Prostitution und Tuberkulose: Schicksale auf Cebu

Ein Bericht von Ute Arend über ihren Einsatz auf Cebu, Philippinen

Jede zweite Woche gehe ich spät abends mit einem Bruder der Steyler Missionare in das illegale Rotlichtviertel. Nur weibliche Ärzte sind hier willkommen. Die Mädchen werden in weit abgelegenen Bergdörfern angeworben unter dem Vorwand, eine Stellung als Hausmädchen zu bekommen. Hier werden sie dann gefügig gemacht, müssen als Prostituierte arbeiten und werden von den zahlreichen Zuhältern bewacht. Glücklicherweise haben sie eine gute gesundheitliche Kondition und benötigen eher Kondome als meine Betreuung und so sind es die Armen und Obdachlosen, die hier meine Hilfe brauchen.

Vor allem Krätze und andere Hautkrankheiten neben Bronchitiden und Arthrose gibt es zu behandeln. Wir gehen auch in eine große Halle, in der ca. 30 obdachlose Familien vorübergehend ein Dach über dem Kopf gefunden haben. Doppelbett neben Doppelbett ohne Matratze, ohne Privatsphäre, nur ein paar Kleidungsstücke. Ein Loch auf dem Gang ist die Latrine. Beim Schein einer winzigen Lampe finde ich ein stark unterernährtes Kleinkind von einem Jahr. Es wiegt gerade mal 4,1 Kilogramm, wie ich später erfahre. Bruder Paul übernimmt glücklicherweise die Kosten für die Einweisung in ein Krankenhaus. Zwei Wochen später sehe ich es erneut und es bekommt jetzt Milchersatz und hat etwas zugenommen.

Nie zuvor habe ich so viele Fälle von Tuberkulose gesehen; doch hier ist es Alltag. Besonders Lymphknoten- und Knochentuberkulose sind extrem stark vertreten. Jede Woche entdecken wir davon vier bis fünf neue Fälle, neben den vielen Patienten mit Lungentuberkulose. Viele Kinder sind darunter. Das ist schwer zu verkraften.

Eine junge 21-jährige Frau mit dem hübschen Namen Mona Liza zeigt mir schamhaft eine Schwellung ihrer rechten vierten Rippe, die sie schon seit einem Jahr bemerkt. Das Röntgenbild der Lunge ergibt einen Pleuraerguss und damit ist es klar, dass es Knochentuberkulose ist. Inzwischen ist sie zur Behandlung im Gesundheitszentrum. Die Behandlung der Knochentuberkulose wird hier zum Glück durch die WHO bezahlt, aber für die Röntgen-Diagnostik müssen zu 50 % die Patienten und zu 50 % die German Doctors aufkommen. Oft sind die Patienten so mittellos, dass sie es gar nicht bezahlen können. Dann wird ein Sozial-Screening durch unsere Schwestern durchgeführt und wir zahlen alles.

Ein anderes Beispiel ist ein 13-jähriger Junge, der sich im Dezember beim Basketballspielen eine Fraktur des 10. und 11. Brustwirbels zugezogen hat. Ob bereits eine Wirbelsäulentuberkulose vorlag, steht noch nicht fest. Der Junge hatte großes Glück, dass er nicht gelähmt ist, aber eine Operation konnte nicht bezahlt werden. Nun kämpfen wir verzweifelt um Spendengelder verschiedenster Organisationen, die eine Operation finanzieren könnten.

Überhaupt ist es extrem schwer mit ansehen zu müssen, wie immer wieder alles am Geld hängt. Wir versuchen zwar eine Grundversorgung einer großen Masse von Patienten hier in Cebu (ca. 25.000 Konsultation pro Jahr durch zwei Ärzte) zu gewährleisten, aber es sind immer wieder die Einzelschicksale, denen wir aus finanziellen Gründen nicht sofort helfen können und die uns unendlich psychisch belasten.