte „Luftlinie“ (unter Vermeidung der Überquerung der Howrah-Bridge, die laut meinem Reiseführer als die am meisten frequentierte Brücke der Welt gilt..??), heißt: zu Fuss 3 Minuten bis zur GT- Road, dort eine Fahrrad-Rikscha für den „Festpreis“ der German Doctors von 20 Rupien (1 EUR = 60 Rupien) besteigen, dann etwa 10 Minuten in der Rikscha die Foreshore-Road überquerend Richtung Fluss zum Krishna-Ghat, dann mit der Fähre (4 Rupien) über den Hooghly-River zum Babu-Ghat, dann mit Taxi (Wucherpreise 50 bis zu 100 Rupien, da sich der Fahrer weigert das Taximeter anzustellen) oder Bus (6 Rupien) zur Esplanade. (Dauer etwa 30-40 Minuten) Der große Platz im Zentrum von Kolkata heißt Esplanade. Von dort sind es nur wenige Minuten zum New Market, einem riesigen quasi Einkaufszentrum, wo man sich leider als „Weißer“ ungern aufhält, da man die Schlepper der Läden eigentlich während des Laufens durch die Passagen nicht mehr los wird und ein „beschauliches“ Schlendern und „Shoppen“ nicht möglich ist, eben durch besagte „patexartige“ Schlepper und die drängelnde Menschenmenge und auch sehr unangenehme Gerüche, Müll, Dreck etc…Einige Minuten weiter ist das berühmte Grand-Hotel Oberoi. Als Weisser kann man dort ohne Probleme mal auf ein sauberes Klo gehen, auch einen Tee, Kaffee oder Bier kann man trinken, wenn man mal eine Verschnaufpause von der Welt „da draussen“ braucht. Im Oberoi gibt es auch eine Bar mit einem Billardtisch…der Kontrast zu der Welt auf der Strasse vor dem Hotel und im Hotel kann eigentlich nur mit dem Wort „krass“ beschrieben werden…zwei gegensätzlichere Welten, nur wenige Minuten voneinander entfernt kann man sich kaum vorstellen. Draussen: ausgezehrte Bettler, auf der Straße schlafende Obdachlose, Straßenkinder, Dreck, Lärm, Gestank, Müll, Gedränge. Drinnen: Stille, Luxus, Sauberkeit, das Gefühl, das man es sich so richtig gut gehen lassen kann…Spa, Pool etc… – Esplanade ist auch eine Metrostation, von wo aus man schnell, leider aber auch zu gewissen Zeiten unbequem in den Süden und Norden der Stadt gelangen kann. Unbequem in dem Sinne, dass man, wenn man zu Stosszeiten fährt, regelrecht in den Waggons zerquetscht wird, und wenn man es nicht schafft, sich durch tätliche Gewaltanwendung (Boxen, Schieben, massives Durchdrängen) durch die Menschen zu arbeiten, definitiv NICHT an der geplanten Station wird aussteigen können. (So auch schon von Kollegen erfahren und berichtet). – Ich fuhr also nicht mit der Fähre zur Esplanade, sondern mit dem Bus…freitags 18 Uhr…Und ich hätte es wissen sollen…da ja auch bei uns die Autobahnen, im Raum Frankfurt natürlich die A3 und A5 freitags 18 Uhr ein „no-go“ sind… Meine Busfahrt erinnerte mich zunehmend an ein existentielles Drama des Busfahrers in Bezug auf jeden Meter, den er sich mit dem Bus und uns „ohmächtigen“ Insassen „erkämpfte“. Über mehr als 80 Minuten stop and go. Aber bei „go“ gab der Fahrer Vollgas, als wenn er alle Energie, die sich in all den Jahren, die er schon seinen Bus im Verkehr von Kolkata lenkt, aufgestaut hat, und alle Energie sich entlädt für nur wenige Meter „freier Fahrt“. Ein Aufbäumen, ein trotziger Kampf, der zum existentiellen Drama gewordene Wunsch nach Geschwindigkeit und Vorankommen- immer wieder, tag-ein, tag-aus, abgebremst durch den „ewig-anderen“, der den eigenen Weg blockiert, auch wenn man mal den einen, mal den anderen austrickst, überholt, abblockt- man wird nach der Hoffnung des Vollgases mit der Vollbremsung am Weiterfahren gehindert…“stop“, alle Insassen werden auf ihren Sitzen nach vorne und wieder nach hinten durchgerüttelt, ich kralle mich fest, Gott-sei Dank sitze ich auf der engen Sitzbank… Kurze Atempause, der Bus steht, wie ein wildes Tier, ein wütendes Nashorn vor dem Angriff. Wildes Gehupe, ohrenbetäubender Lärm, Co2 „gesättigte“ Luft (das kann nicht gesund sein!), wilde Jagd der Busse, Lastenkarren, Taxis auf der Howrah-Bridge, mindestens 20 Beinahe-Auffahrunfälle, nur Zentimeter neben uns überholt ein anderer Bus…um dann wieder um Zentimeter von uns überholt zu werden…Nie habe ich eine solche Busfahrt erlebt. Never take the bus to Esplanade on fridays…