




Dr. Sabine Kimmel ist Allgemeinmedizinerin aus der Nähe von Darmstadt. Ihr Aufenthalt in Griechenland im März und April 2022 war ihr erster Einsatz unter dem Dach unserer Organisation und auch ihr erster als Ärztin im Ausland. Frau Dr. Kimmel arbeitet seit 45 Jahren im medizinischen Bereich, davon 27 Jahre lang als niedergelassene Hausärztin. Seit 2020 ist sie im Ruhestand. Wir haben mit ihr über ihren Einsatz und ihre Erlebnisse gesprochen:
Welche Erwartungen hatten Sie vor dem Einsatz und wie war es dann tatsächlich vor Ort?
Dr. Sabine Kimmel: „Ich habe vorher versucht, nicht so viele Erwartungen aufzubauen. Da ich jedoch vor dem Einsatz Kontakt mit meinem Kollegen vor Ort von den German Doctors hatte, konnte ich mir schon ein Bild über meine Aufgaben und das Leben in Thessaloniki machen. Im Vorfeld erwartete ich auch psychosomatisch tätig zu sein. Doch dafür waren die Kontakte mit den Patienten zu kurz und zu selten. Außerdem macht die Sprachbarriere psychosomatische Arbeit sehr schwer.“
Wie leben die Geflüchteten, die Sie behandelt haben?
Dr. Sabine Kimmel: „Die meisten leben mit der Familie. Teilweise aber auch alleine oder mit vorher unbekannten Menschen in Containern in den Camps oder in Wohneinrichtungen. Die Menschen versuchen auch unter oft schweren Bedingungen etwas Normalität in ihr Leben zu bekommen.“
Was waren die häufigsten medizinischen Probleme, mit denen die Menschen kamen?
Dr. Sabine Kimmel: „Im Großen und Ganzen waren wir mit den Krankheiten und Problemen konfrontiert, die ich auch aus einer allgemeinmedizinischen Praxis kenne: Bluthochdruck, Diabetes, Gelenk- und Rückenerkrankungen, Verletzungen, Sodbrennen, Hauterkrankungen usw. Viele Patienten haben unklare Schmerzsymptome, die wahrscheinlich häufig mit den traumatischen Erfahrungen von Krieg, Verfolgung und Flucht zusammenhängen.“
Was konnten Sie als Ärztin vor Ort für die Geflüchteten tun?
Dr. Sabine Kimmel: „Wir konnten mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln Krankheiten behandeln bzw. diagnostische Maßnahmen einleiten. Die oft begrenzten Möglichkeiten auszuhalten, war nicht immer leicht – weder für uns Ärzte noch für die Patienten. Maßnahmen wie fachärztliche Untersuchungen, Einweisungen in Kliniken oder suchtmedizinische Therapien dauern von der Anordnung bis zur Durchführung oft lange Zeit. Trotz allem finde ich es wichtig, die Menschen mit ihren Sorgen und Krankheiten ernst zu nehmen, auch wenn wir die Geflüchteten nur eine kurze Zeit begleiten können. Ein schönes Ergebnis wäre, wenn die Menschen wieder etwas mehr Vertrauen ins Leben bekommen würden und schlimme Krankheiten rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt werden könnten.“
Welche Begegnungen mit Patienten waren besonders bewegend für Sie?
Dr. Sabine Kimmel: „Sehr bewegend war für mich eine Impfaktion in einer Wohneinrichtung für unbegleitete Kinder zwischen 5 und 18 Jahren. Die meisten Kinder – auch bei uns – haben Angst vor dem Impfen. Aber diese Kinder ohne familiären Beistand zu impfen und mit dem Wissen um ihr traumatisches Leben als Kind auf der Flucht, war emotional sehr belastend. Es gab aber viele kleine, schöne Momente, bei denen ich eine Verbindung von Mensch zu Mensch gespürt habe, oder wir einfach zusammen lachen konnten.“